Missionar in eigener Sache

Schon zweimal hat der Web-Unternehmer hochfliegende Erwartungen geschürt und dann auf der ganzen Linie enttäuscht.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Angela Froitzheim
  • Ulf J. Froitzheim

Wenn sich Michael Greve Zeit für ein persönliches Treffen nimmt, führt er den Besucher erst einmal hinab in die Katakomben. Hinter den Sicherheitsschleusen im Untergeschoss des loftig-schnieken Anwesens Amalienbadstraße 41 in Karlsruhe-Durlach, in dem einst die schnöde Firma Pfaff schnöde Nähmaschinen montierte, gilt es, ein Rechenzentrum von Weltformat zu bewundern. Fünf Petabyte, also fünf Millionen Gigabyte, können die Server speichern, die sich in hermetisch abgeschirmten, aufwendig brandgeschützten Räumen bis unter die Decke türmen. Bündelweise führen Glasfaserkabel aus dem LED-blinkenden Multi-User-Verlies hinaus ins weltweite Netz, 20 Gigabits pro Sekunde passen durch die Super-Pipeline. Kein Zweifel: Greves Untergrundreich, ein von allerlei merkwürdigen Gestalten namens "Combots" bevölkertes Paralleluniversum, ist bestens gewappnet für einen Ansturm ungeheurer Horden von Usern. Müsste etwa die gesamte Einwohnerschaft von Second Life samt ihrer Simmobilien auf Völkerwanderung gehen, fände sie hier locker 50-fach Unterschlupf.

Doch so stolz Greve seine Luxus-Serverfarm präsentiert, so ungern spricht er über ihre fast demütigend niedrige Auslastung: Erst 30000 Nutzer machen nach aktuellsten Zahlen Gebrauch von der imposanten Infrastruktur, mit deren Hilfe Greve das Versenden von Nachrichten und Dateien neu definieren will (siehe Kasten rechts). Rein rechnerisch könnte jeder der im Juli 2007 angemeldeten Combots-User hier 167 Gigabyte als Zwischenlager für seine Videoclips, Fotos und Sprachnachrichten okkupieren - weit mehr als die meisten von ihnen auf der Festplatte ihres Heimcomputers zur Verfügung haben dürften. Diese überaus üppigen Kapazitäten ließ sich Greve allein im zweiten Quartal 2007 mehr als 100 Euro pro Kundenkopf kosten. Kassiert hat er im Durchschnitt weniger als zehn Cent. Anders gesagt: 99,9 Prozent der laufenden Aufwendungen sind nicht durch Einnahmen gedeckt.

Für wen sich das nach einer Neuauflage von New-Economy-Blütenträumen nach 1990er-Jahre-Muster anhört, der liegt natürlich erst einmal genau richtig: Auch in dieser Zeit des locker sitzenden Börsengeldes gaben Unternehmer Abermillionen von Euros aus, bevor sie sich um die zu solchen Investitionen passenden Einnahmen kümmerten - in den meisten Fällen viel zu spät. Auch Greve selbst ist ein Kind dieser Ära. Als Mitgründer des Portals Web.de gehört er allerdings zu den wenigen, deren Netzunternehmen nicht nur überlebt haben, sondern sogar selbst zu begehrten Übernahmeobjekten wurden. Mit den so herangeschafften 200 Millionen Euro in bar und United-Internet-Aktien, die dank Kurssteigerungen an der Börse inzwischen weitere rund 300 Millionen Euro wert sind, will der Maserati-Fahrer im zweiten Anlauf schaffen, womit er bei Web.de gescheitert ist: Sein Combots-Dienst soll die Welt der Internet-Kommunikation revolutionieren und der gleichnamigen Nachfolgerfirma zu Millionen verhelfen. Bislang allerdings steht diesen großen Plänen nur ein homöopathischer Umsatz von 3000 Euro im Quartal gegenüber..... (kd)