Missing Link: Liebling der Strafverfolger – 20 Jahre Cybercrime-Konvention

Am Ende der ungarischen Präsidentschaft des Europarates wird die Cybercrime-Konvention 20. Bei der Geburtstagsfeier dürften die Erfolge im Vordergrund stehen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen

(Bild: ronstik/Shutterstock.com)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Am 23. November wird die Cybercrime-Konvention des Europarates, auch Budapest-Konvention genannt, 20 Jahre alt. Wirkt sie inzwischen aber nicht fast harmlos, wenn man sie mit den kontinuierlich ausgeweiteten Befugnissen für Strafverfolger und Sicherheitsbehörden vergleicht? Als Geburtstagsgeschenk gibt es auf jeden Fall ein neues Zusatzprotokoll über den grenzüberschreitenden Zugriff auf Clouddaten in den Mitgliedsstaaten.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Die Konvention erntete vor ihrer Verabschiedung 2001 viel Kritik von Datenschützern und Bürgerrechtsaktivisten. 66 Staaten auf fünf Kontinenten haben die Cybercrime-Konvention des Europarates bereits ratifiziert. Das sind 19 Länder mehr als die in Straßburg angesiedelte internationale Organisation Mitglieder hat. Auch die USA, Kanada, Australien, Japan, Costa Rica, Ghana oder die Philippinen gehören zum Club. 12 weitere Länder haben schon unterzeichnet und sind mehr oder weniger weit mit der Umsetzung in das jeweils nationale Recht, dem die Ratifizierung folgen kann. Zuletzt stieß Trinidad und Tobago zu dieser Gruppe.

Weitere Länder werden bald folgen, unterstrich Alexander Seger, Chef des Vertragsbüros der Konvention beim Pressegespräch kurz vor dem Geburtstag.

Cybercrime Konvention Mitgliedsstaaten

Seger ist seit 1999 für die Arbeiten an der Konvention – zu Deutsch übrigens "Übereinkommen über Computerkriminalität" – zuständig. Er kann sich noch erinnern, dass er mit einem verseuchten Rechner einen Computervirus nach Laos mitgenommen hat. "Das hat praktisch das gesamte Netz von Laos lahmgelegt, das damals aus vielleicht einem halben Dutzend Rechnern bestand."

Die ersten Computerangriffe gehen, so sagt er, aber sogar bis 1971 zurück. 20 Jahre Cybercrime-Konvention heißen auch 50 Jahre Computerkriminalität – eigentlich kein Grund zum Feiern, sagt er. Dass von Anfang an Nichtmitglieder das erste Abkommen über das Eindringen in Computersysteme, den Klau von Daten – übrigens auch Urheberrechtsverstöße – mit verhandelt haben, verdeutliche die Dringlichkeit. "Die Cybercrime-Konvention ist ein globales Instrument", lobt er stolz. Auch über die Vertragsparteien hinaus wirke das Instrument. 78 Länder weltweit hätten nämlich bei ihren Cybercrime Gesetzen mehr oder weniger große Anleihen bei dem Text gemacht. Das erleichtere die Zusammenarbeit gegen Internetkriminalität von Kinderpornografie bis Ransomware-Attacken weltweit.

In mittlerweile neun Erklärungen zur Umsetzung werden wichtige Begriffe, vor allem aber die Anwendbarkeit des schon etwas angestaubt klingenden Texts auf neue "Internet-Verbrechen" erläutert. Der letzte Eintrag in der Liste: die Manipulation von Wahlen. Von Anfang an war die Konvention auch als generelles Werkzeug für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Sicherung digitaler Spuren ausgerichtet, die schneller erfolgen sollte als über klassische Rechtshilfeersuchen. Eines der Werkzeuge dafür ist ein Netz von 24/7-Kontaktstellen.

Wie die Konvention praktisch wirkt, berichteten Mitgliedsstaaten in einer kleinen Sammlung von Einzelfalldarstellungen im vergangenen Jahr. Im Zentrum stehen für viele der Mitglieder genau die Auskunftsanfragen zu Bestands- und Verbindungsdaten und das 24/7 Kontaktnetz. Die Fallschilderungen reichen vom per IP-Adressabfrage in den USA identifizierten türkischen Matrosen, der im Vollrausch einen Bombenanschlag ankündigte bis zur Sicherung digitaler Spuren des Umfelds der Charlie-Hebdo-Attentäter durch Frankreichs Polizei.