Post aus Japan: Die Rückkehr ins Roboterreich

Der Mobilnetzbetreiber und IT-Investor Softbank hat Googles Roboterunternehmen gekauft. Damit kehrt die Entwicklung mehrbeiniger Roboter wieder dahin zurück, wo sie die meisten Fans hat: nach Nippon.

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Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Der Dezember 2013 war ein Monat der Freude, Trauer und Enttäuschung für japanische Roboterfans. Damals gewann ein zweibeiniger Roboter des ursprünglich japanischen Universitäts-Startups Schaft die herausfordernde Robot Challenge des Forschungsarms des US-Militärs DARPA. Nur wurde der Sieg nicht zum Symbol für die Vorherrschaft des Roboterreichs Japan, sondern für die Verschiebung des Epizentrums für künstliche Intelligenz und Wesen in die USA.

Kurz vorher hatte sich Google die legendäre Zukunftsschmiede gekauft. Und Schaft verschwand so gut wie vollständig aus der Öffentlichkeit, um für den amerikanischen Internetkonzern neue Produktwelten zu erschließen. Doch nun wird die alte Ordnung der Roboterwelt überraschend wieder hergestellt.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Der japanische Mobilnetzkonzern und Internetinvestor Softbank kündigte vorigen Monat an, Googles Roboterabenteuer zu kaufen, genauer gesagt Schaft und vor allem die legendäre Truppe von Boston Dynamics, deren maschinelle Lastesel seit Jahren im Internet Hits sind. Damit kehren die bebeinten Roboter dahin zurück, wo sie am meisten Fans haben, nach Japan.

Seit Jahrzehnten werkeln in dem Kaiserreich viele Firmen mit großem Aufwand an dem Traum, menschenfreundliche humanoide Helfer für unseren Alltag zu entwickeln. Die Ergebnisse sind durchaus vorzeigbar: Hondas Roboter Asimo, der ein bisschen so aussieht wie ein Grundschulkind im Weltraumanzug, läuft, springt und kickt sich seit Jahren in die Menschenherzen.

Doch dass Google sich von seiner Robotersparte trennt, sollte die japanischen Fans an der Zukunft dieser Wesen zweifeln lassen. Für die Amerikaner war die Robotik einer jener riskanten "Moonshots", mit denen Google zukunftsträchtige Geschäftsfelder austesten wollte. Nur stellten die Softwareexperten schnell fest, dass mit herumlaufender Roboterhardware auf längere Sicht noch kein Geld zu machen ist.

Stattdessen stürzte sich Google auf die Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Denn nicht nur liegt das Entwickeln von Algorithmen näher an Googles Kernkompetenz. Künstliche Intelligenz könnte auch wichtiger werden als Roboter, die böse gesagt bisher wenig mehr als seelenlose mechatronische Wunderwerke mit begrenzten Nutzwert sind. Denn künstliche Intelligenz ist etwa das Hirn und Nervensystem der Maschinenwesen, während die technisch anspruchsvolle Hardwarehüllen lediglich das Interface des im Netz verteilten virtuellen Geistes zu seiner Umwelt darstellen. Und so suchte Google schon bald wieder nach Käufern für das just Gekaufte.

Für kurze Zeit wurde der Autobauer Toyota als Käufer gehandelt, der selbst massiv in Roboter und künstliche Intelligenz investiert. Doch nun schlägt Softbank zu. Für die Roboterentwickler in Amerika und Japan ist das vielleicht das Beste, was ihnen passieren konnte. Denn Softbank-Gründer Masayoshi Son ist nicht nur persönlich ein Roboter-Fan, sondern er will seinen Konzern zum führenden Unternehmen im Zeitalter von Maschinenwesen und -geist aufbauen.

Die Betonung liegt auf dem "und". Son ist daher nicht nur geduldig, was Roboterentwicklung angeht. So hat er sich 2012 den französischen Roboterentwickler Aldebaran gekauft, um in die Robotik einzusteigen. Nur drei Jahre später zeigte er "Pepper", den ersten, in Großserie produzierten Partnerroboter der Welt. Der bevölkert nun immer mehr Läden in Japan als maschineller Mitarbeiter. Doch positiv trägt er noch nicht zum Konzerngewinn bei.

Zudem dreht Son finanziell ein extrem großes Rad, um seinen Traum zu verwirklichen. 2016 kaufte er für 31 Milliarden US-Dollar den britischen Chipdesigner ARM, auf dessen Entwürfe die meisten mobilen Chips basieren. Son sieht in ARM daher einen der Schlüsselsteine der neuen Welt. Dieses Jahr gründete er dann den größten Technik-Investmentfonds der Welt.

Der Softbank Vision Fund soll letztlich 100 Milliarden US-Dollar in Firmen investieren, die Son als wichtig für die Zukunft ansieht. Son beteiligt sich mit etwas mehr als einem Viertel, behält aber das Sagen über die Käufe. Den Rest steuern private Investoren bei: Ein saudischer Staatsfonds schießt 45 Milliarden US-Dollar in den Fonds, Softbanks Partner wie der taiwanesische Auftragsfertiger Foxconn und Apple den Rest.

Für Softbank ist dies sicherlich eine gewagte Wette. Aber Son sagt von sich selbst, dass er ein Träumer sei. Mehr noch: In seinen Augen ist es Softbanks Lebenselexir, den Konzern immer wieder aufs Spiel zu setzen, um Sons Visionen zu verwirklichen. Für Japan und die Robotik bedeutet seine Begeisterung die Chance, in der Zukunft wirklich zu dem zu werden, was Japan zu Beginn der Robotik war: zum Roboterreich, das die Welt fasziniert – und letztlich vielleicht dominiert. ()