Post aus Japan: Museen in Zeiten von Corona

Nippons IT-Riese NTT Data hat schon das Vatikan-Archiv digitalisiert. Nun ermöglicht die Technik des Konzerns die virtuelle Ausstellung von Kunstschätzen.

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Post aus Japan: Museen in Zeiten von Corona

Eines der digitalisierten Objekte.

(Bild: NTT Data)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Die Pressevorstellung des "digitalen Archivs des Kulturerbes der Asean-Staaten" (Achda) am letzten Donnerstag im Februar war sicher nicht so geplant. Aber irgendwie passte die Eröffnung des virtuellen Museums, in dem Besucher 160 Kulturschätze aus drei Nationen der Vereinigung südostasiatischer Nationen in drei Dimensionen von allen Seiten ansehen können, in die neue Zeit der Epidemie.

China, Südkorea und Japan stürzen gerade in eine kulturarme Zeit. Denn viele Kultureinrichtungen haben im Kampf gegen die Epidemie geschlossen, um Massenansammlungen von Menschen und damit Foren für das neuartige Coronavirus zu vermeiden. Aber virtuelle Museen sind selbst für Personen zugänglich, die von den Obrigkeiten zum Wohle der nationalen Gesundheit zur Quarantäne in den eigenen vier Wänden gezwungen werden. Doch auch ohne diesen gesundheitlichen Aspekt ist das Projekt relevant und wegweisend. Dies zeigt schon der Rang des Projektleiters.

Zuständig für das Projekt ist Katsuichi Sonoda, ein Senior Vice President von NTT Data und Chef des Sektors "Social Solutions", also der Großanwendung digitaler Technologien in gesellschaftlichem Rahmen. Während viele andere Konzerne ihren Mitarbeitern wegen der Virusepidemie bereits Heimarbeit verschrieben haben, arbeitet Sonoda noch im Hauptquartier, um sein Projekt in Einzelinterviews vorzustellen. "Wir haben schon viele Archivprojekte durchgeführt", sagt Sonoda, darunter die Digitalisierung des Vatikan-Archivs. "Aber dies ist das erste Mal, dass wir es dreidimensional gemacht haben." Allerdings passt dieser Schritt zu dem hohen Anspruch der Teilnehmer.

Viele asiatische Nationen wollen ihre Kultur nicht nur digital bewahren, erklärt Sonoda die Idee hinter dem Projekt. "Und diese sollten auch für alle offen zugänglich sein." Diese zwei Punkte seien der Ausgangspunkt des Projekts gewesen. Doch daneben gibt es noch einen dritten, einen hochpolitischen Grund. Mit diesem Projekt wollen die zehn ASEAN-Staaten auch dazu beitragen, ein Gemeinschaftsgefühl in diesem kulturell extrem heterogenen Staatenbund zu stärken. In der ersten Phase scannten NTT Datas Experten finanziert von der japanischen "Japan-ASEAN Integration Fund" 160 Kulturschätze aus Indonesien, Malaysia und Thailand ein. Für die Phasen zwei und drei wollen die Japaner lokales Personal in der Scan-Technik schulen, während die Japaner sich auf das Management seines digitalen Archivs "Amlad" fokussieren, erzählt Sonoda.

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Die Technik ist deutlich aufwändiger und datenreicher als bisherige zweidimensionale Archive, die Japaner erstellt haben. Sie entschieden sich dabei gegen Photogrammetrie, bei der dreidimensionale Bilder im Computer aus vielen Einzelfotos zusammengesetzt werden. Diese Technik habe zwar den Vorteil, schnell zu sein, erklären NTT Datas Experten. Aber sie setzten auf höhere Auflösung und Genauigkeit. Um die Ausstellungsstücke in voller Schönheit zu erfassen, kombinieren die Japaner zwei Technologien.

Zum einen lichten sie mit einem Riegel aus drei hochauflösenden Systemkameras die Objekte mit 20 bis 30 Einstellungen aus allen Richtungen ab. Zusätzlichen scannten sie Kulturgüter auch mit einem Handscanner ab, der "harmloses Licht" verwendete. Der diente dazu, Erhebungen, eingravierte Schriften und Spalten virtuell genau nachbilden zu können. Später wurden die Scanner- und Bilddaten dann zum dreidimensionalen Darstellung der Artefakte zusammengesetzt.

Den Aufwand merkt man auch dem Datenvolumen an. Es sei rund hundertmal größer als zweidimensionale Scans gewesen wären, so Sonoda. Für die digitale Version der Harihara-Skulptur aus dem 14. Jahrhundert, die zwei Gottheiten kombiniert, fallen nach NTT Datas 10,65 GB an Rohdaten an. Die Auflösung der Oberflächenstruktur schwankt dabei je nach Objekt zwischen 20 und 324 Mikrometer.

Für die Darstellung im Internet wird dieses Datenmassiv allerdings auf unter zehn MB heruntergerechnet und damit die Auflösung verschlechtert, um die Rechner und vor allem Mobilgeräte der Besucher nicht zu überfordern. "Wenn es erst einmal die schnelleren 5G-Mobilnetze gibt, können wir auch höhere Auflösungen ins Netz stellen", meint Sonoda.

Theoretisch sind auch andere Anwendungen für die Datensätze denkbar wie dreidimensionale Repliken in unterschiedlicher Größe. Aber Sonodas Traum ist, dass sein Unternehmen diverse digitale Archive quasi als großes virtuelles Weltmuseum gesammelt der Menschheit zeigen könnte. Aber letztlich gehören die Daten den Museen, die im Besitz der realen Objekte sind.

Wenigstens will NTT Data dazu beitragen, bestehende und künftige Internetarchive zu verbinden. "Wenn das zu einer Standardisierung der Archive führen würde, wäre das schon mal hilfreich", meint Sonoda.

(bsc)