Neuer Job für Superlinsen

US-Wissenschaftler haben erstmals aus so genanntem Metamaterial mit negativem Brechungsindex eine optische Pinzette konstruiert.

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Von
  • Martin Koch

Im Jahre 1873 bewies der berühmte Mikroskopbauer Ernst Abbe aus Jena, dass das räumliche Auflösungsvermögen eines optischen Systems einer fundamentalen Beschränkung unterliegt. Selbst mit den besten Linsen und der stärksten Vergrößerung kann es niemals besser sein als ungefähr die halbe Wellenlänge des verwendeten Lichtes. Das Auflösungsvermögen des Lichtmikroskops, wie wir es beispielsweise aus dem Biologieunterricht kennen, ist deshalb auf einige hundert Nanometer beschränkt. Die heute allseits gefeierte Nanowelt können wir damit nicht oder nur sehr verschwommen wahrnehmen. Begründet liegt diese unerfreuliche Begrenzung letztlich in dem Umstand, dass alle natürlich vorkommenden Materialien, die wir kennen, einen positiven Brechungsindex besitzen. Über ein Jahrhundert lang bleib Abbes Dogma daher unangetastet.

Was aber wäre – so fragte sich der russische Wissenschaftler Viktor Veselago bereits vor sechzig Jahren – wenn es Materialien gäbe, die einen negativen Brechungsindex besäßen? Er erkannte, dass sich mit solchen Materialien perfekte Linsen bauen ließen, die nicht mehr an das Abbesche Beugungslimit gebunden sind und deswegen ein beträchtlich höheres Auflösungsvermögen erlauben würden. Diese Linsen wären anders als die uns geläufigen Linsen nicht gekrümmt sondern flach. Ihr Trick ist, dass sie nicht nur die propagierenden Anteile des Lichts zur Abbildung nutzen sondern auch die bei der herkömmlichen Optik verloren gehenden evaneszenten Wellen. Da aber solch exotische Materialien in der Natur nicht vorkommen, blieben Veselagos Überlegungen lange Zeit nur graue Theorie und verstaubten in den Archiven. Erst im Jahre 2000 wurde die Idee von dem Briten John Pendry wieder aufgegriffen. Dabei schlug er auch gleich ein Verfahren vor, wie Materialien mit negativem Brechungsindex herzustellen seien. Bereits ein Jahr später konnten die theoretischen Vorhersagen experimentell bestätigt werden.

Materialien mit negativem Brechungsindex lassen sich künstlich erzeugen, indem man winzige metallische Strukturen, die deutlich kleiner als die Wellenlänge sind, periodisch anordnet. Aber auch photonische Kristalle, das sind dreidimensionale Gitter aus nicht-metallischen Substanzen, können einen negativen Brechungsindex aufweisen. Alle diese künstlichen Strukturen sammeln sich heute unter dem Begriff Metamaterialien.

Eine völlig neue Anwendung für Superlinsen aus Metamaterialien haben jetzt Dennis Pranther und Kollegen von der Universität von Delaware demonstriert (Optics Express, 14, 2228). Sie haben die „Metalinsen“ verwendet, um eine sehr leistungsfähige, so genannte optische Pinzette zu bauen.

Anders als bei einer mechanischen Pinzette, bei der das zu greifende Teilchen berührt werden muss, wird es beim optischen Gegenstück ohne mechanischen Kontakt im Fokus eines gebündelten Laserstrahls festgehalten. Allerdings muss das zu packende Objekt idealerweise kugelförmig und für die verwendete Strahlung transparent sein. Optische Pinzetten haben sich inzwischen als wichtiges Werkzeug in der Biologie etabliert, um Zellen zu manipulieren. Die Arbeit von Pranther und Mitarbeitern zeigt eindrucksvoll, dass die hohe Auflösung von Metalinsen eine besonders gute Strahlungsfokussierung und somit den Bau von sehr effizienten optischen Pinzetten ermöglicht.

Der führende deutsche Metamaterialienforscher, Professor Dr. Martin Wegener von der Universität Karlsruhe, lobt den jüngsten Vorstoß „Die Eigenschaften von Metamaterialien und photonischen Kristallen überraschen mich immer wieder. Irgendwie ist alles anders, als man es einmal in der Schule gelernt hat. Optik galt für viele als ein praktisch abgeschlossenes Gebiet. Plötzlich ist wieder alles offen, selbst so einfache Dinge wie die Brechung des Lichts."

Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass das Team um Dennis Pranther seine Experimente gar nicht im optischen Bereich durchgeführt hat. Vielmehr nutzten die Amerikaner Mikrowellen bei 17 GHz und einen photonischen Kristall mit einer Gitterperiode von über 6 Millimetern, um das Funktionsprinzip einer berührungslosen Pinzette zu zeigen. Sie sind allerdings zuversichtlich, dass sich Ihre Arbeiten auf den optischen Frequenzbereich übertragen lassen. Allerdings müssten dazu die periodischen Strukturen, die das Metamaterial bilden, noch beträchtlich kleiner werden. Die Abmessungen rutschen dann in den Nanometerbereich, was eine Fertigung sehr aufwändig macht.

Gelingen könnte dies in den nächsten Jahren in Wegeners Arbeitsgruppe in Karlsruhe, die über das entsprechende Know-how und den notwendigen Anlagenpark verfügt. In jedem Fall geht Wegener „fest davon aus, dass wir in den kommenden Jahren noch allerlei faustdicke Überraschungen sehen werden". (wst)