Neue Chance für die Luft-Batterie

Der IT-Konzern IBM forscht zusammen mit mehreren US-Nationallaboren an Akkus, die enorm viel Leistung versprechen und gleichzeitig sehr kompakt sind.

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Von
  • Katherine Bourzac

Die Forschungsabteilung des IT-Konzerns IBM hat ein ambitioniertes Projekt gestartet: Die Wissenschaftler des Unternehmens hoffen, innerhalb der nächsten fünf Jahre mit der Kommerzialisierung einer Batterie beginnen zu können, die zehn Mal mehr Energie speichern kann als aktuelle Akkus. Die Firma arbeitet dazu mit mehreren US-Nationallaboren zusammen. Gemeinsam soll eine viel versprechende, gleichzeitig aber einst fast aufgegebene Technologie nach vorne gebracht werden – die Lithium-Metall-Luft-Batterie. Eigentlich leicht entzündliches Lithium reagiert dabei mit dem Sauerstoff aus der Umgebungsluft.

Das Resultat, so hofft man bei IBM Research, ist eine leichtgewichtige, leistungsfähige wieder aufladbare Batterie, die man beispielsweise im Stromnetz als Puffer für erneuerbare Energien zwischenschalten oder zur breiten Elektrifizierung des Individualverkehrs nutzen könnte.

Lithium-Metall-Luft-Batterien können riesige Energiemengen speichern – theoretisch mehr als 5000 Wattstunden pro Kilogramm. Das ist mehr als zehn Mal so viel wie heutige Hochleistungs-Lithium-Ionen-Akkus und mehr als eine andere berühmte Klasse von Stromspeichern: Brennstoffzellen. Statt einen zweiten Reagenz innerhalb der Zelle zu benötigen, reagieren diese Batterien mit dem Luftsauerstoff. Dieser wird je nach Bedarf in den Batteriekörper gesogen, was ihn leicht und kompakt macht.

IBM verfolgt die eigentlich risikoreiche Technologie statt herkömmlicher Lithium-Ionen-Zellen, weil sie ein so hohes Potenzial hat: Die Energiedichte sei hoch genug, um das Verkehrswesen umzukrempeln, wie Chandrasekhar Narayan betont, Manager für den Bereich Forschung und Technologie am IBM Almaden Research Center im kalifornischen San Jose. "Mit allen vorhersehbaren Entwicklungen werden Lithium-Ionen-Akkus vielleicht doppelt so gut werden wie heute", sagt er. "Um wirklich eine Veränderung im Transportsystem und im Stromnetz hervorzurufen, brauchen wir eine höhere Energiedichte."

Eines der Projektziele ist eine leichtgewichtige Batterie für ein Familienauto, das damit dann 800 Kilometer am Stück fährt. Zum Vergleich: GMs lange angekündigtes Plug-in-Hybridauto Chevy Volt macht bereits nach 65 Kilometern schlapp und muss dann auf den Benzintank zurückgreifen. (Teslas bislang nur als Showcar vorgeführte Limousine Model S soll immerhin bis zu 480 Kilometer packen.)

Eine der größten Herausforderungen bei der Herstellung einer Lithium-Metall-Luft-Batterie ist, dass Luft eben "nicht nur aus Sauerstoff besteht", wie Jeff Dahn erläutert, Professor für Materialwissenschaften an der Dalhousie University im kanadischen Nova Scotia. Wo Luft ist, sei auch Feuchtigkeit, "und Feuchtigkeit ist der Tod des Lithiums", sagt er. Trifft Lithium-Metall auf Wasser, wird es zudem brandgefährlich: Eine explosive Reaktion beginnt. Solche Batterien benötigen deshalb Schutzmembranen, die Wasser zuverlässig heraushalten, Sauerstoff aber durchlassen. Deren Stabilität muss stets gewährleistet sein.

IBM hatte bislang noch kein eigenes Batterieforschungsprogramm am Start. Das Know-how, die wissenschaftliche Seite des Problems zu lösen, ist laut Narayan aber im Unternehmen längst vorhanden. Praktische Unterstützung erhält sein Team von den US-Nationallaboren Oak Ridge, Lawrence Berkeley, Lawrence Livermore, Argonne und Pacific Northwest. Die Firma und ihre Mitstreiter arbeiten derzeit an einem Förderantrag, um ausreichend Mittel von der Forschungsbehörde des US-Energieministeriums zu beziehen.

Die Forschung an Lithium-Metall-Batterien kam bereits vor 20 Jahren ins Stocken. 1989 rief die kanadische Firma Moli Energy wieder aufladbare Lithium-Metall-Batterien zurück, die sich noch einer traditionellen Kathode bedienten – einige Exemplare hatten Feuer gefangen. Es kam zu einer Klage, was letztlich zum Bankrott des Unternehmens führte. Etwas später brachte Sony die ersten Lithium-Ionen-Akkus auf den Markt, die sicherer waren und die Forschung an Lithium-Metall-Elektroden stoppte nahezu. (Was man bereits an Moli Energy sieht: Das Unternehmen konzentrierte sich nach seiner Restrukturierung auf Forschung im Lithium-Ionen-Bereich und verkauft entsprechende Akkus inzwischen unter dem Namen Molicel.)

Nur eine Handvoll Forschungslabore auf der ganzen Welt, darunter jenes von PolyPlus Battery aus dem kalifornischen Berkeley, eines am AIST in Japan und eines an der St. Andrews University in Schottland beschäftigen sich derzeit überhaupt mit Lithium-Metall-Luft-Batterien.

Probleme mit diesen Akkus gibt es etwa beim Aufladen. "Wenn man lädt und entlädt, muss das Metall immer und immer wieder galvanisiert und wieder davon befreit werden", sagt der kanadische Forscher Dahn, der die IBM-Pläne kennt. Mit der Zeit wird die Lithium-Metall-Oberfläche ähnlich wie bei Lithium-Ionen-Batterien rau, was zu einer Hitzeentwicklung führen kann, bei der die Batterie wortwörtlich brennt, bis alle Reagenzien im Inneren aufgebraucht sind.

Narayan meint, dass die Lithium-Luft-Batterien grundlegend sicherer seien als früher entwickelte Lithium-Metall-Versionen – und sogar die heutigen Lithium-Ionen-Akkus dabei überholt. Der Grund: Es gibt in der Zelle jeweils nur einen der beiden Reaktionsbestandteile. "Eine Lithium-Luft-Batterie benötigt Luft von außen, eine nicht zu stoppende Reaktion kann nicht erfolgen, weil die verfügbare Luft beschränkt ist."

PolyPlus Battery arbeitet bereits seit rund sechs Jahren an der Lithium-Metall-Luft-Technologie und konnte einige durchaus interessante Beweise für die Sinnhaftigkeit der Idee vorlegen. Im Hauptquartier der Firma gibt es ein Aquarium, in dem hübsche Clownfische leben. Darin schwimmt auch eine Lithium-Metall-Batterie, die Sauerstoff aus dem Salzwasser zieht, um eine grüne LED leuchten zu lassen. PolyPlus hat auch bereits Prototypen gebaut, die Sauerstoff aus der Umgebungsluft erhalten. Steven Visco, Gründer und Vizepräsident für Forschung bei dem Unternehmen, räumt aber ein, dass die Technik noch sehr jung sei: "Sie ist noch nicht bereit, kommerzialisiert zu werden."

IBM-Mann Narayan sieht derzeit vor allem zwei Hauptprobleme. Das erste: Die Gestaltung der Kathode muss optimiert werden, so dass das Lithium-Oxid, das sich beim Ansaugen von Sauerstoff in die Batterie bildet, die Kanäle nicht gleichzeitig blockiert. Zweitens sind bessere Katalysatoren gefragt, um bei der Entladung der Batterie die Umkehrreaktion anzutreiben.

Narayan meint, dass es noch unklar sei, wie viel Geld und wie viel Zeit das Projekt insgesamt in Anspruch nehmen wird. In anderthalb Jahren sollte das aber feststehen. Er schätzt jedoch, dass IBM rund fünf Jahre investieren werden muss. Die Batterie selbst wird der IT-Konzern wohl nicht bauen – stattdessen soll die Technologie an Produzenten lizenziert werden. (bsc)