Mond macht mobil

Nach vielen Verschiebungen soll der Google Lunar X-Prize 2017 endlich abgeschlossen werden: Es winken 20 Millionen Dollar für die erste private Mondlandung. Auch ein deutsches Team macht sich Hoffnungen.

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Von
  • Alexander Stirn

Der kleine silbergraue Geländewagen rollt durch Messehallen und durch Auditorien. Er glänzt in Broschüren und in Werbefilmchen – und all das seit vielen Jahren. Nun, irgendwann im Laufe des Jahres 2017, soll er endlich an jenem Ort rollen und an jenem Ort glänzen, für den er eigentlich geschaffen worden ist: in der staubigen Einöde des Mondes.

Der Geländewagen, ein eher unförmiger Vertreter seiner Art, ist der deutsche Beitrag zum Google Lunar X-Prize, einem mit 30 Millionen Dollar (28 Millionen Euro) dotierten Wettbewerb für die erste private Mondmission. Erbaut vom Berliner Team Part-Time Scientists, soll der kleine Rover mit seinen vier Rädern, dem kurzen Hals und den drei kalten Kameraaugen sanft auf dem Mond aufsetzen, mindestens 500 Meter zurücklegen und dabei hochaufgelöste Videos zur Erde schicken.

TR 1/2017

(Bild: 

Technology Review 1/17

)

Dieser Artikel stammt aus dem Januar-Heft von Technology Review. Weitere Themen der Ausgabe:

Gelingt ihm das als Erstem, erhalten die Part-Time Scientists den Hauptpreis in Höhe von 20 Millionen Dollar – allerdings nur, wenn ihr Aluminiumgefährt die Aufgaben bis spätestens 31. Dezember 2017 erfüllt. So wollen es die Regularien. Unerbittlich tickt die Countdown-Uhr. Diesmal soll die Frist tatsächlich endgültig sein, nachdem Google sie zuvor bereits dreimal wegen anhaltender Erfolglosigkeit der Teams verlängert hatte.

Die Berliner Tüftler sind nicht die einzigen Teilnehmer. Von ursprünglich 29 Teams waren Anfang Dezember noch 16 im Rennen. Allerdings konnten nur vier einen glaubhaften Startvertrag mit einem Raketenbetreiber vorweisen. Der gilt als Voraussetzung, um im Jahr 2017 überhaupt antreten zu dürfen. Macht jemand das Rennen? Und wenn ja, wer?

Das Aussieben kann beginnen: Zwei der Startverträge dürften nicht allzu viel wert sein. Das internationale Team Synergy Moon will mit einer modularen Rakete des US-Unternehmens Interorbital Systems starten. Zwei Dutzend Haupttriebwerke sollen die Neptune von einer schwimmenden Plattform in Richtung Mond katapultieren.

Bislang hat die Rakete allerdings nur Missionen befördert, bei denen nicht einmal eine Erdumlaufbahn erreicht worden ist – und zum Mond ist die Reise etwa 100000-mal so weit. Das Team Moon Express geht sogar ein noch größeres Risiko ein: Die Amerikaner wollen mit einer Electron-Rakete des Unternehmens Rocket Lab starten, die noch kein einziges Mal geflogen ist. Trotzdem plant Moon Express gleich zwei Starts im Jahr 2017.

Den Part-Time Scientists ergeht es derzeit leider nicht viel besser: Das Team hat inzwischen zwar ebenfalls einen Startvertrag vorgelegt. Anders als gefordert war er Anfang Dezember allerdings noch nicht von Google bestätigt.

Zudem steht noch nicht fest, mit welcher Rakete die Berliner fliegen werden. Laut Vertrag ist Spaceflight Industries für den Transport verantwortlich, sie aber wiederum vermitteln nur an Raketenunternehmen wie SpaceX. Gesucht wird eine bereits existierende Mission, bei der noch ein oder zwei Tonnen Kapazität frei sind. Dort wollen sich die Part-Time Scientists als sogenannte sekundäre Nutzlast günstig einnisten. Elektronik-Ingenieur Karsten Becker gab sich bei der Präsentation des Startvertrags zumindest "sehr zuversichtlich", ebenfalls mit einer Falcon 9 starten zu können.

Zweites Problem: die Landung. Auf dem Mond soll eine Fähre namens Alina aufsetzen, die 100 Kilogramm Nutzlast transportieren kann. Das wäre genug für einige wissenschaftliche Experimente und gleich zwei der 30 Kilogramm schweren Rover. Eine gewisse Redundanz kann in der notorisch riskanten Raumfahrt schließlich nicht schaden. Zudem wäre der zweite Rover in der Lage, seinem Kollegen zu folgen und jede Bewegung im Bild festzuhalten. Schließlich sollen beide sich zu einem geschichtsträchtigen Ort aufmachen – der Landestelle der letzten bemannten Mondmission Apollo 17.

Die Idee dieses schlagzeilenträchtigen Fotos könnte auch der Grund gewesen sein, warum die Part-Time Scientists als eines der wenigen Teams einen zahlungskräftigen Sponsor gewinnen konnten. Der Autohersteller Audi darf sein Logo auf den Mondrover kleben. Der ursprüngliche Name des Gefährts, Asimov, wurde zugunsten des Titelsponsors umgeändert in Lunar quattro. Wie viel der Geldgeber lockermacht und wie viel der Flug mit einer Rakete kostet (Gerüchte gehen von 20 bis 25 Millionen Dollar aus), wollen die Part-Time Scientists für sich behalten.

Aber auch wenn die Berliner das Geld zusammenbekommen und einen Platz in einer Rakete ergattern, bleibt die wohl größte Hürde: Die Landefähre Alina existiert bislang nur als Modell. Sie innerhalb eines Jahres zu bauen und vor allem erfolgreich zu testen, gilt unter Raumfahrtingenieuren als nahezu unmöglich. So bleiben nur noch zwei wirklich aussichtsreiche Kandidaten übrig: TeamIndus aus Indien sowie das israelische Team SpaceIL.

TeamIndus will im Dezember 2017 mit einer bewährten indischen PSLV-Rakete starten. Damit dürfte es jedoch zu spät kommen – jedenfalls wenn bei SpaceIL alles nach Plan läuft. Das israelische Team hat bereits im Oktober 2015 verkündete, im zweiten Halbjahr 2017 mit einer Falcon-9-Rakete des US-Unternehmens SpaceX abheben zu wollen. Nach der Landung möchte SpaceIL die geforderten 500 Meter allerdings nicht rollend zurücklegen. Ihre Landefähre soll vielmehr erneut abheben und einen halben Kilometer entfernt nochmals aufsetzen. Auch so kann man Googles Vorgaben erfüllen.

Das Team setzt vor allem auf die nationale Karte: Bei der Präsentation des Startvertrags im Jahr 2015 war Israels Staatspräsident Reuven Rivlin zugegen, und SpaceIL-Chef Eran Privman verkündete: "Dieser Vertrag bringt uns einen Riesenschritt näher zu unserem großen Ziel: einem Apollo-Effekt in Israel." Die Botschaft, die SpaceIL aussenden will, ist klar: Das ganze Land steht hinter dem Projekt und fiebert mit, wenn Israel als vierte Nation – nach den USA, der Sowjetunion und China – auf dem Mond landet. (bsc)