Nokia setzt auf mobiles Geld

Trotz der globalen Rezession ist das Wachstum von Handy-Bezahldiensten in den Entwicklungsländern ungebrochen.

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Von
  • David Talbot

Die 70 Millionen-Dollar-Investition, die der Mobilfunkriese Nokia kürzlich in den Handy-Bezahldienst Obopay steckte, legt vor allem eines nahe: Trotz der globalen Rezession ist das Wachstum solcher Angebote insbesondere in den ärmeren Nationen der Welt ungebrochen.

In den Entwicklungsländern fehlt es vielen Menschen an regulären Bankkonten, Zugriff auf Finanzdienstleistungen haben sie kaum. Doch Mobiltelefone besitzen inzwischen immer mehr. Die Verwendung dieser Geräte als Plattform für Geldgeschäfte, zur Bezahlung von Rechnungen, zum Leihen von Geld oder zum Abstottern von Krediten liegt daher sehr nahe. "Der Markt explodiert gerade", sagt Carol Realini, Chefin von Obopay. Sie glaubt, dass dadurch der Finanzsektor umgekrempelt werde. "Transaktionen, die heute noch in Bar oder per Scheck erfolgen, werden digitalisiert. Diese Geschäftschance existiert auf der ganzen Welt."

Weder Obopay noch sein frischgebackener Investor Nokia, der in Finnland beheimatete größte Handy-Hersteller der Welt, kommentieren derzeit ihren Deal im Detail. Klar ist nur, dass sich die Finanzbasis des Zahlungsdienstleisters mal eben verdoppelt hat und er vor der Einführung großer neuer Angebote steht.

Realini sagt aber so viel: Sie glaube, dass das Angebot an mobilen Bezahldiensten global stark ansteigen werden, besonders, wenn man bedenke, dass sich bereits 1,3 Milliarden Nokia-Geräte in Gebrauch befänden. "Es geht uns dabei darum, die ganze Welt zu versorgen." Nokia stelle jeden Tag rund 1,2 Millionen Geräte her. Dieser gewaltigen Vertriebsmaschine könne man nun seine Fähigkeiten hinzufügen.

Obopay, das im kalifornischen Redwood City seinen Sitz hat, agiert derzeit auf Märkten in den USA und in Indien und gehört zu einem runden Dutzend von Diensten, die es Kunden erlauben, Geld untereinander bargeldlos per Handy zu transferieren. Dazu wird entweder eine mobile Anwendung oder eine SMS verwendet, außerdem existiert ein auch unterwegs nutzbarer Webdienst. In den USA verlangt Obopay von Nutzern für das Versenden von Geld eine Gebühr (25 Cent für jede Summe in Höhe von bis zu 1000 Dollar), in Indien werden die Gebühren dagegen von Banken übernommen, die dazu mehr als bereit sind, weil sie ihre Kundschaft steigern können, ohne neue Filialen aufbauen zu müssen. Obopay gibt seine Gesamtzahl an Kunden derzeit (noch) nicht offiziell an.

Wie seine Konkurrenten setzt der Anbieter auf die Tatsache, dass es auf der Welt inzwischen vier Milliarden Handy-Benutzer gibt – die meisten davon sind relativ arm, nutzen günstige Prepaid-Angebote und besitzen noch kein eigenes Konto. "Wir haben ein Modell, das die eine Milliarde bedienen kann, die bereits Bankkunde sind, und ein Modell, das sich an die restlichen drei Milliarden wendet. Beide werden von uns gleich behandelt. Sie können an ein und dem selbem Zahlungsnetzwerk teilnehmen", sagt Realini.

Indien ist das Epizentrum dieses Trends. Mehr als 450 Millionen Einwohner leben dort unter der Armutsgrenze, doch mehr als 300 Millionen haben ein Handy. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass sich diese Zahl bis 2012 auf nahezu 750 Millionen erhöhen wird – insbesondere in den ländlichen Regionen, die von Kommunikationstechnologien lange Zeit abgeschnitten waren. Und insbesondere hier hat kaum jemand ein Konto. Bezogen auf die Zahlungsströme sind die Vereinigten Staaten derzeit der Hauptabsender der Gelder und Indien der Hauptempfänger.

Ein anderer Handy-Zahlungsdienst, mChek aus Bangalore, gibt an, bereits eine Million Nutzer zu haben, von denen die meisten in Indien sitzen. Diese nutzen Dienste wie die Bezahlung ihrer Mobilfunkrechnung gleich vom Handy aus. "Nokias Investition ist eine Bestätigung dafür, dass wir kurz vor dem Beginn des großen Zeitalters des mobilen Zahlungsverkehrs stehen", sagt Firmenchef Sanjay Swamy optimistisch. "Alle erwarten, dass die Technik bald zum Mainstream wird."

Sowohl Obopay als auch mChek expandieren auch auf den Markt so genannter Mikrokredite. Bei diesen können Nutzer Bankkonten eröffnen, auf denen kleine Summen liegen, und diese dann mit ein paar Tastenanschlägen zur Bezahlung von Lieferanten oder Kunden verwenden. Teppo Paavola, Leiter der Geschäftsentwicklung bei Nokia, gab vor der Presse an, warum seine Firma in den Markt investiere: "Wir glauben an das globale Potenzial mobiler Bezahlangebote." (bsc)