Patientennetz unterstützt Pharmakonzern

PatientsLikeMe, ein Social Network für Kranke, plant eine umfassende Zusammenarbeit mit dem US-Medizinkonzern Genentech. Die Roche-Tochter erhofft sich direktere Rückmeldungen.

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Von
  • Susan Young Rojahn

PatientsLikeMe, ein Social Network für Kranke, plant eine umfassende Zusammenarbeit mit dem US-Medizinkonzern Genentech. Die Roche-Tochter erhofft sich direktere Rückmeldungen.

PatientsLikeMe, das größte amerikanische soziale Netzwerk speziell für Patienten, geht seine erste breite Partnerschaft mit einem Pharmahersteller ein. Genentech, die Biotechnikfirma aus South San Francisco, die 2009 von Roche geschluckt wurde, bekommt dadurch nun vollen Zugriff auf die gesamte Datenbank – für fünf Jahre.

PatientsLikeMe ist ein Social Network, an dem rund 250.000 Menschen mit chronischen Krankheiten teilnehmen. Sie teilen untereinander Informationen zu Symptomen, Behandlungsformen und Möglichkeiten der Selbsthilfe. Die größten Gruppen innerhalb des Netzwerkes leiden an chronischen Muskelschmerzen, multipler Sklerose und der Lähmungserkrankung ALS. Insgesamt sind rund 2000 verschiedene Erkrankungen in der Datenbank vertreten. Die Hoffnung ist, dass die von den Menschen übermittelten Informationen der Pharmaindustrie und den Gesundheitsversorgern direkt helfen können, ihr Angebot zu verbessern – und auch, um Marktlücken aufzudecken. Hinzu kommt die Möglichkeit, klinische Studien direkter durchzuführen, wie PatientsLikeMe-Mitbegründer Ben Heywood sagt.

Die Zusammenarbeit mit GenenTech ist nicht das erste Mal, dass PatientsLikeMe mit der Industrie kooperiert. Doch so breit waren diese Kooperationen bislang nie angelegt. "Vorher gab es immer einen eingeschränkteren Fokus", so Heywood, "etwa zu einer bestimmten Forschungsfrage oder einem spezifischen Krankheitsbereich".

Die Kooperation mit Genentech ist nun eine Art "Flatrate". Der Pharmakonzern bekommt Zugriff auf alle Informationen, die PatientsLikeMe-Mitglieder eingeben, ohne dass ein neuer Vertrag geschlossen werden müsste. Auch muss Genentech nicht mitteilen, wenn sich der Forschungsfokus verändert. "Das erlaubt eine schnellere Echtzeitnutzung unserer Daten", sagt Heywood.

2010 zeigte PatientsLikeMe bereits sein Potenzial. Mit Informationen aus der Gemeinschaft der ALS-Patienten, die an einer fortschreitenden und letztlich tödlichen neurologischen Erkrankung leiden, konnte ohne Umwege herausgefunden werden, dass ein Medikament, das gerade getestet wurde, nicht adäquat wirkt. Diese Ergebnisse wurden später auch universitär bestätigt. Das Netzwerk konnte außerdem bereits detailliert ermitteln, wie hoch die Pflegequalität in bestimmten medizinischen Bereichen ist und ob Ärzte sich an Vorgaben ihrer Standesorganisationen halten. "Die Medizin ist immer stärker auf den einzelnen Patienten ausgerichtet. Damit das funktioniert, müssen wir verstehen, was Patienten wollen", sagt Heywood.

Wie viel Genentech für sein "Abo" bei PatientsLikeMe zahlt, wurde bislang nicht kommuniziert. Die Daten sollen keine direkten Rückschlüsse auf Patienten erlauben, Namen und E-Mail-Adressen werden getilgt. Heywood hofft nun, dass der Deal mit der Roche-Tochter nur der erste seiner Art ist. Man strebe weitere große Verträge mit Pharmaunternehmen an. (bsc)