Post aus Japan: Vegan Wagyu
Pflanzliche Fleischalternativen sind buchstäblich in aller Munde. Ein Startup will mit einer Kopie von superzartem japanischen Rindfleisch Gourmets überzeugen.
- Martin Kölling
Blair Bullus sitzt im kanadischen Vancouver, wo er sein Unternehmen Top Tier Foods gegründet hat. Seine unternehmerische Leidenschaft hat ihn allerdings dazu gebracht, zum Retter japanischer Küche im Zeitalter des Veganismus zu werden. Sein Startup hat eine pflanzliche Nachempfindung vom gourmet-gerühmten Fleisch japanischer Rinder entwickelt, das geschmacklich mit dem Original mithalten können soll. Den japanischen Sushi-Meister Hidekazu Tojo, den Miterfinder der California Roll hat er schon überzeugt. Er habe gedacht, richtiges Wagyu zu essen.
Wagyu (japanisches Rindfleisch), so heißt den Gaumenschmaus auf japanisch, der dafür bekannt ist, auf der Zunge zu schmelzen. Verantwortlich dafür sind Fettadern, die sich wie ein feines Netz durch das Fleisch ziehen. 200-Gramm-Steaks der besten Klasse können schon mal mehr als 100 Euro kosten. Hauchdünn geschnittene Scheibchen gibt es allerdings deutlich billiger im Supermarktregal. Und auf diese hat sich Blair Bullus konzentriert: Seine Firma bietet jetzt veganes Wagyu-Teriyaki-Grillfleisch an, Gewürzsoße inklusive.
EiweiĂź in Mengen
Beim globalen Boom der Fleischalternativen hinkt Japan zwar derzeit hinter dem Welttrend hinterher. Global machen Startups wie Beyond Meat oder der Lebensmittelriese Nestlé von sich reden. Der Schweizer Großkonzern investiert gerade 100 Millionen Dollar in die Produktion von pflanzlichem Fleisch in China und will 2021 die ersten Produkte nach Japan importieren. Aber tatsächlich sei Japan technologisch führend auf dem Gebiet der Soja-Verarbeitung, meint Bullus. "Meine Produktion habe ich daher in Japan aufgebaut."
Der Grund für das scheinbare Paradox ist, dass in Japan pflanzliche Eiweiße in diversen Formen, Farben und Geschmacksrichtungen schon seit Jahrhunderten zum Alltag gehören. Die bekannteste Form ist Tofu, dessen in Europa erhältlichen Nachempfindungen im Vergleich zum japanischen Original geschmacklich oft eine Herausforderung sind. In Japan bestand daher lange keine Notwendigkeit, Alternativen für Fleisch zu entwickeln, erzählt Bullus.
Inzwischen hat der Trend zwar auch Japan erfasst. Aber die Formen des pflanzlichen Hackfleischs, die in Japan verkauft werden, haben die Konsistenz kleiner Gummikugeln. Mit seinen japanischen Partnern hat Bullus nun eine geheime Technik entwickelt, die das vermeiden soll. Die Soja-Zwischenprodukte werden auf besondere Weise behandelt und gereinigt, um das Produkt weicher zu machen. Das vegane Fleisch wird dann mit den traditionell fermentierten Zutaten versehen und portionsweise abgepackt tiefgefroren verschifft.
Aus der Nährstofflösung
Im ersten Schritt liefert Bullus nun weltweit Proben an Restaurantketten und -köche aus. Er muss sich beeilen. Denn nicht nur Japans Fleisch- und Wurstwarenkonzerne springen auf den Trend zum pflanzlichen Fleisch auf. Nippon Ham bewirbt nun "NatuMeat", der Rivale Itoham Yonekyu "Marude Oniku" (wie Fleisch). Und das Geschäft läuft bereits besser als erwartet. Auch der Instantnudelhersteller Nissin versucht sich ein Stück aus dem Markt zu beissen.
Das Unternehmen will als erster Hersteller in Nährstofflösung gezüchtetes künstliches Schnitzel zur Marktreife zu bringen. Doch Bullus glaubt, dass er sich vor echtem Kunstfleisch nicht zu fürchten braucht.
Zu hoch dürften dessen Kosten und die Schwierigkeiten beim Marketing sein. Man habe den Konsumenten gerade beigebracht, genmodifizierte Lebensmittel zu meiden. Künstliches Laborfleisch läuft dieser Idee allerdings zuwider.
(bsc)