NASA-Sonde Dart: "Wenn ein Asteroid auf die Erde zurast? Nicht panisch werden."

Die NASA startet Mittwoch eine Sonde, die in einen Asteroiden einschlagen und dessen Bahn ändern soll. Missions-Ingenieurin Elena Adams erklärt die Hintergründe

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(Bild: NASA/Johns Hopkins APL)

Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Peter Michael Schneider
Inhaltsverzeichnis

Am Mittwoch soll die Dart-Sonde der NASA starten, die in neun Monaten auf einem Asteroiden einschlagen soll. Der soll damit minimal auf seiner Bahn – um einen zweiten Asteroiden – abgelenkt werden. Mit dem Test möchte die US-Weltraumagentur herausfinden, ob so auch verhindert werden könnte, dass ein gefährlicher Asteroid auf der Erde einschlägt. Im Interview erklärt Elena Adams vom Applied Science Labratory, was es damit auf sich hat. Sie ist Mission System Engineer von Dart.

Was ist Dart?

Dart ist die erste Testmission zur Abwehr eines Asteroiden, die wir als Teil des Planetary Defense Office der NASA machen. Die Frage ist ja, was machen wir, wenn ein Asteroid auf die Erde zurast? Und die Antwort ist: Auf jeden Fall nicht panisch werden! Denn es gibt mittlerweile Möglichkeiten, das Problem zu lösen und die Dart-Sonde soll dies demonstrieren. Die Theorie sagt, dass es grundsätzlich möglich ist, einen Asteroiden mit einem ausreichend starken Aufprall von seiner Bahn abzulenken. Wenn wir das rechtzeitig machen, sollte sich vermeiden lassen, dass ein Asteroid die Erde trifft.

Elena Adams

(Bild: Johns Hopkins APL)

Aber es ist am Ende ein Experiment, weil wir nicht wissen, ob es funktioniert. Dart fliegt daher zu einem Asteroiden-System namens Didymos. Wir nennen es ein System, weil es ein binärer Asteroid ist, der aus zwei Himmelskörpern besteht. Es gibt also den Didymos genannten Asteroiden und seinen kleinen Mond Dimorphos, der ihn umkreist. Wir werden versuchen, Dimorphos zu treffen, um dessen Umlaufbahn um den größeren Asteroiden zu ändern.

Wie läuft die Mission ab?

Das Experiment besteht aus zwei Teilen. Zunächst wollen wir zum Asteroiden fliegen. Nach dem Start ist Dart neun Monate unterwegs. Im Herbst 2022 soll die Sonde dann auf dem Asteroiden einschlagen. Danach gibt es aber kein Raumfahrzeug mehr, um zu sehen, was passiert ist. Dann beginnt der zweite Teil des Experiments, allerdings hier von auf der Erde aus. Wir werden den Asteroiden einige Monate lang mit bodengestützten Teleskopen beobachten. Dabei wollen wir messen, in welchem Maß wir die Bahn von Didymos‘ Mond verändert haben. Dafür messen wir, die Lichtkurve des Asteroiden, also in welchen Abständen das Licht dunkler und heller wird, wenn der Asteroidenmond vor Didymos vorbeizieht.

Warum haben sie ausgerechnet ein System aus zwei Himmelskörpern gewählt, ist das nicht kompliziert?

Das Doppelsystem ist zwar schwierig, weil wir nicht wirklich wissen, wie der Mond aussieht und aus was es besteht. Ist er ein Haufen Geröll oder ein fester Block? Je nachdem können wir seine Umlaufbahn mehr oder weniger ändern. Aber, wenn wir nur auf den Mond eines binären Asteroiden zielen, gehen wir auf Nummer sicher, dass wir ihn überhaupt bewegen.

Wenn wir einen Asteroiden direkt anpeilen würden, der sich um die Sonne dreht, bräuchten wir viel mehr Masse und wir müssten ihn mit höherer Geschwindigkeit treffen, um seine Umlaufbahn zu ändern.

Weil die Bewegungsenergie des Hauptasteroiden größer ist?

Genau. Wir würden viel mehr Energie benötigen, um die Bahn eines solchen Körpers zu beeinflussen. Zudem fehlte uns eine Möglichkeit, das auch zu messen. Zudem braucht man dort keine zweite Sonde. In diesem Fall würde es viel länger dauern, um eine Veränderung festzustellen. So kann man die Veränderungen von der Erde aus messen. Im Moment dreht sich der Mond alle 12 Stunden um den Asteroiden. Nur zwei Monaten nach dem Einschlag werden wir Daten erhalten, wie wir seine Umlaufzeit verändert haben.

Sie haben aber nur eine Kugel...

Ja, wir haben nur eine Chance auf einen Treffer.

In welchem Winkel soll Dart aufschlagen?

Didymos bewegt sich nicht vollständig in der Ekliptikebene, sondern ist daraus ein wenig heraus geneigt. Wir treffen ihn retrograd, wobei sich seine Umlaufzeit beschleunigen sollte. Im Moment braucht er 11,92 Stunden für einen Umlauf. Seine Umlaufzeit wird danach um etwa 10 Minuten verkürzen.

Das heißt, es bleiben nur wenige Tage Reaktionszeit, um die Sonde in den Asteroiden zu lenken?

Eigentlich sogar nur in den letzten vier Stunden! Die Trägerrakete bringt die Sonde auf eine ballistische Flugbahn. Wir wissen genau, wo sich Didymos befindet. Wenn es keine Fehler in unseren Zielberechnungen und der statistischen Streuung gäbe, würden wir starten und Didymos theoretisch treffen. Aber natürlich gibt es Fehler, sobald wir starten. Auf dem Weg zu Didymos müssen wir also einige kleine Manöver durchführen.

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Ungefähr 30 Tage, bevor wir Didymos erreichen, sieht Dart ihn zum ersten Mal. Vorher ist er selbst mit bodengestützten Observatorien von der Erde aus nur als Punkt zu beobachten. Dabei können wir nur Didymos erkennen, nicht aber den Mond. Ihn können wir auch von der Erde nicht sehen.

Wie erkennt Dart sein Ziel?

Die Sonde hat nur ein Instrument namens DRACO an Bord. Das ist ein 20-Zentimeter-Teleskop, das Didymos etwa 30 Tage lang nur als Punkt sehen wird. Auf diesen Punkt fliegen wir zu, bis etwa vier Stunden vor dem Einschlag. Ab dann wird die Sonde völlig autonom und steuert die letzten Stunden die Triebwerke automatisch.

Dabei blendet die Sonde alle irrelevanten Daten aus, beispielsweise Staub und Strahlung, die den Detektor stören könnte. Dabei muss sie sicherstellen, dass ihr Ziel in der Mitte des Sichtfelds ihres Teleskops bleibt, denn das beträgt nur 0,3 Grad. Ungefähr eine Stunde später werden wir dann hoffentlich endlich einen Punkt auf einer Seite von Didymos sehen, das ist dann Dimorphos, das Ziel.

Das bedeutet, Sie sehen den Mond erst eine Stunde, bevor die Sonde aufschlägt?

Ja, und es ist nur ein Punkt

Das ist ein ziemliches Blind Date.

Ziemlich, bis ungefähr vier Minuten vor dem Einschlag. An diesem Punkt erweitert sich das Bild des Monds auf mehr als nur ein paar Pixel. Dann, zwei Minuten später, hört die Sonde auf zu manövrieren und gleitet einfach hinein.

„Minuten des Terrors“, so ähnlich wie bei der Landung des Marsrovers Perseverance.

Ja, vier Minuten lang. Dazu kommen einige Stunden Zittern, bis wir Didymos tatsächlich sehen. Wir wissen ja nicht, woraus er besteht und wie er aussieht. Ist er geformt wie ein Hundeknochen, oder wie eine schöne Kugel? Wir haben Anforderungen, wo wir ihn treffen müssen: in der Mitte. Was aber, wenn eine dunkle Seite nicht zu erkennen ist? Das Raumschiff muss alles ganz alleine entscheiden.

Also können Sie ihn sehen, aber nicht mehr eingreifen?

Ja und nein. Wir werden zwar nichts machen, wir könnten es aber. Wir stehen die ganze Zeit mit der Sonde in Kontakt, die kontinuierlich jede Sekunde ein Bild zur Erde sendet. Wir haben Notfallverfahren, bei denen wir Befehle senden können, wenn das Raumschiff vom Kurs abweicht. Aber der Plan ist, dass unser autonomes Leit- und Kontrollsystem das übernimmt.

Das Signal braucht ungefähr 38 Sekunden für einen Weg. Ich würde sagen, der point of no return liegt bei 15 bis 20 Minuten vor dem Einschlag. Im Zweifelsfall müssten Änderungsbefehle ja erst noch eingeben werden. Zudem verlieren wir irgendwann die Fähigkeit, noch genügend Schub zu geben, um effektiv zu manövrieren

Öffnen Sie nach dem Start als Erstes das Teleskop?

Nicht ganz. Das wichtigste Ziel ist zwar der Asteroid. Aber Dart ist auch Demonstrator für gleich mehrere Technologien. Wir fliegen die NEXT-C-Ionen-Engine für die NASA, ein Ionen-Triebwerk mit sehr hohem Durchsatz. Wir öffnen daher zunächst die Abdeckung für diesen Ionenmotor. Zudem wollen wir als Erstes unser Steuerungssystem vollständig kalibrieren.

Die Klappe für das Teleskop wollen wir nicht zu früh öffnen, um sicherzustellen, dass es nicht von der Sonne gestört wird. DRACO ist unser Bildgeber, er muss stets in die der Sonne gegenüberliegenden Hemisphäre blicken, damit er kalt bleibt. Wenn die Klappe erst mal geöffnet ist, richten wir DRACO daher nie mehr in Richtung Sonne aus.

Damit sein Sensor nicht von der Sonne geblendet wird.

Genau. Außerdem demonstrieren wir neue Solarpaneele für die NASA. Das sind ausrollbare Sonnenzellen namens Rosas. Im Grunde sind das aufgerollte Folien. Sobald sie im All sind, entfalten sie sich und schnappen auf, etwa so wie Schnapparmbänder für Kinder. Sehr cool. Sie sind sehr leicht im Vergleich zu vielen herkömmlichen Solarpaneelen. Allerdings bedeutet das, dass wir nicht recht wissen, wie sie während des Flugs verhalten. Das lässt sich am Boden nicht ausprobieren. All das muss kalibriert werden, bevor wir endlich die DRACO-Abdeckung öffnen – voraussichtlich an Tag 8 nach dem Start.

Ist es das einzige Triebwerk an Bord oder haben Sie auch ein chemisches Triebwerk? Ionenstrahltriebwerke sind ja vergleichsweise schwach.

Ja, sie haben per Definition einen geringen Schub. Wir haben 12 chemische Hydrazin-Triebwerke als Hauptsteuerung. Wir wollten ursprünglich das NEXT-Ionenstrahl-Triebwerk in viel größerem Umfang einsetzen. Aber da es sich um eine neue Technologie handelt, haben wir entschieden, es als separate Demonstration zu fliegen. Chemische Triebwerke sind sehr zuverlässig und wir brauchen sie zur Lageregelung.

Wie lange hat der Bau von Dart gedauert? Ließe sich die Sonde schneller bauen?

Wir haben ungefähr fünf Jahre gebraucht. Aber das umfasst den gesamten Design-Prozess. Wir mussten zahlreiche neue Technologie entwickeln, insbesondere die Smart-Navigation. Auch der Prozessor für diese intelligente Steuerung ist in gewisser Weise neu. Er beruht auf einer speziellen Programmierung beruht (FPGA-basiert), um ihn superschnell zu machen. Das muss er, um die zahlreichen Regelkreise und Lagetriebwerke zu bedienen, und zudem die Bilder zu verarbeiten und zur Erde zurückzusenden. Es gibt eine Menge, was das Raumschiff in nur einer Sekunde machen muss. Am Ende ist die Antwort, ob wir Dart schneller bauen können, ein „Ja“. Denn wir haben jetzt eine Blaupause dafür.

Wäre es nicht eine Möglichkeit, eine solche Sonde prophylaktisch zu bauen? Sie ließe sich auf der Erde vorhalten oder im Orbit für den Ernstfall parken...

Ja, wir haben festgestellt, dass es am besten ist, sie am Boden vorzuhalten und bei Bedarf zu starten. Sonst müssen wir zu viel Technologie investieren, um die Fahrzeuge für lange Zeit im Weltraum zuverlässig zu halten. Denn sie würden ja vielleicht für zehn oder vielleicht sogar hundert Jahre auf einen Einsatz warten müssen.

Zudem könnten Sie eine solche Sonde mit mehr Masse ausstatten...

Ja. Dazu muss ich sagen, Dart ist die erste Mission, bei der wir ein schweres Fahrzeug wollen. Normalerweise zählt jedes Gramm – vor allem, wenn es Richtung äußere Planeten geht. Die Masse ist zwar auch hier entscheidend, aber nun wollen wir mehr davon.

Wie viele Menschen arbeiten an Dart?

Wir haben mit einem ziemlich kleinen Team angefangen. Auf dem Höhepunkt, als wir es zusammengebaut haben, waren wir wahrscheinlich etwa 400 bis 500 Leute. Im Moment sind wir bei ungefähr 100 bis 150.

Haben Sie jemals daran gedacht, eine Bombe auf den Asteroiden zu schmeißen?

Ja. Zwar nicht für Dart, aber wir haben andere planetare Verteidigungsmissionen besprochen, die das nutzen könnten. Es gibt die Idee, Bomben kontrolliert zu zünden, um Asteroiden damit zu zerstören.

Doch das ist mehr das Szenario von Hollywood-Filmen, in dem es am Ende eine Riesenexplosion gibt – und dann gleich eine ganze Reihe von Asteroiden-Bruchstücken.

Besser wäre es, eine Bombe in seiner Nähe zu zünden, um seine Geschwindigkeit zu verändern – anstatt ihn in Stücke zu sprengen.

Könnte Dart für alle möglichen Asteroiden eingesetzt werden?

Das hängt von der Größe der Triebwerke und Treibstofftanks der Sonde ab. Und davon, wie schnell und groß der Asteroid ist. Die Umlaufbahn der Sonde lässt sich ziemlich einfach ändern, wenn sie zum Beispiel mit einem Ionen-Triebwerk ausgestattet ist. Aber das würde alles ziemlich verlangsamen.

Drohte ein Asteroid in kurzer Zeit einzuschlagen, könnten Sie dann auch schneller fliegen?

Das hängt von der Trägerrakete ab. Mit einer kleinen Rakete erreichen Sie keine großen Geschwindigkeiten. Die Parker Solar Probe, die inzwischen mehr als 160 Kilometer pro Sekunde fliegt, ist daher mit der schweren Trägerrakete Delta IV Heavy gestartet worden. Wenn ein Asteroid auf die Erde zukäme, würden NASA und ESA vermutlich die schwerste Trägerrakete zur Rettung der Menschheit einsetzen.

Die ESA schickt anschließend die Sonde HERA zu Didymos, um zu sehen, was passiert ist. Nun gibt anschließend doch eine Mission vor Ort. Warum?

Das ist lange Geschichte. Bevor Dart zu einer eigenen Mission wurde, gab es noch das Missionsprojekt „Asteroid Impact & Deflection Assessment“, auch AIDA genannt. Damals wollten NASA und ESA diese Missionen noch zusammen ausführen. Dart sollte zum Asteroiden fliegen und auf ihm einschlagen. Eine AIM genannte Sonde würde ebenfalls hinfliegen, um zu messen, wie viel sich der Mond bewegt haben würde. Doch die Politik hat sich dagegen entschieden, die Mission wurde nicht umgesetzt.

Damit drohte auch Dart zu scheitern, weswegen die wir damals sagten, okay, wir können das auch von der Erde aus erledigen, wir brauchen keine Schwestermission. Also machten wir weiter. Aber ein paar Jahre später kam die ESA mit Hera um die Ecke. Im Grunde ist es eine Reinkarnation von AIM, abgesehen von einer etwas anderen Nutzlast.

Wie wichtig ist Hera für Dart?

Hera konzentriert sich darauf, den Krater zu vermessen und zu schauen, wie viel Material Dart ausgeworfen hat. Außerdem wird HERA viel detailliertere Massenmessungen machen können. Eine der offenen Fragen von Dart ist, wie viel Schwung der Asteroid erhält, wenn wir ihn treffen. Wenn Dart auf dem Asteroiden einschlägt, erzeugen das eine ganze Menge Trümmer, die von Dimorphos aufgewirbelt werden. Einiges davon wird in den Weltraum geschleudert, ein anderer Teil wird sich irgendwann wieder auf den Asteroiden zurückfallen. Zwischenzeitlich jedoch wird es Dimorphos theoretisch noch mehr bewegen.

Im Grunde wird der Effekt also wie als Triebwerksstrahl wirken. Und in welchem Maße dieses „Staubwolken-Triebwerk“ wirkt, ist unbekannt. Das hängt zudem davon ab, wie die tatsächliche Zusammensetzung des Asteroiden ist. Hera soll also einige Fragen beantworten. Was hat Dart gemacht? Was ist auf dem Asteroiden passiert? Woraus besteht er genau? Dart kann das nicht messen, die Sonde hat kein Spektrometer an Bord und hinterher tot. Also soll Hera das erledigen.

Wie groß ist die Chance, dass Dart den Asteroidenmond trifft?

Wir haben natürlich die Wahrscheinlichkeit ausgerechnet, mit der wir treffen. Ich würde sagen, wir würden nicht starten, wenn sie nicht in der Nähe von 95 Prozent läge. Aber höchstwahrscheinlich liegt sie noch höher.

(mho)