Optische Kommunikation im Gehirn?

Neurowissenschaftler beobachten schon seit Jahren sogenannte Biophotonen, die im Hirngewebe entstehen. Welchen Zwecken sie dienen, weiß niemand.

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  • TR Online

Hier wäre einmal eine interessante Frage: Gibt es neben den elektrisch miteinander interagierenden Nervenzellen auch optische Kommunikationskanäle in unseren grauen Zellen? Was nach einer radikalen Idee klingt, ist ein objektives Forschungsgebiet – und es gibt durchaus erste Ansatzpunkte, die Hinweise darauf liefern.

Viele Organismen nutzen Licht zur Kommunikation, etwa um Paarungsgenossen anzulocken. Vor 20 Jahren erkannten Biologen dann, dass Rattengehirne unter bestimmten Umständen Photonen produzieren. Das Licht ist zwar schwach und schwer feststellbar, doch Neurowissenschaftler überraschte es trotzdem.

Seither wurden weitere Hinweise entdeckt. Sogenannte Biophotonen scheinen im Gehirn und in anderen Organen auf natürliche Weise durch den Abbau bestimmter elektronisch erregter molekularer Spezies zu entstehen. Säugetiergehirne produzieren Biophotonen mit einer Wellenlänge von 200 bis 1300 Nanometern – mit anderen Worten: im Nahinfrarot- bis Ultraviolettbereich.

Wenn Zellen im Gehirn natürlicherweise Biophotonen erzeugen, stellt sich auch die Frage, ob die Natur diesen Prozess nutzt, um Informationen zu übertragen. Damit das funktioniert, müssen die Photonen von einem Ort an einen anderen geleitet werden – und es bedarf eines Wellenleiters, wie man sie von optischen Fasern kennt. Welche biologische Struktur könnte diese Rolle erfüllen?

Eine Theorie dafür liefert eine neue Arbeit von Parisa Zarkeshian und Kollegen an der University of Calgary in Kanada. Sie haben die optischen Eigenschaften von Axonen untersucht, dem langen, faserartigen Teil der Nervenzellen. Das Ergebnis: Die Übertragung von Photonen über Zentimeterdistanzen scheint im Gehirn problemlos möglich zu sein.

Zarkeshian und ihr Team untersuchten im Rahmen ihrer Studie frühere Experimente und Forschungsarbeiten zum Thema Axone. Darunter war auch eine Untersuchung, bei der die optischen Eigenschaften markscheidenhaltiger Axone mit Hilfe der berühmten elektromagnetischen Formeln von Maxwell in drei Dimensionen berechnet wurden.

Dies legt nahe, dass die äußere Beschichtung der Axone, das Myelin, als Wellenleiter für Biophotonen dienen kann. Allerdings kann eine ganze Reihe weiterer Faktoren diese Phänomene beeinflussen, in dem Licht gestreut oder absorbiert wird. Dazu gehört, wie die Lichtübertragung durch Biegungen im Axon beeinflusst werden, wie der Radius des Myelins auf sie wirkt und was unrunde Querschnitte verursachen.

Zarkeshian und ihr Team kommen zu dem Schluss, dass Axone mit Längen von rund zwei Millimetern, was ungefähr der Länge der Axone im Gehirn entspricht, zwischen 46 und 96 Prozent der Biophotonen übertragen könnten, die in sie geleitet werden. "Erwähnenswert ist, dass sich Photonen in beide Richtungen ausbreiten können – vom Axonen-Ausgangspunkt bis hin zum Axonenbuckel und die entgegengesetzte Richtung entlang des Axons."

Das Team konnte auch berechnen, welche Kommunikationsgeschwindigkeiten so möglich sind. Biologen haben im Rattengehirn errechnet, dass ein Photon pro Neuron pro Minute erreicht wird. Das klingt nach nicht viel, doch im menschlichen Gehirn gibt es 10 hoch 11 Neuronen, was einer maximalen Informationsdichte von einer Milliarde Photonen pro Sekunde entspricht.

"Dieser Mechanismus scheint ausreichend zu sein, um eine große Anzahl von Informationsbits zu übertragen", so Zarkeshian und ihr Team – im Falle einer Quantenverschränkung noch deutlich mehr.

All diese Berechnungen sind jedoch noch teilweise unsicher. Niemand kennt die präzisen optischen Eigenschaften des Myelins, denn es wurde nie gemessen. Am besten wäre es also, entsprechende Tests an Hirngewebe durchzuführen. Zarkeshian und ihr Team schlagen hier verschiedene relativ einfache Experimente vor. "Eine Möglichkeit wäre es, ein Ende eines dünnen Gehirnscheibe zu beleuchten und dann nach hellen Bereichen in Verbindung mit offenen Enden von Myelin-überzogenen Axonen an der anderen Seite zu schauen." Es gibt auch noch andere Ansätze, die interessierte Neurowissenschaftler ausprobieren könnten.

Doch all das führt zu einem interessanten Problem. Wenn es wirklich eine optische Kommunikationsmöglichkeit im Gehirn gibt – zu was dient sie? Hier sind zahlreiche Spekulationen denkbar. Eine davon hängt mit der Tatsache zusammen, dass Photonen gute Träger von Quanteninformationen sind. Es gibt die Theorie, dass Quantenprozesse hinter einigen der mysteriöseren Vorgänge im Gehirn liegen könnten, darunter das Bewusstsein. Zarkeshian und ihr Team interessieren sich dafür.

Noch ist das aber nichts als wilde Spekulation. Quantenkommunikation benötigt mehr als nur einen optischen Kommunikationskanal. Die Informationen müssen codiert, decodiert und verarbeitet werden. Es besteht die Möglichkeit, dass es lichtempfindliche Moleküle im Gehirn gibt, die diese Aufgabe übernehmen, doch bislang gibt es keinerlei Beweise, dass sie der Quantenverarbeitung dienen. Dennoch bietet die Studie Anlass zu spannenden Theorien. Denn wenn die Natur schon Biophotonen erzeugt, müssen sie ja auch einen Zweck haben. ()