Neue Erkenntnisse aus dem Brand von Notre-Dame

Beim Wiederaufbau der großen Kirche in Paris kommen die neuesten technischen Verfahren zum Einsatz – schon bei den Aufräumarbeiten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Neue Erkenntnisse aus dem Brand von Notre-Dame

Alexa Dufraisse archiviert sorgfältig Holzkohle aus den Deckenbalken von Notre-Dame.

(Bild: CNRS)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Der verheerende Brand in der Kathedrale Notre-Dame de Paris im letzten Jahr zerstörte ihren hölzernen Dachstuhl, Teile des Deckengewölbes und ihren Spitzturm. Er beschädigte die Mauern und ließ ihr Bleidach schmelzen. Und als im Januar das teilweise geschmolzene Baugerüst abgebaut werden sollte, warnten Verantwortliche vor dem Einsturz noch intakter Gewölbe. Trotz des aktuellen Stillstands der Restauration während der Coronavirus-Epidemie eröffnete das Unglück für Forscher jedoch auch neue Perspektiven.

Drei in Frankreich groß angelegte Kooperationen nehmen unter anderem die Baugeschichte und Herkunft der Baumaterialien unter die Lupe, erstellen digitale Modelle der Architektur und der Akustik sowie anthropologische Untersuchungen.

Notre-Dames Asche etwa gewährt Forschenden ungeahnte Einblicke in die Vergangenheit: Aus dem verkohlten Holz der Dame von Paris wollen Forscherinnen wie Alexa Dufraisse vom Pariser Nationalmuseum für Naturgeschichte ablesen, woher es stammt. Jahresring- und Isotopen-Untersuchungen der verkohlten Deckenbalken sollen ihr verraten, ob die Wälder, aus denen das Holz geschlagen wurde, gezielt bewirtschaftet wurden und unter welchen Klimabedingungen die Bäume gewachsen sind – wichtige Informationen, um die Lücken zu füllen, die immer noch über die Reihenfolge der Bautätigkeiten an der Kathedrale bestehen.

Ohne den Brand hätte Dufraisse keine Proben der Dachkonstruktion erhalten. Andere Forschende interessieren sich weniger für die Geschichte der Kathedrale, sondern mehr für die unseres Klimas: Die Balken erlauben ihnen einen seltenen Blick in die klimatischen Bedingungen im Frankreich des 11. bis 13. Jahrhunderts.

Die Asche und was sich unter sie gemischt hat, ist jedoch nicht ausschließlich von historischem Wert. Sie liefert den Forschenden auch wichtige Informationen für die Restaurierung und den Wiederaufbau der Kathedrale: Aus den Metallen, die sich unter die Asche mischen, können Archäometallurgen wie Philippe Dillmann wertvolle Informationen gewinnen. Der Wissenschaftler vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS), der größten französischen staatlichen Forschungseinrichtung, nutzt freigelegte Eisenelemente als Thermometer.

Aus der Art der Korrosionen liest er ab, wie heiß der Brand war. Große Hitze wandelt etwa einfache Rostpartikel in ungewöhnlichere Verbindungen um. Daraus ließen sich Schlüsse darüber ziehen, wie stark die Kalksteinwände und damit die Statik beschädigt sein könnten, sagte Dillmann dem US-Magazin Science News. Und wäre etwa der chemische Fingerabdruck des Bleidachs bekannt, erfahren die Forschenden nicht nur Neues über die Metallverarbeitung im 11. Jahrhundert, sondern können sogar prüfen, ob die in umliegenden Kitas entdeckten Bleikontaminationen vom Brand stammen oder schon früher durch andere Einflüsse verursacht wurden.

Derzeit ist noch unklar, ob die Kathedrale in allen Aspekten originalgetreu restauriert werden kann – und wird. Vorsorglich sammeln Forschende Daten über die Eigenschaften des Raums, den die Kathedrale gebildet hat – etwa ihren Klang. Neue Materialien erzeugen einen anderen Klang als die historischen. Mit der akustischen Nachhall-Vermessung Notre-Dames von 2013 – der weltweit wohl einzigen ihrer Art – und Simulationen über die akustischen Eigenschaften verschiedener Materialien wollen sie vorhersagen, wie neue Werkstoffe den Klang des Gotteshauses beeinflussen. Damit Notre-Dame auch nach der Rekonstruktion wieder klingt wie vorher.

Lesen Sie dazu auch:

(jle)