Overstock.com legt Anleihe mit Bitcoin-Technologie auf

Die Kryptowährung Bitcoin eignet sich für weitaus mehr als schnelles und dezentrales Bezahlen ohne staatliche Kontrolle: Ein kämpferischer Online-Händler will sie jetzt zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften nutzen.

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Von
  • Sascha Mattke

Die Kryptowährung Bitcoin eignet sich für weitaus mehr als schnelles und dezentrales Bezahlen ohne staatliche Kontrolle: Ein kämpferischer Online-Händler will sie jetzt zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften nutzen.

Patrick Byrne, der CEO des Onlinehändlers Overstock.com, ist kein ganz gewöhnlicher Geschäftsmann. Er hat einen Doktortitel in Philosophie, einen schwarzen Gürtel in Taekwon-do und versuchte sich unter anderem als professioneller Boxer. Kämpferisch zeigte er sich auch, als Leerverkäufer Mitte der 2000er Jahre wegen vermuteter Bilanzierungsfehler die Aktie seines Unternehmens angriffen:Er beschimpfte sie als Kriminelle, sprach von einer breit angelegten Verschwörung und lieferte sich jahrelange juristische Auseinandersetzungen mit Hedgefonds und Investmentbanken.

Viel erreichen konnte er damit nicht, doch geblieben ist Byrnes Ablehnung des Finanzestablishments an der Wall Street. Und so tut er weiterhin alles, um zu seiner Schwächung beizutragen: Anfang 2014 begann Overstock als erster bedeutender Händler, Zahlungen in der alternativen Kryptowährung Bitcoin zu akzeptieren. Im Herbst desselben Jahres startete er ein Wiki, um Emission und Handel von Wertpapieren mit Hilfe von Bitcoin-Technologie vorzubereiten. In diesem Juni dann vermeldete Overstock das erste konkrete Ergebnis dieser Bemühungen: Das Unternehmen bot ausgewählten Profi-Anlegern eine „digitale Unternehmensanleihe“ an, für die tatsächlich die Bitcoin-Blockchain genutzt wird.

"Die Kryptorevolution ist an der Wall Street angekommen", ließ sich Byrne zu diesem Anlass zitieren – und investierte gleich selbst 500.000 Dollar in seine Anleihe. Tatsächlich sehen auch unabhängigere Experten Potenzial für Bitcoin und ähnliche Technologien, das Geld- und Finanzwesen zu revolutionieren. Zum Beispiel Blythe Masters, eine ehemalige Investmentbankerin, die jetzt das Finanztech-Startup Digital Asset Holdings leitet: "Ich würde das ungefähr so ernst nehmen, wie man das Konzept des Internet in den frühen 1990er Jahren hätte ernst nehmen sollen", sagte sie bei einer Konferenz Anfang Juni.

Denn anders als die bisherigen Systeme kommen Bitcoin und Co. ohne zentrale Instanzen aus. Technisch gesehen werden dafür weder Zentralbanken noch große Abwicklungsdienstleister gebraucht, denn die Bestätigung und Überprüfung von Transaktionen erfolgt durch die Computer der Nutzer selbst. Man kann sich die Bitcoin-Blockchain als riesiges verteiltes Register vorstellen, in dem die Transaktionshistorie jeder einzelnen Einheit der Kryptowährung festgehalten ist. Ob sie unverfälscht ist, kann mit Hilfe kryptografischer Verfahren von jedem Nutzer festgestellt werden.

Die Technologie eignet sich zum einen gut für Überweisungen von Geldbeträgen über Grenzen hinweg oder in Gebieten, wo es noch keine ausgebaute Bankeninfrastruktur gibt. Wenn ein Bitcoin-Nutzer einem anderen Geld (bzw. Bitcoins) zukommen lassen möchte, gibt er in seiner Software dessen Adresse an und signiert die Transaktion mit seinem privaten Schlüssel. Die übrigen angeschlossenen Computer überprüfen diese Daten und geben sie dann weiter, bis sich die Information im gesamten Bitcoin-Netz verbreitet hat. Wenn genügend solcher Transaktionen zusammengekommen sind, werden sie zu einem neuen Glied der Blockchain zusammengefasst. Als Anreiz und Belohnung für die bei der Verifizierung geleistete Rechenarbeit erhalten die teilnehmenden Computer neue Bitcoin-Einheiten.

Während anfangs vor allem die Funktion von Bitcoins als alternatives Zahlungsmittel im Vordergrund stand, rückt der Fokus mittlerweile auf andere Verwendungsmöglichkeiten der Blockchain als dezentrales Transaktionsregister: So wie sich über das Protokoll Bitcoins selbst übertragen lassen, so kann es mit leichten Modifikationen auch für die – ebenfalls dezentral überprüfbare – Übertragung von anderen Vermögenswerten genutzt werden. Wer eine bestimmte Bitcoin-Einheit besitzt, besitzt also auch die damit verbundenen Eigentumsrechte. Damit ließe sich mit der einfachen Software im Prinzip das gesamte aufwändige System für Abwicklung und Abrechnung von Wertpapiertransaktionen ersetzen, das lange Zeitverzögerungen zwischen Handel und endgültiger Verbuchung mit sich bringt und mit dem Banken und Börsen jedes Jahr Milliarden an Gebühren einnehmen.

Genau hier will auch Byrne mit seiner Krypto-Anleihe ansetzen. Bereits in diesem April hatte er bei der US-Börsenaufsicht SEC einen Prospekt für die Emission von Aktien im Wert von bis zu 500 Millionen Dollar "auf einem kryptografisch gesicherten verteilten Register-System" eingereicht – für eine Art Bitcoin-Börsengang also. Die Behörde solle "heiliges Wasser" auf seine Pläne für digitale Wertpapiere sprühen, erklärte er damals. Vorher hatte sich Overstock bereits an dem alternativen Handelssystem Pro Securities beteiligt, das seinen Geschäftszweck prompt um den Handel von Wertpapieren über Blockchain-Technologie erweiterte.

Die Genehmigung durch die SEC steht noch aus, doch mit der nicht genehmigungspflichtigen Emission der Privatanleihe treibt Byrne in der Zwischenzeit seine Mission weiter voran. Das Volumen betrug 25 Millionen Dollar, der Zinssatz liegt abhängig von der Umsatzentwicklung bei Overstock bei bis zu 7 Prozent. In einem Interview gab Byrne später an, die Emission sei überzeichnet gewesen, und bei einem niedrigeren Zinssatz würde er mit einer weiteren Krypto-Anleihe gern noch einmal bis zu 200 Millionen Dollar Kapital aufnehmen.

(sma)