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Mit 96 Antennen zum Drahtlosnetz der nÀchsten Generation

David Talbot

Die amerikanische Rice University testet neue, hocheffiziente Mobilfunkverfahren, die schneller sein sollen als LTE.

die amerikanische Rice University testet neue, hocheffiziente Mobilfunkverfahren, die schneller sein sollen als LTE.

WĂ€hrend Netzbetreiber in aller Welt am Ausbau ihrer Mobilfunkinfrastruktur mit aktueller Technik arbeiten, nimmt ein gigantischer Apparat mit 96 Antennen an der Rice University in Texas Formen an. Das GerĂ€t soll dabei helfen, die nĂ€chste und möglicherweise ĂŒbernĂ€chste Generation der Drahtlostechnik zu definieren.

Das System namens Argos [1] dient als Testplattform und ist das bislang grĂ¶ĂŸte Array seiner Art. Die Technik, die hier erforscht wird, nennt sich "Massive MIMO".

MIMO, in Langform "Multiple Input / Multiple Output" genannt, ist ein Funkverfahren, mit dem Daten effizienter ĂŒber mehrere Antennen ĂŒbertragen werden können. Genutzt wird dabei das natĂŒrlich auftretende "Multipath"-PhĂ€nomen, bei dem Signale auf dem Weg zum EmpfĂ€nger von Objekten reflektiert werden. Das fĂŒhrt zu Interferenzen. MIMO verĂ€ndert daher die zeitliche Abfolge der FunkĂŒbertragung, um den Durchsatz auch bei den reflektierten Signalen zu erhöhen.

MIMO steckt bereits im LTE-Standard und aktuellen WLAN-Versionen wie 802.11ac. Dabei wird aber höchstens eine Handvoll Empfangs- und Sendeantennen genutzt. Massive MIMO erweitert dies, indem Dutzende oder gar Hunderte Antennen zum Einsatz kommen. So wird die KapazitĂ€t noch weiter erhöht, in dem die Signale direkt auf einzelne EmpfangsgerĂ€te konzentriert werden. Das erlaubt es wiederum, zahlreiche DatenĂŒbertragungen gleichzeitig ĂŒber einen Frequenzbereich durchzufĂŒhren. Eine frĂŒhere Version von Argos mit 64 Antennen zeigte, dass sich die NetzkapazitĂ€t mit dieser Methode um mehr als den Faktor 10 erhöhen ließ.

"Mit mehr Antennen kann man auch mehr Nutzer versorgen", sagt Lin Zhong, Juniorprofessor fĂŒr Computerwissenschaften an der Rice University und Co-Leiter des Projekts, Und die Architektur lasse sich leicht auf Hunderte oder gar Tausende Antennen hochskalieren.

Massive MIMO bedingt allerdings mehr Rechenleistung, weil die Basisstationen Funksignale enger an die EmpfangsgerĂ€te abstrahlen, was sich schwerer berechnen lĂ€sst. Die Argos-Testumgebung soll nun zeigen, wie viel Nutzen die Technik unter Realbedingungen liefert. Prozessoren, die ĂŒber das gesamte System verteilt sind, testen dabei verschiedene Netzwerkkonfigurationen. Darunter sind auch solche, wie sie in neuartigen Kleinzell-Basisstationen verwendet wĂŒrden, die nur geringe rĂ€umliche Bereiche abdecken.

"Massive MIMO ist ein intellektuell interessantes Projekt"; meint Jeff Reed, Direktor des Wireless Research Center am Virginia Institute of Technology. "Man will herausfinden, wie weit sich MIMO skalieren lÀsst, wie viele Antennen wirklich hilfreich sind."

Eine Alternative zu Massive MIMO – oder zumindest ein Zusatznutzen – wĂ€re ein ganz neuer "5G"-Standard, der extrem hohe Frequenzen um 28 Gigahertz nutzt. Wellen auf dieser Frequenz sind rund zwei Zehnerpotenzen kĂŒrzer als die in aktuellen Handynetzen. So ließen sich mehr Antennen auf die gleiche FlĂ€che packen, sogar in einem Smartphone. Doch Signale im Hochfrequenzbereich werden leicht von GebĂ€uden blockiert und selbst Regen und BĂ€ume stören. Es muss eine Sichtverbindung zur Basisstation geben.

Samsung und die New York University wollen dies lösen, indem sie ebenfalls ein Multi-Antennen-Array [2] entwickelt. Dabei wird das Signal ĂŒber 64 Antennen geschickt. Der Durchsatz erhöht sich dadurch und die Antennen können dynamisch gewechselt werden, um UmwelteinflĂŒssen entgegenzuwirken.

Gleichzeitig laufen weitere Forschungsprojekte, um die bestehende LTE-Technik zu verbessern. Sie kann theoretisch 75 und mehr Megabit pro Sekunde liefern, ist in der RealitÀt aber langsamer. Wissenschaftler haben jedoch gezeigt, dass sich mehrere Datenströme von verschiedenen drahtlosen KanÀlen kombinieren lassen.

Die Forschung am Argos-System und in anderen Labors dĂŒrfte dabei helfen, den kommenden 5G-Standard zu definieren. Klar ist schon jetzt, dass das nur mit einer besseren Aufteilung von Frequenzen, mehr Antennen, neuen Protokollen und einer ĂŒberarbeiteten Netzwerkarchitektur geht. (bsc [3])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-2107640

Links in diesem Artikel:
[1] http://argos.rice.edu/
[2] http://www.heise.de/tr/artikel/Im-5G-Gigabit-Netz-1868620.html
[3] mailto:bsc@heise.de