Post aus Japan: Die Ceatec verharrt im Jammertal

Voriges Jahr versuchte Nippons einstiges Gadgetmekka, die Elektronikmesse Ceatec, mit neuem Konzept wieder zu wachsen. Geklappt hat es nicht wirklich.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Ich bin offenbar ein Optimist. Jahr für Jahr gehe ich auf Japans einst wichtigste Messe für Unterhaltungselektronik Ceatec – immer in der Hoffnung, nach Jahren des Niedergangs Zeichen für einen Neuanfang zu finden. Besonders interessiert war ich dieses Jahr. Denn voriges Jahr hatte die Messe ein neues Konzept gestartet.

"Man will nicht mehr 'Cutting-Edge'-Messe oder gar Messe der Unterhaltungselektronik wie zum Beginn der Ceatec im Jahr 2000 sein. Vielmehr soll die Veranstaltung nun ein Schaufenster für futuristische Konzepte und Geschäftsmodelle im Bereich von "Cyber Physical Systems" (CPS) und dem "Internet of Things" (IoT) werden", schrieb ich 2016 an dieser Stelle zur Ceatec. Nun wollte ich mal nachschauen, ob das Konzept aufging – und wurde wieder enttäuscht – oder besser: in meinen Befürchtungen bestätigt.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Zwar mühte sich Kiyoshi Shikano, der ausführende Direktor der Messe, auf der Pressekonferenz am Medientag am Montag redlich, den diesjährigen Auftritt als Erfolg zu verkaufen. So sagte er, dass die Zahl der Aussteller im Vergleich zum Vorjahr leicht um 19 auf 667 Firmen und Organisationen angestiegen sei. Zudem sah er im 30 prozentigen Anstieg von Ceatec-Debütanten auf 327 ein Zeichen, dass die Messe auf dem richtigen Weg sei. Nur deutet dieser Ansturm von neuen Firmen für mich auf das Gegenteil hin: ein Ausharren im Jammertal.

Erstens stagnierte die Ceatec nach dem 22-prozentigen Wachstum im Jahr 2016 dieses Jahr statistisch. Noch schlimmer: Offenbar gelang es den Organisatoren weder, den Schwund von Altkunden aufzuhalten. Noch konnten sie die Neulinge des Vorjahres zu Wiederholungstätern machen.

Zweitens ist die Statistik ohnehin schmeichelhaft. So wäre die Zahl ausländischer Hersteller wohl deutlich gefallen, wenn nicht Indien eine Art Partnerland sein würde. So sorgten die Verbände der Gastgeber dafür, dass sich die Zahl indischer Aussteller auf 27 in etwa verdoppelte. Damit tickte die Statistik um vier auf 199 nichtjapanische Teilnehmer nach oben.

Auf das Kernproblem der neuen Ausrichtung weg von Gadgets, hin zu Konzepten deutete ein Fotograf am Pressetag hin: "Wo gibt's denn hier etwas zu fotografieren?", fragte er leicht verzweifelt. Denn die Firmen stellten statt fotogenen Produkten, die man auch kaufen kann, eher Dienste, Sensoren und Prototypen aus, die oft auf Firmenkunden zielen. Fernseher, Haushaltsgeräte, Lampen, Handys, all' diese treibenden Kräfte der Vernetzung des Alltagslebens sind noch rarer als ein Jahr zuvor.

Das heißt nicht, dass es nicht einige interessante Ideen auf der Messe geben würde. Panasonic beispielsweise stellte ein Gerät vor, das anhand reflektiertem Licht im Nah-Infrarotbereich den Kaloriengehalt von Speisen berechnen soll.

Eher zum Schaudern lädt dagegen Hitachi mit seinem Projekt "Happiness Planet" ein, das die Stimmung und die Tätigkeiten von Angestellten minutiös erfassen kann. Dafür darf sich jeder und jede im Büro eine kleine Plastikkarte um den Hals hängen, die mit Infrarotsensor und Beschleunigungsmesser ausgestattet ist. Anhand des Bewegungs- und Vibrationsprofils will Hitachis Dienst dann die Stimmung ablesen. Gleichzeitig erfasst das System, mit wem der Mitarbeiter wann wie lange spricht und wie lange er am Schreibtisch ist.

In den USA habe man Probleme, dieses System zu erproben, gesteht eine Ingenieurin. Die Japaner lassen sich die Vollüberwachung anscheinend eher gefallen. Allerdings verspricht Hitachi, die Daten zu verschlüsseln und das genaue Tagesprotokoll nur den Angestellten zur Verfügung zu stellen, so dass die anhand der Auswertung ihr Glücksgefühl und ihre Zufriedenheit erhöhen können.

Ein Problem der Messe ist allerdings wie schon 2016, dass jedes Unternehmen aus seinem riesigen Portfolio einzelne, oft nicht zusammenhängende Projekte für die Ausstellung herauspickt. Damit entsteht anders als früher kein Überblick über eine Industrie mehr. Außerdem fehlen käufliche Highlights, mit denen die Unternehmen die Besucher begeistern können. Gleichzeitig ist die Messe wohl auch für die Anbahnung von Geschäftskontakten zu fragmentiert.

Und so bleibt – wenigstens bei mir ein unbefriedigendes Gefühl zurück, und wahrscheinlich auch bei den Ausstellern. Fachmessen funktionieren da in meinen Augen inzwischen einfach besser als diese Meta-Messe. Die Ceatec muss lernen, dass eine Messe nicht nur um einer Messe Willen stattfinden kann, sondern für Firmen und Kunden einen Zweck erfüllen muss. Sonst wird die Ceatec nicht wieder zu einem Muss für Technikfans.

()