Missing Link: Wie man interstellare Quantenkommunikation finden könnte

Die Suche nach extraterrestrischen Signalen war bislang fokussiert auf Radiowellen. Möglich wäre aber auch die Suche nach interstellarer Quantenkommunikation.

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(Bild: G.Hüdepohl (atacamaphoto.com)/ESO)

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Von
  • Michael Hippke
Inhaltsverzeichnis

Dank immer besserer Technik, innovativen Ansätzen und internationaler Kooperation erlebt die Astronomie eine Blüte. Doch während viele Beobachtungen dabei helfen, Theorien zu verfeinern oder auszusortieren, gibt es auch immer wieder Entdeckungen, die einfach nicht zu passen scheinen. Mysteriöse Signale, mutmaßliche Verstöße gegen Naturgesetze und – noch – nicht zu erklärende Phänomene. In der Öffentlichkeit wird dann gerne darüber diskutiert, ob es sich um Spuren außerirdischer Intelligenz handelt. Wissenschaftler wissen, dass es am Ende fast immer eine natürliche Erklärung gibt. Aber die Fantasie wird angeregt und wirft dann die Frage auf: Was, wenn wir noch keine Signale Außerirdischer gefunden haben, weil wir nach den falschen suchen?

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Vermutlich saßen schon die Neandertaler an den Lagerfeuern der Steinzeit, haben mit Bewunderung in den Himmel geschaut, und sich am Kopf gekratzt. Was wohl diese Sterne sind? Ob es da draußen noch mehr Welten mit so vielen leckeren Wollhaarmammuts gibt? Viel später, vor etwa 200 Jahren, hat dann der große Mathematiker Carl Friedrich Gauß konkret vorgeschlagen, große Flächen sibirischen Urwalds in Form eines Dreiecks zu fällen, um den Mondbewohnern ein Zeichen zu geben. Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts dann Schifffahrtskanäle wie der Suezkanal und der Panamakanal gebaut wurden, begannen die Astronomen, nach ähnlichen auf anderen Planeten zu suchen. Die Logik war einfach: Was die großartige Zivilisation der Menschen hervorbringt, das werden die Marsianer doch bestimmt genau so machen.

Erzeugung von "gequetschtem" Quantenlicht am Laser Interferometer Gravitational-wave Observatory (LIGO)

(Bild: Nutsinee Kijbunchoo/OzGrav-ANU)

Und tatsächlich: Giovanni Schiaparelli verkündete im Jahr 1877 die Entdeckung der Marskanäle. Etwas Ähnliches wiederholte sich kurze Zeit später, als Guglielmo Marconi im Dezember 1894 das erste Radio in Betrieb nahm. Nur wenige Jahre später suchte Nikola Tesla nach Radiowellen vom Mars, und glaubte tatsächlich welche zu empfangen. Das hat sich zwar als Irrtum herausgestellt, aber die Suche nach Radiosignalen aus dem All ging weiter. Die "Suche nach extraterrestrischer Intelligenz", kurz SETI, hat 1960 einen Schub erhalten durch zwei Publikationen in der angesehenen Fachzeitschrift Nature. Dort wurde erstmals konkret wissenschaftlich beschrieben, welche Frequenzen und Limits es für interstellare Kommunikation mit Radiowellen und optischem Licht gibt. Zwischen 1960 und 2018 verzeichnet das SETI Institute mindestens 104 Experimente mit Radioteleskopen. Bislang alle erfolglos, ebenso wie Suchen im optischen Bereich, nach Röntgenstrahlen oder Infrarotsignaturen.

Die Teilchenphysik hat im 20. Jahrhundert unser Weltbild radikal verändert: Erst durch das Verständnis der Elementarteilchen wurden Entdeckungen wie die Kernspaltung (Atomwaffen, Kernkraftwerke) möglich. Von den heute bekannten 37 Elementarteilchen im Standardmodell eignen sich gleich mehrere für eine interstellare Kommunikationsstrecke. Ich habe in einer Forschungsarbeit im Jahr 2018 die Vor- und Nachteile aller relevanten Teilchen untersucht. Dabei waren die bekannten Photonen (Lichtteilchen) die „Gewinner“, denn sie sind masselos und daher energetisch günstig, dazu lichtschnell, lassen sich sehr gut fokussieren, und können mehrere Bits an Information pro Teilchen tragen.

Photonen kennen wir nicht nur als Lichtteilchen – sie sind im elektromagnetischen Spektrum ebenso präsent als Radiowellen, und mit höheren Teilchen-Energien als Röntgen- oder Gammastrahlen. Daneben gibt es noch andere Teilchen, die man mehr oder weniger vernünftig für eine Kommunikation einsetzen kann. Beispielsweise wurde demonstriert, dass mittels Neutrinos Daten übertragen werden können. Diese haben den Vorteil, dass sie mühelos kilometerdickes Gestein durchdringen. Das ist jedoch auch einer ihrer Nachteile: Sie sind extrem schwer zu detektieren, denn sie durchdringen ebenso (fast) jeden Detektor.

Das Teilchen, das sich von allen am schlechtesten für die Kommunikation über große Distanzen eignet, ist übrigens das Higgs-Boson. Es wurde 1964 von Peter Higgs vorhergesagt, aber erst im Jahr 2012 am Large Hadron Collider (LHC) am CERN zum ersten Mal beobachtet – einen Nobelpreis gab es auch noch. Das Higgs-Boson zerfällt nach nur 10-22 Sekunden. Um es für eine Reise zum nächsten Stern ausreichend lange am Leben zu halten, müsste man es sehr stark beschleunigen. Durch den Lorentzfaktor würde dann seine subjektive Zeit langsamer verstreichen. In der Praxis ist das aber unmöglich zu schaffen, denn man müsste so viel Energie in das Higgs-Teilchen pumpen, dass es zum Schwarzen Loch würde. Es disqualifiziert sich somit als Datenlieferant.

Die Elementarteilchen des Standardmodells

(Bild: MissMJ/Polluks)

Als Quanten versteht man, vereinfacht gesagt, diskrete Partikel in einem System, die alle die gleiche Energie haben. Beispielsweise hat Albert Einstein 1905 postuliert, dass Lichtteilchen (Photonen) immer ein Vielfaches einer kleinsten Energiemenge besitzen. Daraus ergibt sich das Feld der Quantenmechanik, die Effekte auf kleinster Ebene beschreibt. Der Übergang zur makroskopischen, klassischen Welt ist dabei fließend – man hat Quanteneffekte auch an Fullerenen nachgewiesen, das sind Kugeln aus 60 Kohlenstoffatomen. Obwohl also Quanteneffekte bei allen Teilchen auftreten, ist es sinnvoll, sich für die interstellare Kommunikation auf Photonen konzentrieren, denn sie sind anderen Teilchen für diesen Zweck überlegen.

Eine klassische Kommunikation mit Photonen, über interstellare Entfernungen, lässt sich gut im Teilchenmodell veranschaulichen. Der Sender erzeugt einen Puls an Teilchen, und fokussiert diese durch einen Parabolspiegel in einen Strahl, dessen minimaler Durchmesser durch die Lichtbeugung begrenzt ist. Das bedeutet, dass sich der Lichtstrahl über große Entfernungen aufweitet. Wenn man beispielsweise einen optischen Laserstrahl durch ein ein Meter messendes Teleskop fokussiert und über die 4 Lichtjahre nach Alpha Centauri sendet, ist der Lichtkegel dort bereits so breit wie der Abstand von der Erde zur Sonne. Ein Empfänger auf einem Planeten um Alpha Centauri empfängt also nur einen kleinen Bruchteil der ausgesendeten Photonen. Der Rest fliegt am Empfänger vorbei in die Tiefen des Alls. Dafür sind Photonen recht günstig im Einkauf: Man erhält bereits etwa 1019 Stück von einem Laser, der mit einem Watt für eine Sekunde leuchtet.

In Summe dieser Effekte ist in der interstellaren Kommunikation jedes Photon kostbar. Man möchte deshalb möglichst viele Bits an Information in jedes übertragene Photon kodieren. Wie macht man das? Photonen ohne Richtungsinformation haben drei Freiheitsgrade: Ihre Ankunftszeit, ihre Energie (= Wellenlänge oder Frequenz), und die Polarität. Darauf basierend wird ein Alphabet vereinbart, sodass zum Beispiel ein Photon, das zum Zeitpunkt 11 Uhr 37 mit Wellenlänge 650 nm („rot“) und Polarität „links“ ankommt, dem Buchstaben „A“ entspricht. Die Anzahl der Bits, die sich pro Freiheitsgrad kodieren lassen, skaliert leider nur logarithmisch: 1024 Moden ergeben 10 bits pro Photon. In der Praxis hat man noch Verluste und Rauschen zu berücksichtigen, sodass sich mit dieser klassischen Kommunikation selten mehr als vielleicht 10 bits pro Photon übertragen lassen.

Die Quantenkommunikation bietet nun die Möglichkeit, die Informationsdichte zu erhöhen. Es gibt mehrere Arten, um dies zu realisieren, aber eine gute Veranschaulichung basiert darauf, dass man Licht „quetschen“ kann (dazu später mehr). Dann lässt sich zum Beispiel die Ankunftszeit (auf Kosten anderer Parameter) genauer messen. Es gibt analytische Modelle, und auch bereits praktische Demonstrationen, die zeigen, dass der Informationsgehalt sich um bis zu 50 Prozent erhöhen lässt. Es lassen sich dann beispielsweise 15 bits pro Photon kodieren, anstatt nur 10.

Die Verschlüsselung sensibler Daten während der Datenübertragung ist für uns Menschen ein wichtiges Thema. Wir wissen natürlich nicht, ob das bei anderen Zivilisationen auch der Fall ist. Es ist aber plausibel, dass künftige Kolonien auf dem Mars (oder Alpha Centauri, etc.) ihre Kommunikation untereinander und mit der Erde ebenfalls verschlüsseln wollen. Insofern hat Verschlüsselung für Sendungen durch das Weltall durchaus Relevanz.

Heutige Verschlüsselungsmethoden basieren meist auf mathematischen Einwegfunktionen. Dabei ist es zum Beispiel einfach, zwei große Zahlen zu multiplizieren. Wenn allerdings der geheime Schlüssel fehlt, muss man den umgekehrten Weg gehen, und aus der großen Zahl die beiden Primfaktoren zu berechnen. Das ist sehr viel schwieriger. Die Sicherheit dieses und ähnlicher Verfahrens beruht aber „nur“ darauf, dass noch niemand eine effektive Methode zur Berechnung gefunden hat. Wir haben in keinem Fall den mathematischen Beweis vorliegen, dass eine solche Berechnung nicht möglich ist. Es besteht immer die Gefahr, dass ein genialer Algorithmus gefunden wird, der die Verschlüsselung knackt. Auch Quantencomputer könnten in der Zukunft verwendet werden, um manche Verschlüsselungsmethoden anzugreifen.

Im Gegensatz dazu gibt es die Quantenkryptografie. Das bekannteste Verfahren verwendet einen Quantenschlüsseltausch, der auch bereits in der Praxis über große Entfernungen, zum Beispiel via Satellit, durchgeführt wurde. Die basiert auf der Quantenmechanik und ist unknackbar, solange kein Fehler bei der Übermittlung gemacht wird – und solange niemand die Quantenmechanik widerlegt.

Falls es wirklich ein galaktisches Internet gibt, wie schützt man es dann davor, von ungebildeten Zivilisationen vollgespamt zu werden? Dieses Problem hat bereits Mieczysław Subotowicz beschäftigt, einen polnischen Professor der Astrophysik, der 1979 in einem Fachbeitrag zur Neutrino-Kommunikation geschrieben hat, diese sei: „so schwierig, dass eine fortschrittliche Zivilisation absichtlich nur darüber mit Außerirdischen ihres eigenen Entwicklungsstands kommunizieren könnte“. Nun sind, wie weiter oben erwähnt, Neutrino-Kommunikationen sehr ineffizient. Es wäre viel eleganter und energiesparender, stattdessen Photonen zu verwenden. Als Eintrittsbarriere scheint plausibel, klassische Photonen nicht zuzulassen, sondern Quantenkommunikation vorauszusetzen. Damit wären junge technologische Zivilisationen wie die unsere außen vor, wobei wir in den nächsten Jahrzehnten gute Chancen hätten, beizutreten.

Konrad Zuse baute 1941 in seiner Berliner Wohnung die Zuse Z3, den ersten Turing-vollständigen Computer. Dabei handelte es sich um eine einzelne Rechenmaschine. Es dauerte mehrere Jahrzehnte, bis 1969 mit dem ARPANET die ersten Computer vernetzt wurden. Daraus hervor ging das Internet, in dem heute Milliarden von Computern aller Art vernetzt sind: PCs, Handys, Waschmaschinen, usw. Alle diese Geräte sind klassische Rechner, die klassische Informationen (bits) auf klassischen Pfaden (zum Beispiel via Photonen in Glasfasern) tauschen.

In der Zukunft könnten Quantencomputer an Bedeutung gewinnen, denn sie können eine bestimmte Klasse an Problemen sehr viel effizienter lösen. Daraus könnte ein „Quanten-Internet“ entstehen, in dem Quantencomputer „qubits“, also verschränkte Quantenbits, tauschen. Dabei könnte es sich um Zwischenergebnisse von Simulationen handeln, oder auch um Beobachtungsdaten, die später miteinander überlagert werden. Ebenso ist es denkbar, dass quantenbasierte Beobachtungsdaten und Zwischenergebnisse über größere Entfernungen getauscht werden sollen. Dann kommt interstellare Quantenkommunikation ins Spiel. Wenn ferne Zivilisationen ebenfalls Quantencomputer verwenden, wird ihre Kommunikation aus verschränkten Teilchen bestehen.

Google-CEO Sundar Pichai neben einem Quantencomputer.

(Bild: Google)

Die Idee, mittels Quantenverschränkung augenblicklich (ohne Zeitverlust) über große Entfernungen Informationen zu übermitteln, ist ein häufiges Motiv in der Science-Fiction-Literatur. Beispielsweise verwenden die "Trisolarier" in dem bekannten Roman "Die drei Sonnen" des chinesischen Autors Liu Cixin quantenverschränkte Protonen zur sofortigen Kommunikation.

Diese Methode klingt zu schön, um wahr zu sein – und leider enthält sie tatsächlich gleich drei fundamentale Fehler. Der Erste ist die Unmöglichkeit, schneller als mit Lichtgeschwindigkeit Informationen auszutauschen. Wäre das möglich, so käme es zu einer Kausalitätsverletzung: Man könnte die Information übermitteln, bevor ein Ereignis geschieht, und somit Paradoxien verursachen ("Großvaterparadox"). Zweitens funktioniert Quantenverschränkung so nicht: Man kann nicht bei zwei verschränkten Teilchen eines verändern, und damit den Zustand des Partners beeinflussen. Sobald eines der Teilchen verändert wird, zerstört dieser Prozess die Verschränkung ("no communication theorem").

Drittens ist eine Informationsübermittlung ohne Teilchen (es fliegt ja kein Partikel von A nach B) unmöglich. Informationen sind in unserem Universum immer an Masse (oder Energie) gebunden, und existieren nicht losgelöst davon. Es gibt hier zwar noch offene Fragen, beispielsweise wann und wie Informationen wieder aus einem Schwarzen Loch herauskommen, die mit der Materie hineingeflogen sind. Das ändert aber nichts daran, dass die Kommunikation per Quantenverschränkung und ohne Teilchentausch, unmöglich ist.

Doch halt – bevor wir die "magische Box der verschränkten Photonen" wegwerfen, sollten wir doch einmal genauer hineinschauen. Es gibt nämlich bei allem Unsinn, der darüber geschrieben wird, eine tatsächlich sinnvolle und physikalisch unumstrittene Einsatzmöglichkeit unter dem Begriff "Pre-shared entanglement", also eine vorab getauschte Verschränkung. Dazu müssen wir erst einmal annehmen, dass wir eine große Anzahl Photonen verschränken und speichern können. Das ist gar nicht so einfach: Der aktuelle Weltrekord für einen Quantenspeicher bewahrt die Verschränkung nur für sechs Stunden.

Und sogar dafür ist erheblicher Aufwand notwendig: Genutzt wird der Hyperfeinstrukturübergang von Europiumionen-Dotierstoffen in Yttriumorthosilikat unter Verwendung optisch detektierter Kernspinresonanztechniken. Doch es ist denkbar, dass der technologische Fortschritt längere Speicherungen möglich macht. Für eine interstellare Reise sind die Bedingungen dafür besonders gut, denn das Weltall ist voll dunkel und kalt, was die Dekohärenz durch Störeinflüsse verlangsamt.

Nehmen wir also an, ein solcher Quantenspeicher steht zur Verfügung – was machen wir damit? Wir nehmen eine Hälfte der magischen Box mit an Bord eines Raumschiffs! Und das Gegenstück verbleibt auf der Erde. Nun fliegt das Raumschiff weit weg, und will nach Hause kommunizieren. Der Trick ist dann, die Bits der Informationsendung nicht einfach per Photonenbrief an die Erde zu senden, sondern jedes klassische Signalphoton zuerst mit einem (oder mehreren) gespeicherten verschränkten Photonen zu überlagern. Das Ergebnis ist pro Überlagerung ein klassisches Photon, welches dann "voll normal" an den Empfänger (zum Beispiel die Erde) gesendet wird. Dort angekommen, öffnet der Empfänger seine eigene magische Box und bringt seinen Teil der verschränkten Teilchen damit zur Überlagerung. Damit lässt sich die ursprüngliche Botschaft rekonstruieren.

Der Vorteil dieses Verfahrens ist ein erhöhter Informationsgehalt: Die Informationsmenge (in bit pro Photon) erhöht sich um den Faktor log2(M), wobei M das Verhältnis der verschränkten zu den Signalphotonen ist. Selbst eine sehr große magische Kiste ist deshalb nur begrenzt nützlich, denn leider ist beispielsweise log2(1024) nur 10. Auch Verluste und Störungen (zum Beispiel durch Rauschen) haben einen sehr negativen Einfluss auf die Informationsmenge. Trotzdem ist das "Pre-shared entanglement" eine Methode, die man erwägen kann, denn sie ist physikalisch akzeptiert – im Gegensatz zu den meisten anderen Ideen in der populären Literatur.

Wie sieht aber nun Quantenkommunikation in der Praxis überhaupt aus? Gibt es auf der Erde überhaupt eine Lichtquelle dafür? Ja, seit einigen Jahren ist das tatsächlich der Fall! Als 2016 am Laser Interferometer Gravitational-wave Observatory (LIGO) erstmals Gravitationswellen von verschmelzenden Schwarzen Löchern detektiert wurden, kam dabei „gequetsches Licht“ zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Laserlicht, das durch einen sehr genau kontrollierten Kristall wandert (ein „OPO“ für „Optical Parametric Oscillator“). Dabei wird ein grünes Photon in zwei verschränkte rote Photonen konvertiert, zu einem sogenannten gequetschten Vakuum. Dadurch verringert sich die Phasenunsicherheit auf Kosten der Amplitudenfluktuation. Und auf erstere kommt es an: Man möchte die Ankunftszeit der Photonen sehr genau messen, um die Länge der Strecke mit und ohne Gravitationswellen zu vergleichen. Auf die Helligkeit der Photonen kommt es dabei nicht an.

Ein solchermaßen gequetschtes Licht, mit geringeren Fluktuationen im Vergleich zu klassischem Licht, verbessert auch interstellare Kommunikation. Dabei bleibt noch ungelöst, was der beste Weg zur Aufmodulation der eigentlichen Daten ist. Auch die Signalstärke ist noch gering: Am LIGO sind wenige Watt an gequetschtem Licht im Einsatz. Im Vergleich dazu gibt es klassische Laser im Megawatt-Bereich. Die Entwicklung von Quantenlicht ist also einige Jahrzehnte hinter dem klassischen Licht zurück. Doch stärkere Quantenlichtquellen im Kilowattbereich sind bereits geplant für die Gravitationswellendetektoren der nächsten Generation. Damit wäre auch die Eintrittsschwelle für sinnvolle interstellare Quantenkommunikation erreicht.

Verschränkte Photonen sind auch nur Photonen – sollten diese nicht sowieso in optischem SETI Experimenten bereits detektierbar sein? Das ist im Prinzip richtig, denn für ein einzelnes Photon ist prinzipiell nicht bestimmbar, wer oder was es erzeugt hat. Wenn es um 11 Uhr 37 mit einer Wellenlänge von 650 nm (Farbe rot) auf den Detektor fällt, können wir unmöglich sagen, ob es von einem Stern stammt oder aus der Laserkanone des Todessterns. Ein Photon kommt jedoch selten allein. Empfangen wir eintausend Photonen mit 650 nm innerhalb einer Nanosekunde aus Richtung Alpha Centauri in unserem Ein-Meter-Spiegelteleskop, dann können wir sicher sein, dass sie nicht vom Stern selbst stammen (der sendet nämlich nur etwa 32 Photonen aller Wellenlängen pro Nanosekunde in unser Teleskop). Auf dieser Such-Annahme basiert klassisches optisches SETI. Es ist also sehr sensitiv für starke Laserpulse, aber auch sehr unempfindlich für Breitbandquellen.

Quanten-SETI erweitert den Suchhorizont durch zusätzliche Merkmale. Empfängt man eine Gruppe von Photonen, müssen diese nicht mehr einer bestimmten Wellenlänge entsprechen, oder in einem engen Zeitintervall ankommen, damit wir einen künstlichen Ursprung annehmen können. Stattdessen können wir auf Quanten-Eigenschaften prüfen, wie etwa das Vorliegen (oder Fehlen) von gequetschtem Licht. Es gibt nämlich keinen (bekannten) natürlichen Prozess, der gequetschtes Licht produziert. Empfangen wir solches, wäre das auf jeden Fall äußerst interessant. Und es gibt tatsächlich Tests für gequetschtes Licht, die mit vorhandenen Teleskopen und Detektoren durchgeführt werden können. Im einfachsten Fall prüft man die Intensität und deren Varianz auf eine quadratische Korrelation, wofür nur ein guter CCD-Sensor notwendig ist.

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Es gibt zahlreiche weitere Prüfungen auf Quanteneigenschaften des Lichts, die auf Sternenlicht anwendbar sind. Für schwache Quellen, von denen nur wenige Photonen empfangen werden, kann man deren zeitlichen Abstand messen. Chaotisches Sternenlicht ist temporal geclustert, es erreicht uns also mit hoher Wahrscheinlichkeit in kleinen Gruppen. Klassisches kohärentes Licht, also Laserlicht, ist deutlich gleichmäßiger. Für Licht mit Photonen-„Antibunching“ ist im Extremfall der Abstand zwischen je zwei Photonen identisch – ihre Ankunftszeiten sind also perfekt unkorreliert. Dieser quantenmechanische Effekt kann bei natürlichen Lichtquellen niemals auftreten, und ist somit ein sicheres Zeichen eines technischen Ursprungs. Das Verfahren kommt ab und an zum Einsatz, da es sich dazu eignet, Sternendurchmesser zu bestimmen.

Für einige wenige Sterne können wir auf Basis vorhandener Daten damit bereits heute ableiten, dass sie natürlichen Ursprungs sind: Arktur, Procyon und Pollux. Das Verfahren kann aber in Zukunft auf eine große Menge „seltsamer“ Objekte angewendet werden, um sie auf einen künstlichen Ursprung zu testen: Unmögliche Dreifachsterne, hyperschnelle Kugelsternhaufen, oder generell alle interessanten Objekte, die im „Exotika“-Katalog von Brian Lacki (Breakthrough Listen) aufgelistet sind.

Die Idee, SETI um Quanteneffekte zu erweitern, ist noch ganz neu. Man kann dabei aber auf bekannte Suchverfahren zurückgreifen und muss diese nur leicht anpassen. Damit lassen sich dubiose Lichtquellen in Zukunft effektiv auf einen künstlichen Ursprung hin überprüfen. Wir dürfen gespannt sein, was die nächsten Beobachtungen ergeben.

Lesen Sie auch den wissenschaftlichen Fachaufsatz:

Searching for interstellar quantum communications, Hippke M. (2021) Astronomical Journal (in press)

(mho)