Mit Algorithmen gegen den Stau

Wenn Autos ihre aktuelle Geschwindigkeit und Position an andere Fahrzeuge senden würden, könnte eine relativ einfache Software Verkehrsbehinderungen schneller auflösen, glauben südkoreanische Forscher.

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  • Kentucky FC

Wenn Autos ihre aktuelle Geschwindigkeit und Position an andere Fahrzeuge senden würden, könnte eine relativ einfache Software Verkehrsbehinderungen schneller auflösen, glauben südkoreanische Forscher.

In den vergangenen Jahren haben Forscher verschiedene experimentelle mathematische Modelle entwickelt, mit denen sich Verkehrsmuster beschreiben lassen. Dabei gibt es stets drei zentrale Zustände. Beim sogenannten freien Verkehrsfluss können Fahrzeuge mit der erlaubten Maximalgeschwindigkeit unterwegs sein. Ein synchronisierter Verkehrsfluss herrscht, wenn Fahrzeuge nur noch eine geringere Geschwindigkeit fahren können als maximal erlaubt, es aber auch nicht zu stockendem Verkehr kommt. Und dann wäre da schließlich der reguläre Stau, bei dem die Verkehrsdichte so hoch ist, dass die Fahrzeuge regelmäßig stehen.

Die Vorhersage, wann sich die verschiedenen Verkehrsflussarten ändern, gilt als enorm komplex. Allerdings gibt es mittlerweile deutlich mehr Zahlenmaterial, das insbesondere aus Smartphones oder Navigationssystemen stammt, die Geschwindigkeit und Wegstrecke speichern und über Mobilfunknetze weitergeben können. Eine mögliche Anwendung solcher Modelle, die mathematisch auf sogenannten zellulären Automaten basieren, wäre die schnellere Auflösung von Staus, sobald sich diese gebildet haben. Die schlichte Grundidee dabei: Mehr Fahrzeuge müssen den Stau verlassen, als ankommen.

Die Forscher Hyun Keun Lee und Beom Jun Kim von der Universität Seoul haben nun eine relativ einfach umzusetzende Methode entwickelt, mit der stockender Verkehr schneller beseitigt werden könnte. Dabei definieren sie grundsätzlich zwei Arten von Fahrern: optimistische und defensive. Während defensive Fahrer mehr Abstand zum Vordermann halten, als notwendig wäre, lassen optimistische Fahrer zu wenig Platz.

Mittels zellulärer Automaten modellierten Lee und Kim den Verkehrsfluss auf eine Art, die dem durchschnittlichen Fahrverhalten entspricht – auch Situationen wie Geschwindigkeitsübertretungen oder zu abruptes Beschleunigen oder Bremsen werden einkalkuliert.

Allerdings gibt es noch eine weitere Zutat: Alle Fahrzeuge in dem Modell geben Geschwindigkeit und Position an ihre Nachbarn und diese Informationen fließen durch die gesamte Kette. So weiß ein Auto, dass sich noch im freien Verkehrsfluss befindet, dass es weiter vorne bereits zum Stau kommt.

Sobald das passiert, schaltet der Algorithmus alle Fahrzeuge hinter dem Stau auf ein defensives Fahrverhalten um: Die Autos halten einen größeren Sicherheitsabstand, als eigentlich nötig wäre. Dies sorgt dann dafür, dass Fahrzeuge langsamer auf den Stau treffen.

Gleichzeitig werden die Fahrzeuge, die bereits durch den Stau durch sind, beschleunigt – mittels der in immer mehr Autos mittlerweile enthaltenen Geschwindigkeitsregelanlage. Dies führt dazu, dass mehr Fahrzeuge aus dem Stau herausfahren. Das Ergebnis: Der Stau löst sich deutlich schneller auf.

Interessant an der Arbeit von Lee und Kim ist die Tatsache, dass sie sich mit heutiger Technik relativ einfach in die aktuelle Fahrzeuggeneration einbauen lassen würde. Eine zentrale Kontrollinstanz ist nicht notwendig, nur die Bordelektronik müsste in den Fahrzeugen mitspielen. Aber das wäre, ebenso wie die Geschwindigkeitsregelanlage, nicht sonderlich teuer. Das Senden von Geschwindigkeit und Position erledigen Navis schon heute.

Bis die südkoreanischen Forscher aber an eine praktische Umsetzung denken können, müssen sie ihr Modell noch weiter testen. So muss ausgeschlossen werden, dass es zu negativen Auswirkungen kommt, weil Fahrer sich irrational verhalten. Zudem ist noch nicht ermittelt, wie viel Prozent der Fahrzeuge mit der Technik ausgestattet sein müsste, damit sie funktioniert.

Staus würden damit zwar nicht vermieden, weil das Straßenland eben nur eine bestimmte Anzahl von Fahrzeugen verkraftet. Doch stockender Verkehr würde sich sicher schneller auflösen, so die Wissenschaftler. (bsc)