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Mit der VR-Brille gegen Rückenschmerzen

Ben Schwan

Beschwerden der Rückenmuskulatur lassen sich aufgrund ihrer Diffusität oft nur schwer behandeln. In Skandinavien versucht man es nun mit virtuellen Welten.

Wer an chronischen Rückenschmerzen leidet, weiß, wie schwer diese zu behandeln sein können – schlimmstenfalls rennt man von Arzt zu Arzt und findet dennoch keine oder nur schwache Linderung, mit Ausnahme stärkerer Schmerzmittel, die auch unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Die Problematik liegt auch darin begründet, dass Symptome oftmals diffus auftreten und Probleme in der Lenden-, Brust- oder Halswirbelsäule die unterschiedlichsten Auslöser haben können. Auch kommt es vor, dass "Rücken" hauptsächlich psychosomatisch bedingt hervorgerufen wird, was nach ganz anderen Behandlungsformen verlangt.

Ein junges Forscherteam aus Norwegen will nun mit Hilfe der Virtuellen Realität (VR) chronische Schmerzen im unteren Rückenbereich behandeln. Die beiden Masterstudenten an der Universität Bergen, Maja Sigerseth und Thomas Larsen, beschäftigen sich regulär mit Physiotherapie und Programmentwicklung und arbeiten an der Entwicklung von VR-Spielen, die speziell auf die Behandlung von Rückenproblemen abgestellt sind. Mit aufgesetzter VR-Brille werden dem Patienten verschiedene Übungen beigebracht, die er zu durchlaufen hat.

Allein in Norwegen entsteht im Jahr ein sozialer Schaden von 1,5 Milliarden Euro durch Rückenschmerzen – sei es für Behandlungskosten als durch Arbeitsausfall. Die Diagnose wird auch am häufigsten bei Krankschreibungen gestellt, es gibt also jede Menge Motivation, das Problem anzugehen.

Im Rahmen eines Pilotprojekts mit zehn Schmerzpatienten zwischen 18 und 65, die Bewegungs- und Verletzungsängste aus ihrem tagtäglichen Alltag kennen, überprüfen Sigerseth und Larsen ihre Software. Drei verschiedene Spiele, die an das jeweilige Schmerzniveau angepasst sind, können ausgewählt werden. In diesen muss man verschiedene Aufgaben lösen oder sich in einem virtuellen Squashturnier engagieren.

Dabei geht es stets darum, den Patienten seine Schmerzen (zumindest kurzzeitig) vergessen zu lassen, ihn aber gleichzeitig zu mehr Bewegung zu motivieren. Gerade Personen, die fürchten, dass sie sich verletzen könnten oder zusätzlichen Schmerzen aussetzen, wenn sie aktiv werden, soll das VR-Programm helfen, sagen die Forscher. Sie werden spielerisch wieder an Bewegung herangeführt.

Die aktuell verwendete Technik basiert auf einem kommerziellen VR-Headset samt Controller, der in der Hand getragen wird. Mit diesem werden die vorgegebenen Übungen absolviert, bei denen die Teilnehmer durchaus ins Schwitzen kommen sollen.

Einer der Probanden, der über ein Jahr an Rückenschmerzen litt, die schließlich auch in den Bein- und Kniebereich ausstrahlten, soll mittlerweile schmerzfrei sein und die Angst vor der Bewegung zumindest teilweise verloren haben. Die VR-Umgebung dient sozusagen als Trockenübung. Wie viel hier einem Placeboeffekt geschuldet sein könnte, ist noch unklar – aus dem kleinen Prototypsystem soll im Rahmen der Arbeit aber ein größeres werden, so Sigerseth und Larsen gegenüber norwegischen Medien.

(bsc [1])


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https://www.heise.de/-4003545

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