Osaka ist Weltmeister!

Können humanoide Roboter schon Fußball spielen? 2050 sollen sie den amtierenden menschlichen Weltmeister schlagen, so das Ziel der Robotik-Zunft. Beim Robocup-Finale der Kid-Size-Humanoiden sah es noch nicht danach aus. Ein Spielbericht.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Niels Boeing

Die Robotik-Zunft hat es besser als Jürgen Klinsmann: Während der nur zwei Jahre Zeit hatte, um aus der deutschen Fußballnationalmannschaft ein potenzielles Weltmeisterteam zu formen, haben sich die Robotiker 2050 als Deadline gesetzt. Dann soll humanoide Roboter die Weltmeistermannschaft der Menschen schlagen. Bis dahin ist allerdings noch viel zu tun: Technology Review dokumentiert das Robocup-2006-Finale der Humanoid League, Kid-Size-Klasse, Nimbro KidSize - TeamOSAKA 5:9 n.V., das gestern in Bremen stattfand.

Noch drei Minuten bis zum Anpfiff Die Betreuer lassen ihre Stürmer noch einmal mit ihren „Torjägern“ schießen üben. Während die zweibeinigen Roboter des Freiburger Nimbro-Teams die maximale Größe von 60 Zentimetern erreichen (Gewicht: 2,9 Kilogramm), sind die japanischen Humanoiden mit 39 Zentimetern zwei Köpfe kleiner, dafür aber umso kompakter (2,4 Kilogramm). Das Spielfeld misst 3 mal 4,5 Meter. Werden „Gerd“, „Franz“ und „Paul“, wie die Nimbro-Spieler heißen, sich für das 2005 gegen Osaka verlorene Finale revanchieren können?

Anpfiff Beide Stürmer tapsen langsam auf den roten Ball zu. Osaka hat sich für eine Spielweise mit festem Torwart entschieden. Der wirft sich gleich schon mal zu Boden, zur Belustigung des Publikums. Der defensive Nimbro-Spieler Franz fällt ebenfalls um. Nein, von Tempo-Fußball kann hier noch keine Rede sein.

1. Minute Gerd kommt weit in der gegnerischen Hälfte vor dem Ball zum Stehen, schießt, Osakas Torwart wehrt ab, Gerd geht – ganz, ganz langsam – links vorbei, schießt – 1:0 für Nimbro! Das Publikum ist begeistert.

Während Nimbro je zwei Kameras auf dem Kopf des Spielers montiert mit Blick nach hinten und nach vorne, setzt Osaka auf die Omni-Vision-Kamera mit 360-Grad-Sichtfeld. „Unser System hat eine schlechtere Auflösung, aber einen besseren Winkel“, sagt Roboterbauer Tomataka Takahari vom Osaka-Team. „Bei den anderen verhält es sich genau umgekehrt.“ Die Bildrate, die die Roboter verarbeiten können, liegt bei fünf bis sieben Bildern pro Sekunde – immerhin schon doppelt so viel wie im vergangenen Jahr.

2. Minute Und wieder Gerd, diesmal vom Mittelpunkt mit einem Weitschuss: 2:0. Was für ein Start für das Nimbro-Team.

4. Minute Was passiert da? Franz und Gerd fallen am Mittelkreis gleichzeitig um, aber die kurzen Osaka-Boys können aus der Gelegenheit nichts machen.

Der Vorgang des Aufstehens ist ein festes Programm. „Das klappt einigermaßen zuverlässig“, sagt Nimbro-Teammitglied Tobias Axenbeck. Die Osaka-Roboter sind allerdings dank ihrer kompakteren Bauweise etwas schneller auf den Beinen, haben einen niedrigen Schwerpunkt. Im Rumpf der Nimbro-Roboter ist ein PocketPC eingelassen. „Das ist das Hirn des Roboters“, so Axenbeck. Der Kleinrechner genügt, um die gesamte Steuerungssoftware zu fassen, für die jedes Team einen anderen Ansatz entwickelt.

6. Minute 3:0, Gerd hat wieder getroffen und Osakas Torwart auf dem falschen Metallfuß erwischt, der Ball kullert rechts vorbei ins Tor.

8. Minute Nimbro setzt auf, nun ja sagen wir, kontrollierte Offensive. Gerd tackelt seinen Gegenspieler, der schon wieder umfällt, aber der Schiedsrichter pfeift nicht. Gerd setzt zum Schuss an, der Osaka-Torwart wirft sich in die falsche Ecke nach rechts, der Ball geht links rein. 4:0 für Nimbro (siehe auch Bilderstrecke). Nach dem torarmen Endspiel vom Vorjahr ist das eine echte Überraschung. Die Freiburger Trainerbank ist aus dem Häuschen.

9. Minute Osaka schießt direkt vom Anstoßpunkt, und der Ball geht ins Tor. Wird es gegeben? Das Reglement sieht vor, dass ein direkter Torschuss vom Anstoß nicht gilt. Die Zeitlupe auf der Videoleinwand über dem Spielfeld klärt die Situation auf: Franz hatte noch den Ball berührt, das Tor gilt: Anschlusstreffer für Osaka – 4:1.

Während die Nimbro-Kicker nur den einfachen Geradeaus-Schuss beherrschen, können die Osaka-Roboter auch schon leicht schräg den Ball stoßen. Der Weg von einem bestimmten Punkt auf dem Spielfeld zum Ball – die so genannte Trajektorie – wird mit Hilfe von Neuronalen Netz oder Fuzzy-Logik-Regelsätzen berechnet. Ein Beispiel aus der Small Size League: Jong Hwan Park vom Gwangju Institut of Science and Technologie in Korea hat etwa mit genetischen Algorithmen aus 20 Regelsätzen die optimale Trajektorienberechnung herausdestilliert. Ergebnis: Die Laufzeit des Roboters wird dadurch um knapp zehn Prozent verkürzt. Diese Herausforderung stellt sich bei den Humanoiden wohl erst in ein paar Jahren.

Halbzeit Das ZDF-Reporterteam interviewt einen der Freiburg Trainer: „Osaka scheint sich seit dem letzten Jahr nicht besonders weiterentwickelt zu haben. Da waren sie noch schneller als unsere Roboter“, lautet die erste Einschätzung. Die Trainerbank von Osaka ist dementsprechend etwas hektisch. Ein mit dicken Strängen verkabeltes Laptop wird aufs Spielfeld gebracht und an den japanischen Stürmer-Robot angeschlossen. Neue taktische Anweisungen werden hochgeladen.

Zu einem Passspiel sind die Humanoiden, anders als etwa die Small-Size-League, noch nicht in der Lage. Seit 2002, als sie erstmals teilnahmen, haben sie sich aber schon deutlich verbessert. 2005 konnten Humanoide bei einem Robocup erstmals zum echten Spiel zwei gegen zwei antreten. In den drei Jahren zuvor hatte es nur Elfmeterschießen und andere technische Übungen gegeben.

11. Minute Die Anweisungen der Osaka-Trainerbank waren offensichtlich richtig: Der Stürmer geht steil, an Gerd und Franz vorbei, schießt: 4:2.

13. Minute Gerd hat sich verletzt. Seine Batterie ist aus dem Rumpf herausgefallen und baumelt jetzt an einem Kabel aus dem Rücken heraus. Franz nähert sich dem Ball, schießt, aber der vordere Osaka-Robot lenkt den Ball ins Seitenaus. Darauf kippen Gerd und Franz wieder um.

15. Minute Auswechslung. Gerd kann offenbar nicht mehr, das Nimbroteam wechselt an der Mittellinie Paul ein.

Die Mechanik von humanoiden Robotern ist noch recht empfindlich. Die neue Nimbro-Generation hat 20 Motoren. Steigt die Temperatur über 85 Grad, schalten sich die Motoren erst einmal ab. Tomotaka Takahari vom Osaka-Team hält dessen Maschinen in dieser Hinsicht „für zuverlässiger“ als die der Freiburger. Robocup-Gründer Kitano sieht aber im mechanischen Design der humanoiden Fußballer noch viel Entwicklungsbedarf: „Der Fortschritt ist hier etwas langsamer als erwartet.“

16. Minute Ein weiter Schuss von Osaka aus der eigenen Hälfte, und da ist der Anschlusstreffer: 4:3. Jetzt muss das Nimbro-Team reagieren. Paul tritt einem Osaka-Robot vors Schienbein, aber nicht der fällt, sondern Paul, das war wohl zu schwungvoll. Die Abwehr von Nimbro ist nur noch ein Torso, der Ausgleich wird gerade noch von Franz verhindert, der in einen versuchten Torschuss von Osaka fällt. Nimbro ist nicht wiederzuerkennen. Paul wirft sich in den nächsten Schuss und köpft ins Seitenaus. Osaka spielt wie ausgewechselt.

18. Minute Paul könnte links vorbei, das Spiel vorentscheiden, der Weg zum Osaka-Tor ist frei, doch er fällt. Das Publikum – eindeutig auf Seiten der Freiburger – stöhnt auf.

19. Minute Paul ist wieder umgefallen, liegt regungslos und gekrümmt am Boden. Osaka schießt ins leere Tor: 4:4.

Ende der regulären Spielzeit Es bleibt beim Unentschieden, und so geht es in die Verlängerung von 2 mal 5 Minuten. Die heißgelaufenen Roboterbeine des Nimbroteams werden mit Spray gekühlt, nicht anders als die Waden ihrer menschlichen Zunftgenossen.

Verlängerung Für Paul ist nun Jupp als fester Torwart ins Spiel gekommen, während Franz nun den Feldspieler gibt. Franz und ein Osaka-Robot fallen um, der japanische Humanoide ist schneller auf den Beinen. Franz bleibt liegen, Nimbro spielt jetzt also in Unterzahl 1 gegen 2 – und Osaka geht in Führung. 4:5.

22. Minute Franz schießt, aber Osakas Torwart bückt sich flink, breitet beide Arme aus – und hält. Im Gegenzug trifft Osaka zum 4:6. Jupp entpuppt sich als schlechter Torwart, der zwar permanent die Arme schüttelt, aber sich nicht hinwerfen kann. Er fällt erst nach dem Treffer auf den Rücken ins eigene Tor.

24. Minute Was für ein Debakel: Osakas Stürmer tunnelt Jupp, das Publikum lacht laut auf, und es steht 4:7.

Nach einem Robocup veröffentlichen viele Teams in den Robocup-Ligen ihren Code, so dass andere von den erfolgreichen lernen können. Auf diese Weise setzen sich die Sieger auch unter Zugzwang, noch besser zu werden. „Dieses Zusammenspiel von Wettbewerb und Kooperation macht den Gesamtfortschritt viel schneller“, sagt Hiroaki Kitano, Gründer der Robocup Federation.

26. Minute Ein Direktschuss von Osaka wird von Jupp abgewehrt, aber anstatt den Ball vor seinen Metallfüßen wegzuschlagen, fällt er um. Der offensive Osaka-Robot „sprintet“ in Zeitlupe herbei und schießt zum 4:8 ein. Eine Minute später fällt gar das 4:9. Was für ein Debakel für Nimbro.

28. Minute Franz hat noch einmal eine gute Szene, rammt einen Osaka-Spieler, wechselt hinüber zur Seitenlinie, wo der Ball liegengeblieben ist und verkürzt auf 5:9. Aber es hilft nicht mehr.

Abpfiff Osaka ist Weltmeister im Humanoiden-Robocup 2006 in der Kid-Size-Klasse. (nbo)