Missing Link: Deutschland – der Leuchtturm im Drohnenkrieg?

Ist die Bewaffnung von Drohnen wirklich ein logischer Schritt, oder ist es doch der Einstieg in eine neue Art von Kriegsführung?

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Missing Link: Deutschland – Der Leuchtturm im Drohnenkrieg?

(Bild: sibsky2016 / Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Am Montag hört der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags noch einmal Experten zur Frage Recht und Unrecht beim Einsatz von Kampfdrohnen. Eigentlich sind die Argumente lange ausgetauscht, sagen Experten, eine klare Entscheidung überfällig: Will Deutschland seine Drohnen-Systeme bewaffnen? Kritiker aus Ländern, in denen der Einsatz von Kampfdrohnen in den letzten anderthalb Jahrzehnten normalisiert wurde, hoffen, dass der "Leuchtturm“ Deutschland standhaft bleibt.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Der Ruf von Kampfdrohnen ist denkbar schlecht. Das Bureau of Investigative Journalism notierte bis März diesen Jahres 14.040 Drohnenschläge der USA in Afghanistan, Pakistan, Jemen und Somalia, bei denen insgesamt bis zu 17.000 Opfer zu beklagen sind. Bis zu 2.200 davon sind nach gesicherten Angaben Zivilisten, darunter wohl auch 400 Kinder.

Zivile Opfer von US Einsätzen in Afghanistan, Irak, Jemen und Somalia

Zahlen sind schwer zu bekommen und zu verifizieren, wo schon offizielle Berichte der Vereinten Nationen (UN) und Informationen der internationalen Streitkräfte extrem auseinanderklaffen: In Afghanistan war die US-geführte Allianz für 600 tote Zivilisten verantwortlich, die Streitkräfte selbst räumten allerdings nur 111 ein.

Es sind dabei vor allem detaillierte Recherchen von Aktivisten und Journalisten, die die ganze Brutalität der Auseinandersetzungen – und der Drohnenschläge – dokumentieren: Vor etwa einem Jahr tötete ein US-Drohnenangriff 30 Menschen und verletzte 40 weitere, darunter zahlreiche Jugendliche. Sie waren zur Ernte von Pinienzapfen in einem umkämpften Gebiet in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans unterwegs. Auch ein von den Dorfbewohnern vorab an die Behörden gesandter Brief, in dem sie die Nussernte ankündigten, half nichts. Ganze Familien fallen Präventivschlägen im Kampf gegen den Terror zum Opfer.

Wie weit sich die USA mit Drohnenangriffen außerhalb von Kampfgebieten vorwagen, demonstrierten sie im Januar mit der laut UN-Bericht völkerrechtswidrigen Ermordung des iranischen Generals Kassem Soleiman und acht seiner Begleiter durch eine MQ9 Reaper.

Auch Bundeswehr und Verteidigungsministerium kennen diese Nachrichten. Gerne hätten sie, dass man nicht von Kampfdrohnen spricht, sondern von Unmanned Aerial Vehicle (UAV) oder ähnlichen Akronymen. Denn die Drohnen würden ja von Piloten geführt, ist das beim Kampfpanzer nicht auch der Fall? Vor allem beklagen die Befürworter der Bewaffnung der fünf von Israel geleasten Heron TP, dass man sich regelmäßig für den Drohnenkrieg der "amerikanischen Freunde" rechtfertigen müsse. Zu Unrecht, jammern Militärs und Verteidigungspolitiker. Natürlich gehe es der Bundeswehr nicht um gezielte Tötungen oder Präventivschläge auf der Basis von Informationen zu Verhaltensmustern oder die von den USA eingeräumte Ermordung auf der Basis von Metadaten.

Vertreter von Verteidigungsministerium und Bundeswehr warben daher in einer organisierten kleinen Veranstaltungsreihe zur Vorbereitung eines Bundestagsbeschlusses noch einmal dafür, die eigenen Soldaten und Soldatinnen in Einsätzen zu schützen. Man habe dabei die "drängende Notwendigkeit" für eine mögliche Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr "umfänglich, transparent und breit erläutert", teilte ein Sprecher des Ministeriums diese Woche mit. Die zugleich erfolgte politische, gesellschaftliche und ethische Debatte sei "frei zugänglich, offen und transparent geführt worden".

Im Abschlussbericht zur öffentlichen Debatte sind zwei wesentliche Einsatzszenarien für mögliche Drohnenangriffe durch die Bundeswehr dargestellt: der Objektschutz – fürs Feldlager oder den auf eine Straßensperre treffenden Konvoi – und die Absicherung von Patrouillen.

Objektschutz – Einsatzszenario laut Bundeswehr

Ein Bericht über den Beschuss des Lagers in Kundus von einer Raketenstellung aus, liefert das praktische Beispiel. Dabei wurde die Truppe durch die schon eingesetzte Drohnenaufklärung zwar gewarnt, konnte sich aber lediglich in Schutz bringen. Wäre die Drohne bewaffnet gewesen, hätte man die Angreifer dagegen direkt ausschalten können.

Die deutschen Soldaten hätten Anspruch auf den besten Schutz, vertraten CDU und CSU, FDP und SPD-Vertreter im Rahmen der BVG-Veranstaltung. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums unterstreicht gegenüber heise auch nochmal, dass diese Art von Luftnahunterstützung "durch passive oder ablauforganisatorische Maßnahmen alleine nicht ersetzt werden kann."

Länder, die Drohnenangriffe durchgeführt haben.

Skeptische Nachfragen gab es im Rahmen der Veranstaltungen im Mai schon, aber den hartnäckigen Fragen von Friedensbewegung und kritischen Wissenschaftlerinnen setzten sich die Befürworter aus Militär und Ministerium nicht direkt aus. Der harte Kern der kritischen Drohnenforscher, von denen viele sich auch bei UN-Verhandlungen zu einer möglichen internationalen Ächtung automatisierter Waffensysteme und -plattformen engagieren, schaute von außen zu. Kritikerinnen seien bei den BMV-Veranstaltungen "unterrepräsentiert gewesen", merkte die Informationsstelle Militiarisierung eV in Tübingen an.

Der Linken Abgeordnete Andrej Hunko hakte beim BVM nach, warum eigentlich kein Drohnenpilot und kein Opfer von Drohnenattacken geladen worden seien. Immerhin liegt die Bundesregierung noch mit einigen zivilen Opfern von über Rammstein gerouteten US-Drohnenanschlägen im juristischen Clinch. Am 25. November verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Sache.

Für Verteidigungsministerium und Bundeswehr ist demgegenüber klar: Der Einsatz deutscher Kampfdrohnen stellt völkerrechtlich kein Problem dar. Es gebe hohe rechtliche Hürden und Einsätze unterliegen grundsätzlich dem Mandatsvorbehalt des Bundestags. Die Einhaltung des Mandats und damit der Grenzen für den Einsatz würden auch während des Einsatzes parlamentarischer Aufsicht unterliegen.

Schon am 3. Juli übermittelte Annegret Kramp-Karrenbauers Haus dem Bundestag den Abschlussbericht zur öffentlichen Debatte und hofft jetzt auf eine schnelle Entscheidung durch den Bundestag.

Als "Luftnummer" bezeichnete Hunko die "offene Debatte" in der Folge. Denn schon während die öffentliche Debatte über Ethik und Völkerrecht der Drohnenbewaffnung lief, die der CDU/SPD-Koalitionsvertrag vorgesehen hatte, hatte "die Bundeswehr alle erforderlichen Abteilungen für ihre Kampfdrohnen eingerichtet", so Hunko. Linke und Grüne lehnen die Bewaffnung weiter ab. Die SPD will auf jeden Fall diskutieren.

In einer von Nichtregierungsorganisationen vor zwei Wochen veranstalteten eigenen Diskussion begründeten Hunko und die für die Grünen im Verteidigungsausschuss sitzende Katja Keul die Ablehnung. Die Argumente, dass bewaffnete Drohnen die Hemmschwelle für Einsätze senke, dass der Einstieg in den Club der Drohnennationen den Rüstungslauf befördere und auch, dass das Drohnengeschwader vor Ort, sofern es nicht doch zum Teil in Deutschland sitzt, zu militärischen Zielen wird, sind für Keul keineswegs ausgeräumt.

Bei den Aufklärungsdrohnen in Mali, so habe sie in Erfahrung gebracht, sitzen die Analysten beispielsweise an Standorten in Norddeutschland, "die dann auch zu legitimen militärischen Zielen werden können", befürchtet sie. Die Bundeswehr betonte demgegenüber, dass man aktuell "alle Heron Aufklärungsdrohnen (unbewaffnet) aus den Einsatzgebieten heraus" steuere, "in Afghanistan aus Mazar e Sharif, in Mali aus Gao. Dies wäre auch bei bewaffneten Drohnen der Fall, das sieht unser deutsches Einsatzkonzept vor."

Auch bei der Frage, ob durch den Einsatz bewaffneter Drohnen mehr zivile Opfer zu beklagen sind, stehen sich beide Positionen unversöhnlich gegenüber: im Chat mit der Öffentlichkeit im Mai, zog Staatssekretär Peter Tauber den Abschuss von zwei Tanklastwagen in Kundus 2009 als Beleg heran – die getöteten knapp 100 Zivilisten und vielen Verletzten, für die die Bundesregierung nie offiziell Entschädigung bezahlt hat, hätten geschützt werden können durch eine Drohne.

Doch die Zahlen des Bureau of Investigative Journalism oder Airwars und die Berichte über die Opfer israelischer Drohneneinheiten, bei denen die Bundeswehrsoldaten derzeit ausgebildet werden, im GAZA Streifen sind schwer wegzudiskutieren.

Drohnenangriffsopfer, die von der Organisation Reprieve vertreten werden.

Mehr Drohnen und mehr Drohnenschläge in Gebieten, die vorher nicht so lückenlos zu überwachen waren, führen zwangsläufig zu mehr Opfern, schätzt Frank Sauer, Experte für internationale Sicherheitspolitik an der Universität der Bundeswehr München.

Für Sauer ist das Problem der Bewaffnungsdebatte nicht, dass zu kurz diskutiert wurde. Vielmehr zieht sich die Diskussion seiner Meinung nach schon viel zu lange hin. "Die Argumente sind ausgetauscht. Bei den Veranstaltungen des BMVg habe ich nichts Neues gehört". Problematisch ist seiner Meinung nach viel mehr, dass die deutsche Politik viel zu lange gewartet habe, sich zu positionieren.

Mit einem Ja vor zehn Jahren, hätte man noch Einfluss nehmen können auf die schlimmsten Fehlentwicklungen, meint er, auch mit einem ganz klaren Nein. "Man hätte noch einen Unterschied machen können". Leider sei das Bundesverteidigungsministerium viel zu lange nicht aus der Deckung gekommen und habe eben gerade nicht offensiv die Chancen und Risiken diskutiert. "Man hat gesagt, gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen", berichtet er. Bewaffnete Drohnen unterschieden sich doch nicht grundsätzlich von Flugzeugen. "Da musste man schon fragen, warum setzten wir dann nicht das Flugzeug ein."

Eine Anerkennung der besonderen Möglichkeiten und Risiken und vor allem "klare Leitplanken, aufgeschrieben vom Verteidigungsministerium" sollten dem Bundestag endlich die Grundsatzentscheidung ermöglichen und wenn es nach Sauer geht, solle man genau solche Grundsatzpositionen dann auch für die in Genf diskutierten automatisierten Waffensysteme entwickeln.

Sauer ist aktiv beim International Committee for Robot Arms Control (ICRAC), beim International Panel on the Regulation of Autonomous Weapons (iPRAW) und auch in der Expertenkommission, die sich um das 'Future Combat Air System' (FCAS Forum) kümmert. Ziemlich entschieden widerspricht er der Kritik, bewaffnete Drohnen seien automatisch der Einstieg in den Zug Richtung "Killer-Roboter".

"Die Automatisierung ist der Einstieg in die Automatisierung", sagt er. Den Zug bei Leitplanken dafür zu verschlafen, hält er allerdings für noch deutlich gefährlicher als bei der jetzigen Entscheidung zur Bewaffnung von Drohnen. "Die Autonomie von Waffensystemen kann uns kalt erwischen", so sein Appell, doch gehe es auch dabei längst um exakte Leitplanken, wie menschliche Kontrolle schon vorab in die Systeme fest eingebaut werde. Notwendig werde das schon deshalb, weil Deutschland zusammen mit Frankreich nicht nur an der EuroDrohne, sondern auch am massiv automatisierten FCAS arbeite. Da sitzt zwar noch ein Pilot an Bord, doch das Begleitgeschwader soll aus vielen kleinen Drohnen bestehen.

Der Ruf "Ban Killer Robots" reicht nicht, sagt er, "wir können die Technologie nicht verbieten." Mehr Leitplanken müssen her.

Ein anderer alter Mitstreiter aus den Verhandlungen über eine internationale Ächtung autonomer Waffensysteme im Rahmen der sogenannten Lethal Autonomous Weapon Systems (LAWS) bei der UN, Marcel Dickow, widerspricht. Dickow leitete bis im April die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und forderte vor fast einem Jahrzehnt, dass die Bundesregierung bei Drohnen klare Kante zeige. Drohnen seien durchaus Einstiegsdrogen, denn mit zunehmender Geschwindigkeit müssen mehr Steuerungsfunktionen in die Maschinen selbst verlegt werden.

Die technische Entwicklung gibt Dickow sehr wohl Recht, bestätigt der Sprecher der deutschen Sektion von StopKillerRobots, Thomas Küchenmeister. Küchenmeister bereist für Facing Finance eV Militärmessen, auf denen die neuesten Entwicklungen für automatisierte Waffensysteme und -Plattformen angepriesen werden. Dort trifft er auf türkische Hersteller, die vollautomatische Zielerfassung, Zielerkennung, Zielbekämfpung verspricht.

Ohne dem Hype der Hersteller aufzusitzen, warnt Küchenmeister, dass schon jetzt die jeweiligen Kunden der Drohnenhersteller, zu denen neben den USA und Israel auch die Türkei, China und Russland gehören, eine Auswahl haben: Wie viel Automatisierung darf‘s denn sein? Die Kampagne StopKillerRobots hat sich offiziell aus der Debatte um den Drohnenkrieg stets herausgehalten. Doch dass selbst ein Land wie Deutschland, auf dessen Stimme man in der LAWS-Debatte der StopKillerRobots-Streiter noch hoffte, den Schritt in Richtung Bewaffnung von Drohnensystemen gehe, sehen Mitglieder wie Küchenmeister mit Sorge.

Wer mal einen Joint raucht, hängt noch nicht an der Nadel, versucht Sauer zu beruhigen. Dickow dagegen ist angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre sehr pessimistisch geworden. Die Politik habe der Bundeswehr über Jahre eine Carte Blanche gegeben, fürchtet er und die Truppe wolle nun mit vorne dabei sein bei der Aufrüstung mit neuer Technologie, angefangen von neuen, bewaffneten Drohnen bis hin zu mehr und mehr KI-gestützten Systemen. Selbst der eine oder andere Ingenieur bei den Herstellern sei, so hat Dickow erfahren, erstaunt über die Wunschliste der Bundeswehr.

Man glaube der Bundeswehr und der Regierung, dass sie Drohnen nicht für extraterritoriale Hinrichtungen einsetzen wolle, dass der Schutz der Soldaten im Vordergrund stehe, anerkannten die Mitglieder des Verteidigungsausschusses im Bundestag durch die Bank. Mandatierung, strenge Rules of Engagement und das Mehraugenprinzip, wenn Raketen von Drohnen abgeschossen werden sollen, unterstreicht Sauer, das sei alles "sehr eng geführt."

Doch ähnliche Beteuerungen erhielten auch die Skeptiker des britischen bewaffneten Drohnenprogramms vor über einem Jahrzehnt, sagt Chris Cole, Leiter des Nichtregierungsorganisation Dronewars. Nur zum Schutz der eigenen Truppe sollte bewaffnet werden, erinnert er sich. Es gab eine klare Distanzierung vom US-Programm – wie sich übrigens auch die USA 2003 von den Drohnenangriffen Israels distanziert hatte.

"Wir hätten uns niemals vorstellen können, dass die Drohnen gezielt gegen britische Bürger eingesetzt werden können." Doch 2015 richteten die britischen Streitkräfte zwei britische Staatsbürger in Raqqa (Syrien) hin. Sie vermuteten, dass der 21jährige Reyaad Khan und der 26jährige Ruhul Amin als IS-Kämpfer Anschläge im Vereinigten Königreich planen könnten. Mit ermordet wurde auch ein belgischer IS-Anhänger. Zwar gab es 2015 einen Aufschrei und Premierminister David Cameron musste sich einer Parlamentsuntersuchung stellen, doch die folgenden Jahre wurden statt durch eine Kehrtwende eher durch mehr Geheimniskrämerei um die Drohneneinsätze und die Opfer geprägt, sagt Cole.

Die Zahlen ziviler Opfer werden als minimal angegeben, was nach Ansicht von Coles Organisation ein Hohn ist, angesichts der enorm gestiegenen Einsätze. "Der Drohnenkrieg gehört heute zur normalen Kriegsführung", sagt er, einschließlich der negativen Folgen. "Wer hätte geglaubt, dass wir irgendwann australische Piloten privater Firmen anheuern, weil wir nicht genug britische Drohnenpiloten finden", beschreibt er die jüngste Entwicklung.

Er warnt vor Illusionen darüber, dass die Ausrüstung mit bewaffneten Drohnensystemen nicht zu einer Ausweitung militärischer Operationen auch außerhalb von Kriegsgebieten führen. Alle Waffengattungen der britischen Streitkräfte sollen künftig mit den ferngesteuerten Systemen ausgestattet werden, der britische Luftraum soll für sie geöffnet werden. Abgesehen von Einsatzszenarien im Grenzschutz – erst einmal ohne Bewaffnung – fürchten die britischen Anti-Drohnenaktivisten durchaus Trainingsunfälle mit bewaffneten Drohnen auf der Insel.

Natürlich tickt die britische Politik und die Militärmacht Vereinigtes Königreich anders. Aber im Königreich wird man sich nicht weniger als "die Guten" sehen. "Zwangsläufig" nennt Cole die Entwicklung, auch wenn man in andere Länder blicke. Der Einsatz türkischer Drohnen gegen kurdische Aufständische. Die Ausweitung von US-Drohneneinsätzen nach Kenia. Die USA seien sicher mit Abstand an der Spitze der Entwicklung, übrigens auch in der Automatisierung. Aber auch die US-Streitkräfte (sicher nicht der Geheimdienst) haben sehr strenge Rules of Engagement, sagt Dickow. Doch das habe nicht verhindert, dass sie haarsträubende Dinge getan haben. Eine gesunde Skepsis sei daher gerechtfertigt, auch gegenüber der deutschen Truppe. "Das ist eine Armee, das sind Menschen", sagt Dickow.

Anlass zum Misstrauen haben Bundeswehr und Bundesregierung auch dadurch gegeben, dass sie bis heute die Völkerrechts-widrigen Drohnenschläge der USA nicht klar verurteilen, sondern ihnen in Ramstein zusehen. Im November muss das Bundesverwaltungsgericht die Klage jemenitischer Opfer gegen die Bundesregierung verhandeln, weil man die vom Oberverwaltungsgericht Münster auferlegte Prüfpflicht nicht hinnehmen will. Dass die Regierung niemals teils klar völkerrechtswidrigen Einsätzen über Ramstein widersprochen hat gegenüber dem Partner, nährt das Misstrauen von Andreas Schüller, Leiter Programmbereich Völkerstrafrecht und rechtliche Verantwortung beim European Centre of Constitutional and Human Rights. Schüller betreut die Ramstein Klage, nennt bewaffnete Drohnen "Werkzeuge für den Völkerrechtsbruch" und wird am Montag auch im Ausschuss völkerrechtliche Bedenken vortragen.

Leitplanken für den Einsatz von bewaffneten Drohnen sind zu schwach und stehen kaum einer gerichtlichen Überprüfung offen. Auch mit Bundestagsmandaten gibt es ein Problem: Es fehlt nach wie vor ein Klagerecht für die Opposition. Das wäre ein Werkzeug für wenigstens etwas mehr parlamentarische Kontrolle.

Spielt es angesichts der rasanten Proliferation am Ende noch eine Rolle, ob Deutschland seine 5 Drohnen bewaffnet oder nicht? Der Entscheid des Bundestags könnten als Präzedenzfall der späteren Bewaffnung der EuroDrohnen herhalten müssen, die freilich erst 2027 kommen soll.

Cole appelliert ans deutsche Parlament, standhaft zu bleiben. Deutschlands bisheriger Verzicht sei für die Aktivisten im Königreich und anderswo ein Vorzeigeprojekt, ein Leuchtturm. "Es mag Ihnen als ein kleiner Schritt erscheinen, aber das ist es nicht", sagt er aus seiner Erfahrung mit der britischen Entwicklung. Außerdem bedeute ein Ja von Deutschland auf jeden Fall eine weitere internationale Erosion, für seine Mitstreiter und all diejenigen, die die neue Art der Kriegsführung nicht kampflos hinnehmen wollen.

(bme)