Nerven auf der Streckbank

Durchtrennte Nerven wachsen oft nicht schnell genug nach, bevor ihre für die Heilung unerlässliche Schutzhülle abstirbt. Ersatznerven, die sich im Labor durch mechanischen Zug extrem schnell entwickeln, können Abhilfe schaffen.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Kristina Grifantini

Durchtrennte Nerven wachsen oft nicht schnell genug nach, bevor ihre für die Heilung unerlässliche Schutzhülle abstirbt. Ersatznerven, die sich im Labor durch mechanischen Zug extrem schnell entwickeln, können Abhilfe schaffen.

Die in der Petrischale in zwei Reihen an­­ge­ordneten schwarzen Pünktchen sehen auf den ersten Blick eher un­schein­bar aus, ein wenig erinnern sie an gemahlenen Pfeffer. Zwischen ihnen verlau­fen haarfeine Fäden. Jeder schwarze Punkt ist ein Konglomerat aus Tausenden von Nerven­zellen, erklärt Professor Douglas Smith von der Universität von Pennsylvania. Die Fäden wiederum bestehen aus Tausenden von Axo­nen, jenen langen, schlanken Nervenfortsätzen, die hereinkommende elektrische Signale zu benachbarten Nerven- oder Muskelzellen weiterleiten. Die in seinem Labor gezüchteten Nervenbündel sollen, so hofft der Neurochirurg, bisher irre­parable Nervenschäden überbrücken helfen.

Solche Schäden entstehen, wenn etwa ein Armnerv durch­trennt oder stark gequetscht wird, denn der armseitige Teil stirbt ab. Das hat fatale Folgen: Die Muskeln, denen er zuvor Steuerimpulse gegeben hat, werden gelähmt. Der kör­pernahe Nervenabschnitt hat zwar die Fähigkeit zur Regeneration, wächst aber nur etwa einen Millimeter pro Tag. Jetzt beginnt ein Rennen gegen die Zeit: Der wachsende Nerv muss es schaffen, die komplette ausgefallene Strecke zu den Mus­keln zu überwinden und die Kontakte zu ihnen neu zu knüpfen – und zwar bevor sich auch der körperferne Teil der schüt­zenden Nervenscheide nach drei Monaten zu zersetzen beginnt. Das geschieht anscheinend, weil die Hülle kein leben­des Gewebe mehr umgibt. Dann hat der Nerv buchstäblich keinen Halt mehr, um in die richtige Richtung zu wachsen.

Wird zum Beispiel ein Nerv im Handgelenk durchtrennt, kann er die Distanz zu den Handmuskeln meist rechtzeitig überwinden und ihnen ihre Bewegungsfähigkeit wiedergeben. Würde aber derselbe Nerv in der Schulter verletzt, würde der Patient fast sicher die Einsatzfähigkeit seiner Hand einbüßen ...

(kd)