Neuartige Pille leuchtet im Darm, wenn sie Krankheiten detektiert

Darmspiegelung und Stuhlproben sind invasiv beziehungsweise liefern kein Echtzeitbild. Eine neue Entwicklung soll die Diagnose von Darmerkrankungen verbessern.

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Mikrobiom, Mikroorganismen, Darm

(Bild: Design_Cells / Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Soumya Sagar

Weltweit leben derzeit circa sechs bis acht Millionen Menschen mit einer diagnostizierten, chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED), zu der auch Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören. Zu den Symptomen gehören Müdigkeit, Bauchschmerzen, rektale Blutungen und Durchfall. Bleibt die Darmerkrankung unbehandelt, kann sie unter anderem zu Darmkrebs führen. Da die Symptome mit denen anderer Krankheiten übereinstimmen und häufig ab- und zunehmen, wird CED oft erst spät diagnostiziert.

Eine neue, etwa blaubeergroße, bioelektronische Pille könnte das ändern. Mit ihrer Hilfe könnten Ärzte die Anzeichen einer entzündlichen Darmerkrankung im Darm messen und so sowohl die Diagnose erleichtern, als auch die anschließende Behandlung der Erkrankung überwachen.

"Der Darm ist wie eine Blackbox, sehr schwer zugänglich", sagt Maria Eugenia Inda, Expertin für synthetische Biologie am MIT in Boston und Mitleiterin des Teams, das die Pille entwickelt hat. "Die einzige Möglichkeit, die wir jetzt haben, ist die Koloskopie. Das ist invasiv, kann nicht in kurzen Abständen wiederholt werden und stört das Mikrobiom des Darms", sagt sie. Andere Tests hängen von Indikatoren für die Darmfunktion ab, wie zum Beispiel der Gesundheit des Stuhls, und liefern daher kein Echtzeitbild.

Inda und ihr Team entwickelten eine Pille, die E. coli-Bakterien enthält, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie Stickstoffmonoxid, Wasserstoffperoxid und andere Moleküle erkennen, die im Darm von Menschen mit CED im Übermaß produziert werden. Den Bakterien wurde ein Gencluster hinzugefügt, das sie veranlasst, Licht zu emittieren, wenn sie diesen Entzündungsmolekülen ausgesetzt sind. Die Pille enthält auch Fotodioden, die dieses Licht erkennen können, sowie einen Funkchip, der das Signal nach außen übertragen kann. Das Team hat im Fachmagazin Nature über seine ersten Ergebnisse berichtet.

Die größte Herausforderung für das Team bestand darin, einen Weg zu finden, diese ganze Ausrüstung in einem Objekt unterzubringen, das klein genug ist, um geschluckt zu werden und den Magen nicht zu beschädigen. "Das Ziel war ein funktionsfähiges Gerät mit genügend Signal, aber klein genug, um für den Menschen sicher zu sein", sagt Miguel Jimenez, Chemiker am MIT, der an der Entwicklung der Pille beteiligt war. "Ideal wäre natürlich eine mikroskopische Größe, aber es gibt physikalische Grenzen für die Größe von Batterien und Dioden."

Das Team erreichte die Miniaturisierung, indem es die minimale Anzahl von Bakterien ermittelte, die erforderlich ist, um ein nützliches Signal zu senden. Die Elektronik, die zur Erkennung, Verarbeitung und Übertragung dieses Signals benötigt wird, ist zudem sehr effizient. Der nächste Schritt bestand darin, die bakteriellen Sensoren mit der Elektronik zu integrieren und das Ganze in ein kleines Gehäuse zu packen. Das wurde durch die Tatsache erschwert, dass die Bakterien in einer feuchten Umgebung gehalten werden, die Elektronik allerdings trocken bleiben musste. Die Lösung fanden die Forschenden in einer lasergeschnittenen Klebefolie, die für sichtbares Licht transparent war. Das gesamte System packten sie schließlich in ein 3D-gedrucktes Gehäuse, wodurch eine bioelektronische Pille mit einem Volumen von weniger als 1,4 Kubikzentimetern entstand.

Um die Wirksamkeit der Pille zu testen, betäubten die Forscher Schweine und führten die Pille chirurgisch in ihre Därme ein. "Man kann Schweinen das Schlucken leider nicht beibringen. Wenn man ihnen die Elektronik einfach füttern würde, würden sie diese zerkauen", sagt Jimenez. Das Team fand heraus, dass das Präparat in der Lage ist, Biomarker für chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu erfassen und ein Signal zu senden. Teamleiterin Maria Inda sagt, dass die Pille nun am Menschen validiert werden müsse, um zu zeigen, dass die Sensoren in der Lage sind, die Biomarker in den Konzentrationen zu erkennen, die auf eine Krankheit hindeuten würden.

Alessio Fasano, Gastroenterologe am Massachusetts General Hospital in Boston, hält die bioelektronische Pille für "futuristisch". Sein Team entwickelt eine "Pill-Cam", eine Videokapsel, die geschluckt werden kann, um Bilder aus dem gesamten Darm zu machen und sichtbare Entzündungsherde zu überwachen. Seiner Meinung nach wäre eine nicht-invasive Methode zur frühzeitigen Überwachung von Entzündungsprozessen in jedem Fall nützlich. Wenn man die häufigen Entzündungsschübe von Patienten vor dem Auftreten von Symptomen erkennt, könnte man früher eingreifen.

(jle)