Petition: Keine Überwachungstechnik für Hongkong

Ein Sicherheitsunternehmen hilft Behörden weltweit, Smartphones von Verdächtigen zu entsperren – auch in Hongkong. Menschenrechtler fordern einen Lieferstopp.

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Petition: Technologie zum Telefone-Knacken soll nicht mehr nach Hongkong dürfen

(Bild: Photo by Simon Zhu on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Patrick Howell O'Neill
Inhaltsverzeichnis

Menschenrechtsgruppen haben eine Petition eingereicht, in der sie das israelische Verteidigungsministerium auffordern, Exporte des IT-Security-Spezialisten Cellebrite nach Hongkong zu stoppen. Denn dort sollen Sicherheitskräfte die Produkte es Unternehmens aus Petah Tikva, verwendet haben, um gegen Dissidenten vorzugehen, die sich gegen mehr Einfluss von China wehren. Cellebrite gehört zur japanischen Sun Corporation; seine Soft- und Hardware wird von zahlreichen Polizeibehörden weltweit verwendet.

Im Juli wurde bekannt, dass die Technologie von Cellebrite genutzt wurde, um die Telefone von 4000 Bürgern Hongkongs zu knacken. Darunter war auch das des prominenten Politikers und Aktivisten Joshua Wong, der anschließend eine Online-Kampagne startete, um die Verkäufe von Cellebrite nach Hongkong zu stoppen. Sie fand zunächst 35.000 Unterzeichner.

„Vertreter des Verteidigungsministeriums müssen sofort den Export des Cellebrite-Systems stoppen, das für Verletzungen der Privatsphäre, den Raub von Freiheitsrechten und Meinungsfreiheit und politische Verfolgung von Bürgern nach dem neuen National Security Law eingesetzt wird“, schrieb Wong in einem Facebook-Beitrag.

Mit dem neuen Sicherheitsgesetz hat China seine Kontrolle über die Stadt erweitert. Es sieht deutliche Einschränkungen für Meinungsfreiheit vor und nimmt Hongkong viel von der Autonomie, die es früher hatte. Seit Mai betrachten die USA Hongkong deshalb nicht mehr als unabhängig von China.

Laut Gruppen in Hongkong wird Cellebrite-Technologie eingesetzt, "um die Bürger der Stadt Terror auszusetzen und Demonstranten und demokratiefreundliche Aktivisten anzugreifen". Israelische Menschenrechtler sind der Ansicht, dass Verkäufe an die Polizei in Hongkong schon seit 2019 nicht mehr legal sind, weil damals das Durchgreifen gegen Demokratie-Aktivisten dramatisch zunahm. Die neue gerichtliche Petition soll rechtlichen und politischen Druck auf Cellebrite erzeugen.

"Ich bitte den Minister für Verteidigung, die Cellebrite-Exporte nach Hongkong zu stoppen", sagt Eitay Mack, ein Menschenrechtsanwalt, der die Petition eingereicht hat. Außerdem habe das Unternehmen seines Wissens nie eine Export-Lizenz gehabt. "Das Ministerium muss das Gesetz bei Unternehmen mit Lizenz durchsetzen, aber auch Unternehmen kontrollieren, die ohne Lizenz arbeiten."

Cellebrite ist im Zentrum einer globalen Diskussion über starke Verschlüsselung. Die Geräte von Apple und Google verfügen darüber, was die Sicherheit der Nutzer von iOS- und Android-Telefonen erhöht. Strafverfolger dagegen fürchten, dass Kriminelle dadurch ganz im Dunklen verschwinden, und nutzen Produkte wie das von Cellebrite, um in Telefone einzubrechen und ihre Daten abzurufen.

Das Unternehmen selbst gibt an, "Geräte problemlos entsperren" zu können, indem es technische Schwachstellen darin findet und ausnutzt. Normalerweise bedeutet das, dass Ermittler sich die Telefone von mutmaßlichen Kriminellen vornehmen – doch zu dieser Kategorie zählen in Hongkong jetzt auch Aktivisten für Demokratie.

Cellebrite hat staatliche Kunden in den USA, Europa und Asien. Im Jahr 2019 verkündete das Unternehmen, es könne jedes iPhone und die meisten Android-Telefone entsperren. Die leistungsfähige Technologie wird Polizei- und Sicherheitsbehörden weltweit angeboten, und welche demokratischen Kontrollen und Regeln dafür gelten, ist nicht richtig klar.

Eigentlich wäre eine Export-Lizenz vom israelischen Wirtschafts- oder Verteidigungsministerium erforderlich. Aus dem Wirtschaftsressort heißt es dazu, man habe keine solche Lizenz erteilt, das Verteidigungsministerium schweigt. Allgemein äußert sich das Ministerium nicht zu konkreten Unternehmen, und es reagierte zunächst auch nicht auf Anfragen von Mack sowie des Autors dieses Artikels.

"Das System der Regulierung funktioniert nicht", sagt Mack. Seiner Ansicht nach bedeuten die dramatischen Veränderungen in Hongkong, dass das Verteidigungsministerium bei Cellebrite aktiv werden und Exporte dorthin unterbinden muss. Außer an die Regierung wenden sich die Aktivisten auch an die Beschäftigten bei Cellebrite. "Ich hoffe, dass es einen internen Aufstand geben wird", sagt Mack. "Die Leute arbeiten dort nicht, um die chinesische Diktatur zu unterstützen."

Die Geschäfte mit Hongkong sind nicht die einzige heikle Aktivität von Cellebrite. In Weißrussland reagiert der Diktator Alexander Lukaschenkow mit aggressiven Einsätzen auf Proteste für mehr Demokratie. Mack verlangt, dass Israel auch Exporte der Cellebrite-Technologie an die dortige Regierung unterbindet.

Erstmals kam das Unternehmen weltweit in die Schlagzeilen, als berichtet wurde, seine Technologie sei für das Knacken des iPhones von Terroristen verwendet worden, die 2015 eine Weihnachtsfeier in San Bernardino angriffen. Damals dementierte Cellebrite eine Beteiligung.

(sma)