Missing Link: Wo steht Ihr Bundesland beim Telenotarzt?

Seite 4: Mecklenburg-Vorpommern

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Mecklenburg-Vorpommern hat 2018 die gesetzliche Grundlage für die Möglichkeit einer "telemedizinischen Begleitung" von Einsätzen in seinem Rettungsdienstgesetz und in der Rettungsdienstplanverordnung geschaffen.

Ebenso wie Bayern startete auch Mecklenburg-Vorpommern die Einführung eines TNA-Systems zunächst über ein Pilotprojekt, das vom Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gefördert wurde. Das Projekt "LandRettung" fing im Dezember 2016 an; Projektstandort war der Landkreis Vorpommern-Greifswald. Ziel war es, die Notfall-Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern zu sichern. Zentrales Element war und ist dabei der TNA, der in der Integrierten Leitstelle Vorpommern-Greifswald ab Oktober 2017 eingerichtet wurde.

Zunächst wurden neben der TNA-Zentrale sechs RTW telemedizinisch ausgestattet, was auch Kameratechnik für die Übertragung von Live-Bildern des Patienten im RTW einschloss. Neben der Etablierung des TNA setzte das Projekt für die Überbrückung der Zeit, bis der RTW eintrifft, auf die Hilfe der Bevölkerung. Dazu wurden Laien in Erster Hilfe geschult und eine Lebensretter-App eingeführt. Mithilfe der App können Ersthelfer bei einem Notfall in ihrer Nähe alarmiert werden. Im März 2020 ist das Projekt LandRettung auf dem Papier beendet worden. Der TNA-Standort Greifswald ist weiter in Betrieb, und der TNA wurde in die Regelversorgung im Rettungsdienst aufgenommen.

Im Juli 2021 stellte der G-BA in einem Beschluss fest, dass der TNA, die Laienschulung und die Ersthelfer-App "das Potenzial haben, die Notfallversorgung sinnvoll zu ergänzen". Die anderen Bundesländer wurden vom G-BA gebeten zu prüfen, ob "die Etablierung von Ansätzen der neuen Versorgungsform zur Optimierung der Notfallrettung in einem ländlich strukturierten Versorgungsgebiet" auch bei ihnen "sinnvoll ist".

Seit 2021 wird auch der Landkreis Vorpommern-Rügen von der TNA-Zentrale in Greifswald betreut, weitere RTW wurden seitdem telemedizinisch ausgestattet. Die Landkreise und kreisfreien Städte haben im Frühjahr 2024 eine "Interkommunale Vereinbarung" geschlossen und das "Telenotarztnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern" gegründet, dessen Ziel die landesweite Ausweitung des TNA-Systems ist. Die TNA-Zentrale in Greifswald wird somit zukünftig für die telenotärztliche Versorgung im ganzen Land zuständig sein.

Noch im laufenden Jahr 2024 soll die TNA-Zentrale Greifswald neben den Landkreisen Vorpommern-Greifswald und Vorpommern-Rügen auch den Landkreis Mecklenburgischen Seenplatte sowie die Landeshauptstadt Schwerin betreuen. Sowohl die TNA-Zentrale in Greifswald als auch die Rettungsfahrzeuge werden aufbauend auf dem Projekt nach einem gemeinsamen Vergabeverfahren der Beteiligten weiterhin einheitlich mit Technik der Firma umlaut telehealthcare ausgestattet.

Im Juli 2024 wurde dazu die "Fachplanerische Betreuung bei der Implementierung des Telenotarztsystems in M-V" ausgeschrieben. Ab Anfang 2026 bis zum 31. Oktober 2027 sollen weitere Gebietskörperschaften an das Telenotarztnetzwerk des Landkreises Vorpommern-Greifswald angeschlossen werden.

Das Telenotarztsystem der Berliner Feuerwehr startete 2021. Rund um die Uhr muss gemäß § 8 Berliner Rettungsdienstgesetz mindestens ein Notarzt zur "fachlichen Begleitung der Einsatzlenkung und Unterstützung der Einsätze" in der Leitstelle der Berliner Feuerwehr zur Verfügung stehen. In der Zeit von erhöhtem Einsatzaufkommen (Montag bis Freitag 10-18 Uhr) setzt die Feuerwehr zwei Telenotärzte ein. Das TNA-System ist inzwischen "ein etablierter Bestandteil der Berliner Notfallrettung" und stellt "eine Schlüsselfunktion" dar, sagt Pressesprecher Kevin Bartke von der Berliner Feuerwehr gegenüber heise online. Die Feuerwehr sieht hier "weiteres Entwicklungspotenzial im Kontext einer bedarfsgerechten rettungsdienstlichen Versorgung".

Der Telenotarzt von Berlin tauscht sich mit den Rettungskräften per Digitalfunkgerät aus und hat Zugriff auf die schriftliche Einsatzdokumentation. Bereits vor Einführung des TNA wurde zur Einsatzbearbeitung, Dokumentation und zum Austausch von einsatzspezifischen Informationen das digitale Rettungsdienst Kommunikations- und Informationssystem (RIKS) der Firma Pulsation eingeführt, welches allen Einsatzkräften auf einem mobilen Endgerät zur Verfügung steht.

Die Firma corpuls teilte auf Nachfrage von heise online mit, dass in Berlin eine Erprobung ihres Systems in Vorbereitung sei, inklusive der Übertragung von Livedaten und Chatkommunikation und Videoübertragung.

Die Einführung eines Telenotarztsystems sei "zur Sicherstellung der rettungsdienstlichen Notfallversorgung im Land Brandenburg erforderlich" sagt Michaela Pickut als Vertreterin der "Projektgruppe Umsetzung Gesundheitsreformen" des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz gegenüber heise online. Das Land Brandenburg ist als Flächenland unter anderem durch dünn besiedelte Gebiete gekennzeichnet, dazu kommen der demografische Wandel mit einer zunehmenden Überalterung der Bevölkerung und ein steigender Fachkräftemangel als Herausforderungen.

Der Start des TNA sei daher "von großer Bedeutung" stellte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher am 22.06.24 anlässlich der Änderungen am Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz fest. Bei der notärztlichen Versorgung kann nun "zur Unterstützung des Fachpersonals" ein telenotärztliches System verwendet werden. Die Verordnung über den Landesrettungsdienstplan schreibt dazu ein landesweit einheitliches TNA-System vor.

Schon im Vorfeld der Gesetzesänderungen war eine "Arbeitsgemeinschaft Telenotarzt" mit Mitgliedern des Landesbeirates für das Rettungswesen gebildet worden. Die AG TNA berät die Landesregierung und erarbeitet die Anforderungen und Bedarfe für die telenotärztlichen Anwendungen, die Ausstattung in den Rettungsmitteln und auf den Integrierten Regionalleitstellen (IRLS). Obgleich laut Verordnung eine Einheitlichkeit beim "Standard der Ausstattung", den "Verfahren zur Beschaffung notwendiger technischer Ausstattung einschließlich computergestützter Programme" und den "anzuwendende Organisations- und Prozessdefinitionen" angestrebt wird, sind "regionale Besonderheit zu berücksichtigen". Digitale Insellösungen sollen aber vermieden werden.

Ende 2022 startete zunächst ein "Pilotprojekt Telemedizin im bodengebundenen Rettungsdienst" im Landkreis Spree-Neiße, bei dem Rettungswagen mit Mixed-Reality-Datenbrillen (RealWear Navigator 520) und Tablets ausgestattet wurden. Diese Brille kann interaktive 3D-Projektionen in der direkten Umgebung darzustellen. Die Notfallsanitäter / Rettungsassistenten sollen die Datenbrille tragen, bis der Notarzt vor Ort erscheint. Was sie durch die Brille sehen, kann ebenso wie akustische Signale digital an den Notarzt übertragen werden, so dass dieser bereits bei der Anfahrt die Situation vor Ort einschätzen kann.

Der Einsatz digitaler Technik im Rettungsdienst wird nun auf die gesamte Leitstelle Lausitz ausgeweitet, teilte Ministerin Kathrin Schneider von der Staatskanzlei Mitte Juli 2024 mit. In der zukünftigen "Gesundheitsmodellregion" in der Lausitz sollen alle Einsatzfahrzeuge (Notarzteinsatzfahrzeuge und RTW) mit Tablets inklusive Zubehör und Software ausgestattet werden. Das Telenotärztliche System ist dann in den Kreisen Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster und Dahme-Spreewald sowie in der kreisfreien Stadt Cottbus aktiv. Als TNA-Standorte wird es "einen Arbeitsplatz in der Leitstelle Lausitz und einen unterstützenden Arbeitsplatz im Medizinische Universität Lausitz-Carl Thiem geben".

Wenn sich der TNA-System erfolgreich bewährt, soll es auf sämtliche Leitstellen und Rettungsdienste im Land Brandenburg ausgeweitet werden. Nun müssen sich die Kreise und Kostenträger unter Beteiligung der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) zusammenfinden und Rahmenvereinbarungen für die telenotärztliche Versorgung treffen.