Post aus Japan: Das Land der schnellen Netze

Auch beim Übergang zu den mobilen Netzen der fünften Generation will Nippon seine Rolle als Internetgroßmacht verteidigen. Dies zieht immer mehr ausländische Unternehmen an.

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Von
  • Martin Kölling

Besuche in Deutschland empfinde ich immer wieder als eine Reise in die Vergangenheit des mobilen Onlinezeitalters. Bei meiner jüngsten Stippvisite war ich überrascht, wie oft auf meinem Handy noch der Schriftzug "3G" auf dem Display stand. Denn hier in Japan passiert dies so gut wie nie. Mehr noch: Das Land drängt bereits mit solchem Hochdruck in die neuen, noch schnelleren Mobilnetze der fünften Generation (5G), dass es in das Visier ausländischer Firmen gerät.

Apple will Anfang 2017 ein erstes Forschungszentrum im Ausland gründen. Auch der chinesische Anbieter von Basisstation Huawei kündigte kürzlich an, zusätzlich zu bestehenden Kooperationen mit den Mobilnetzbetreibern NTT Docomo und SoftBank sein zweites ausländisches Forschungszentrum in Japan aufzubauen. Das erste liegt in Deutschland. Ericsson will 2017 nämliches tun – und im Internet der Dinge gemeinsame Sache mit Japans drittem großen Netzanbieter KDDI zu machen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Auch Nokia entwickelt mit 300 Ingenieuren vor Ort, die 5G-Netze testen. Und der chinesische Rivale ZTE will nachziehen. Denn das Unternehmen rechnet sich in Japan bei Sendeanlagen nach Wachstumsraten von zuletzt 50 Prozent gute Chancen auf künftige Expansion aus.

Der Grund ist Japans Vorreiterrolle bei mobilen Netzen. In Japan wie auch in Südkorea haben schnelle 4G-Netze bereits seit langem den Alltag durchdrungen. Umso mehr beeilen sich die rivalisierenden Nachbarn nun, durch frühe Tests ihren Vorsprung auch in die Zukunft zu retten.

Japans führender Netzbetreiber NTT Docomo hat beispielsweise angekündigt, im Frühjahr 2017 zwei größere Freilandversuche in Tokio zu beginnen. Dort werden dann nicht nur die Infrastruktur, sondern auch Dienste getestet. Als Teilnehmer stehen unter anderem Zuglinien, Autohersteller und TV-Sender bereit, die sich große Dinge von dem höheren Datendurchsatz der neuen Netze erwarten.

Beispiel Autobauer: Sie brauchen 5G für die künftigen selbstfahrenden Autos und die Datendienste, die sie mit vernetzten Autos anbieten wollen. Denn geplant ist, die Fahrzeuge der Zukunft möglichst dauernd mit Navigationsdiensten der Hersteller in der Cloud, anderen Autos sowie Straßen und Ampeln kommunizieren zu lassen. Und die Übertragung der Datenmengen braucht Bandbreite.

SoftBank wiederum rüstet seine Sendemasten mit neuen Transmittern aus. Massive Mimo (massive multiple-input/multiple-output) nennt sich das Konzept, das die Japaner knapp vor Chinas Netzanbieter China Mobile eingeführt haben (auch wenn die Chinesen es in einem weit größeren Rahmen haben). Wie die Abkürzung ausgeschrieben verrät, kann Mimo mehr Datenströme gleichzeitig übertragen.

Durch die Vermehrung der Sender will SoftBank den Kunden schon heute in der Realität höhere Datenraten sichern. Doch die Firma sieht Massive Mimo auch als Schlüsseltechnik für 5G. Denn was helfen schnellsten Netze, wenn der Datentransfer wegen zu vielen Nutzern auf Schneckentempo abbremst. Oder das, was man künftig für Schneckentempo halten wird.

Der Anteil der Tokioter Kunden beispielsweise, deren Datenrate hin und wieder unter zwei Mbps fällt, sei dadurch von 20 auf nur noch wenige Prozent gefallen, teilte SoftBank mit – in gegenwärtigen 4G-Netzen wohlgemerkt. Das einzige, was nicht nur den Japaner wohl noch fehlt, sind die technischen Standards.

Die Japaner lassen sich davon nicht schrecken: Spätestens 2020 will NTT Docomo dann mit dem kommerziellen Umstieg auf 5G-Netze stemmen. Auch die anderen Anbieter stehen unter Zugzwang. Und der politische Druck ist groß, dass sie nicht hinterher hinken. Denn die Regierung will die Sommerolympiade 2020 in Tokio als Schaufenster für Hightech aus Japan nutzen. Und so könnte sich Japan dank olympischen Turbos auch bei 5G-Netzen einen Platz in der Weltspitze sichern.

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