Mini-Satelliten mit Autopilot

Kleine Satelliten, die sich selbstständig ausrichten und miteinander verbinden können, werden erstmals im All getestet.

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Von
  • David Chandler

Am 18. Mai ist es endlich so weit: Nach einer Verzögerung von mehr als drei Jahren werden Astronauten an Bord der internationalen Raumstation ISS fußballgroße Experimental-Satelliten testen. Die von MIT-Studenten entwickelten Geräte sollen mitten in der ISS platziert werden. Anschließend können die Astronauten dann beobachten, wie ein Mini-Satellit mit Hilfe einer Computersteuerung seine Position und Ausrichtung im Raum hält. Später soll er dann mit Hilfe kleiner Sender an den Stationswänden automatisch seinen Weg durch die ISS finden.

Die bunten Mini-Satelliten nennen sich SPHERES, eine Abkürzung für "Synchronized Position Hold Engage and Reorient Experimental Satellites", also künstliche Himmelskörper, die sich automatisch ausrichten und orientieren können. Erste Prototypen wurden innerhalb eines MIT-Bachelor-Studiengangs bereits 1999 entworfen. Leiter des Projektes ist David Miller, Professor am Labor für Raumfahrtsysteme des MIT. Inzwischen kümmern sich seine Master-Studenten um die Fortentwicklung. Die eigentlichen "SPHERES"-Satelliten wurden unter Leitung des MIT-Raumfahrtlabors von Payload Systems aus Cambridge hergestellt. Jeder Mini-Satellit besitzt eine eigene Farbe, um sie im Flug besser auseinander halten zu können.

Das erste "SPHERES"-Modell erreichte die ISS in der vergangenen Woche an Bord eines russischen Progress-Versorgungsschiffes. Zwei weitere Satelliten sollen mit der nächsten US-Shuttle-Mission zur Raumstation gelangen – jedenfalls wenn diese tatsächlich stattfindet. Ursprünglich sollte "SPHERES" bereits 2003 in der ISS getestet werden, doch damals kam es zum tödlichen Columbia-Unfall, der zum vorläufigen Stopp des Shuttle-Programms führte.

Neben den Satelliten kommen bei "SPHERES" noch diverse kleine Funksender ("Beacons") zum Einsatz – sie sind ungefähr so groß wie eine Fernbedienung und werden an den ISS-Wänden positioniert. Die Sender geben Ultraschall-Signale ab und dienen als Referenzpunkte für die Satelliten, damit diese feststellen können, wo sie sich genau befinden und in welche Richtung sie zeigen. Im All sollen die Mini-Satelliten dann auf GPS-Signale zur Positionsbestimmung setzen.

Beim "SPHERES"-Experiment geht es im ersten Schritt vor allem um die Software: Sie soll ausgiebig getestet und weiterentwickelt werden, um in Zukunft autonome Satelliten und später auch autonome Weltraumfahrzeuge zu steuern. "Es geht um die Algorithmen", erklärt Millers Professorenkollege Jonathan How, der bei "SPHERES" assistiert. Durch das Experiment innerhalb der Raumstation, bei dem die Astronauten die Ergebnisse direkt beobachten können, lassen sich zahlreiche Tests relativ kostengünstig durchführen. Die Mikrogravitation innerhalb der ISS simuliert das Raumumfeld, in den Weltraum selbst müssen die Satelliten noch nicht. "Dadurch reduziert sich auch das Risiko", sagt How.

Die Algorithmen in den Mini-Satelliten überprüfen und vergleichen die Antwortzeiten der Funksendersignale ständig. So ergeben sich die relativen Entfernungen und damit die exakte Position. (Das Prinzip erinnert an die Berechnung der Entfernung eines Gewitters, in dem man die Zeit zwischen Blitz und Donner misst.) Die "SPHERES"-Software errechnet zehnmal pro Sekunde das Timing jedes Funksenderimpulses und kann so seine Richtung feststellen.

Sechs kleine Ausrichtungsdüsen bringen den Satelliten dann in die gewünschte Position. Eines der Ziele des ISS-Experiments: Die Software soll möglichst keine unregelmäßigen Bewegungen produzieren. Bei diesen ersten Tests soll es aber nicht bleiben. Später sollen weitere Experimente mit drei Satelliten folgen, die die Forscher dann in enger Formation durch die ISS fliegen lassen wollen (pdf). Jeder der Mini-Satelliten soll dabei seine Position und Ausrichtung kontrollieren.

Derlei Formationsflug-Experimente sind nicht neu. So testeten Teams von Stanford-Universität und NASA automatische Docking-Verfahren bereits. Dabei kamen allerdings nur flache "Flugtische" auf der Erde zusammen, die zweidimensionale Bewegungen ermöglichten. Unterwassertests, die die Viskosität der Flüssigkeit mit einschlossen, wurden ebenfalls durchgeführt. Schließlich testete man 3D-Bewegungen mit kleinen Luftschiffen, wobei hier das Problem von Luftturbolenzen hinzukam. Al diese Experimente konnten tatsächliche Satellitenbedingungen in Schwerelosigkeit aber kaum nachbilden.

Die Tests des MIT-Teams in der ISS (und vorher bei einem Parabel-Flug) sind die ersten US-Experimente ihrer Art mit mehreren Satelliten in echter Schwerelosigkeit. Vor mehreren Jahren experimentierte Japan mit der Technik bereits erfolgreich; ein Versuch der NASA, 2005 einen einzelnen Satelliten mit einem Militärsatelliten zu verbinden, führte jedoch zu einer Kollision.

"In der ISS können wir es uns leisten, die Technik aggressiver zu testen als unter echten Weltraumbedingungen", meint der MIT-Master-Student Simon Nolet, der zum Team gehört. "Wenn die Satelliten außer Kontrolle geraden, nehmen die Astronauten sie sich einfach und fangen von vorne an. Dadurch können wir Algorithmen testen, die wir uns unter Weltraumbedingungen nicht trauen würden."

Die Forschungsarbeit könnte sowohl zu zivilem als auch militärischem Nutzen führen – kein Wunder, dass sowohl die NASA als auch die Militärforschungsbehörde DARPA Geld gaben. Vollautomatische Satelliten-Docking-Systeme wären vorstellbar, die beispielsweise bei einer Roboter-Mars-Mission zum Einsatz kommen könnten. Ein Fahrzeug, das Proben vom Mars entnahm, könnte so im Orbit mit einem Rückkehrraumschiff verbunden werden. Andere Anwendungsmöglichkeiten wären der Zusammenbau großer Raketen für eine bemannte Mars-Mission, der nur im Erdorbit geschehen kann, weil der Transport in einem Stück nicht möglich ist.

Das wohl spannendste Projekt wäre aber der "Terrestrial Planet Finder" der NASA, bei dem nach erdähnlichen Planeten gesucht werden soll. Dabei werden mehrere Weltraumfahrzeuge mit optischer Technik zu einem einzelnen Riesenteleskop zusammengesetzt. So soll es erstmals möglich werden, direkte Bilder erdähnlicher Planeten von andern Sternensystemen zu erhalten und sogar Spektrogramm-Messwerte zu nehmen, die Spuren von Leben erkennen lassen könnten. Um den "Planet Finder" zusammenzusetzen, braucht es einen hohen Grad an Präzision, um die einzelne Bestandteile auszurichten. Die Technik müsste erst einmal ausführlich getestet werden, bevor sich ein solches Milliarden Dollar teures System lohnt. "Wir wollen nicht nur, dass es funktioniert. Wir wollen, dass es stabil funktioniert", meint How.

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)