Neue Lagertechnik könnte Zahl transplantierbarer Lebern stark erhöhen​

Die Maschine kann Spenderlebern tagelang versorgen, also wesentlich länger als der derzeitige Standard, und sie bei einer Schädigung sogar behandeln.​

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Das Wyss Zürich-Team schließt die Spenderleber im Reinraum an die Perfusionsmaschine an.

(Bild: USZ)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Rhiannon Williams
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Erfolgreiche Premiere: Im Universitätsspital Zürich wurde einem krebskranken Patienten eine Leber transplantiert, die vor der Verpflanzung drei Tage lang in einer neuartigen, den menschlichen Körper nachahmenden Maschine gelagert worden war. Der Patient ist jetzt – ein Jahr nach der Operation – völlig gesund.

Die Technik, entwickelt vom multidisziplinären Zürcher Forschungsteam Liver4Life und beschrieben im Fachjournal "Nature Biotechnology", könnte die Zahl der für eine Transplantation geeigneten Lebern deutlich erhöhen, so die Forschergruppe um den Autoren Pierre-Alain Clavien, Direktor der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsspital Zürich (USZ). Zum einen ließen sich nun Spenderlebern über den derzeitigen Standard hinaus konservieren, und zum anderen erlaube die Technik die Reparatur von Organen, die zwar vorhanden, aber für eine Transplantation zu beschädigt sind.

Claviens Team lagerte die Spenderleber in einer Maschine, die wichtige Umgebungsbedingungen des menschlichen Körpers imitiert. So bietet sie zum Beispiel ähnliche Druckverhältnisse und eine Temperatur von 37 Grad. Die Maschine spülte zunächst die in der Leber verbliebene Flüssigkeit aus und überwachte ihre Produktion von Gallenflüssigkeit und Proteinen. Außerdem versorgte das Gerät das Organ mit Antibiotika und verabreichte ihm ein Anti-Pilz-Mittel, um eine Infektion zu behandeln, die normalerweise verhindert hätte, dass die Leber als Spenderleber verwendbar ist.

Tatsächlich war die Spenderleber, die einer 29-jährigen Frau gehört hatte, von allen anderen Transplantationszentren abgelehnt worden, weil sie einen vier Zentimeter großen Tumor aufwies. Festzustellen, ob er gutartig war, hätte 24 Stunden gedauert – also viel länger als das derzeitige maximale Zeitfenster von 12 Stunden zwischen Entnahme und Transplantation.

Die in der Studie beschriebene Technik verschaffte den Ärzten die Zeit für eine Biopsie und eine erfolgreiche Behandlung der Läsion. Diese Methode könnte es den Ärzten künftig ermöglichen, weitere Lebern mit ähnlichen Problemen zu transplantieren und so möglicherweise mehr Leben zu retten.

"In den USA werden 70 Prozent [der Spenderlebern] nicht verwendet. Ob wir diese 70 Prozent retten können, weiß ich nicht", sagt Clavien. "Aber es ist spannend, zu versuchen, die Organe zu retten, die nicht verwendet werden, oder die, die trotz Probleme verwendet werden könnten. Diese Leber war ganz erstaunlich."

Nach der Entnahme können Lebern in der Regel maximal 12 Stunden lang auf Eis gelagert werden, um zu verhindern, dass die Zellen durch die Kälte geschädigt werden und die Chancen auf eine erfolgreiche Transplantation schwinden. Dieses enge Zeitfenster erschwert die Zuordnung von Organen zu Menschen, die eine Spenderleber benötigen. Daher sterben viele Patienten, bevor für sie ein Spenderorgan gefunden werden kann.

Die Idee, Spenderorgane unter körperähnlichen Bedingungen viel länger als bisher am Leben zu erhalten, ist nicht ganz neu. Ende September letzten Jahres erhielt das US-Medizintechnik-Unternehmen TransMedics die FDA-Zulassung für sein "OCS Liver System", das für dieselbe Aufgabe entwickelt wurde. TransMedics hat auch Organversorgungsgeräte für Spenderherzen und Lungen entwickelt. Die Züricher Entwicklung ist ein weiteres Beispiel für einen vielversprechenden technologischen Trend.

Obwohl weitere Forschungsarbeiten erforderlich sind, glaubt das Team, dass die neue Technik eine sichere Lagerung von Spenderlebern für bis zu 12 Tage vor der Transplantation ermöglichen könnte. Wenn das Verfahren funktioniert, könnte es auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Spenderlebern vor der Operation mit Medikamenten behandelt werden.

Der 62-jährige männliche Empfänger hatte einen fortgeschrittenen Lebertumor und mehrere schwere Lebererkrankungen, darunter eine fortgeschrittene Zirrhose und schweren Pfortaderhochdruck, also eine Erhöhung des Blutdrucks in einem Hauptblutgefäß, das das Blut von Darm und Milz zur Leber transportiert.

Operateur Prof. Pierre-Alain Clavien und der Patient bei Spitalaustritt nach erfolgreicher Transplantation.

(Bild: USZ)

Nach der Transplantation funktionierte die Leber innerhalb von drei Tagen normal. Der Patient nahm Immunsuppressiva ein, um das Risiko einer Abstoßungsreaktion zu verringern, und wurde zwölf Tage nach der Operation aus dem Krankenhaus entlassen. Bei einer Untersuchung ein Jahr nach der Operation wurden keine Anzeichen von Leberschäden, Verletzungen oder Abstoßungsreaktionen festgestellt.

Die Nachfrage nach Lebertransplantationen steigt, und immer mehr Menschen sterben an einer Lebererkrankung. Doch die Zahl der verfügbaren Organe ist nach wie vor gering. Nach Angaben des US-Gesundheitsministeriums warten derzeit mehr als 11.000 Menschen auf eine Lebertransplantation, und die Wartezeiten sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Deutschland warteten laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) voriges Jahr 1.381 Menschen auf eine neue Leber, aber nur 834 Patienten erhielten eine. "Ich denke, wir können sagen, dass dies die Behandlung von Lebererkrankungen revolutionieren wird", sagt Clavien. "Der Beweis ist der Patient – dass er hier ist und weiß, wie es ihm vorher ging."

(jle)