Proteine unter dem Mikroskop

US-Forscher haben eine kostengünstige neue Untersuchungsmethode entwickelt, mit der sie Alzheimer, Parkinson und Co. detailliert auf die Spur kommen wollen.

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Von
  • Kristina Grifantini

US-Forscher haben eine kostengünstige neue Untersuchungsmethode entwickelt, mit der sie Alzheimer, Parkinson und Co. detailliert auf die Spur kommen wollen.

Proteine spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung zahlreicher schwerer Leiden, darunter Alzheimer, Parkinson und Huntington. Mehrere neue bildgebende Verfahren bieten zwar seit kurzem die Möglichkeit, das Verhalten einzelner Moleküle aus dieser Gruppe zu untersuchen, doch sind sie noch verhältnismäßig kompliziert und teuer. Eine neue Methode, die an der Harvard University entwickelt wurde, soll nun deutlich billiger werden und außerdem zahlreiche wissenschaftliche Vorteile bieten

Proteine sind klein – im Schnitt nur rund zwei Nanometer – und bewegen sich in Lösungen sehr schnell, was sie mittels Mikroskop nur schwer beobachtbar macht. Interaktionen zwischen zwei Proteinen werden deshalb normalerweise untersucht, indem eines der Moleküle auf einer Fläche angeheftet wird. Dann wartet der Forscher, bis ein zweites Protein vorbeischwimmt und es zu einer Reaktion kommt. Das Problem dabei sei, erklärt Adam Cohen, Juniorprofessor für Chemie in Harvard, dass sich Proteine "angebunden" schlicht anders verhielten als frei in der Lösung.

Cohens Labor hat deshalb eine Methode aus der regulären Fluoreszenzmikroskopie zum Erfassen einzelner Proteine angepasst. Die neue Technik hört auf den Namen "Convex-Lens Induced Confinement" (CLIC) und quetscht Moleküle zwischen zwei Glasplatten – die eine flach, die andere gewölbt. So sind die Proteine zwar in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, aber eben nicht so stark, dass sich ihr Verhalten ändern würde. Es gibt zwar noch andere Methoden, einzelne Proteine zu immobilisieren, doch dazu braucht es Spezialgerät.

Sabrina Leslie, Postdoc in Cohens Labor, modifizierte deshalb ein reguläres Fluoreszenzmikroskop mit der zusätzlichen Mechanik. Bei den beiden Glasplatten handelt es sich zum einen um eine konvexe Linse, zum anderen um einen flachen Träger, der von einer Protein-haltigen Lösung bedeckt ist. Die gewölbte Oberfläche der Linse wird mit dem "Auge" nach unten platziert. Proteine diffundieren anschließend durch die Lösung, doch ihre Größe schränkt sie in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Nur teilweise erreichen sie das Zentrum, wo der Raum zwischen der flachen Glasoberfläche und der bogenförmigen kleiner wird. Wie weit sich die Proteine bewegen können, lässt Rückschlüsse auf ihre Größe zu.

Die Linse kontrolliert auch die Tiefe der Lösung. Dies verhindert, dass Proteine sich in Schichten übereinander anlagern. Das Verfahren macht es außerdem einfach, individuelle Proteine für einen längeren Zeitraum zu beobachten, weil sie zwischen dem flachen Glas und der Linse gefangen bleiben.

"Ich halte das für einen sehr schön einfachen, neuartigen Ansatz", meint Julio Fernandez, Professor für Biostudien an der Columbia University. Die Betrachtung der Moleküle über einen langen Zeitraum mit hoher Auflösung dürfte Forschern die Chance geben, endlich das Verhalten einzelner Proteine ausreichend zu untersuchen, meint er. "Es ist wesentlich anschaulicher, etwas zu beobachten, wenn die Dynamik natürlich bleibt."

Die neue Technik könnte der Wissenschaft helfen, zu verstehen, wie einzelne Proteine beispielsweise zur Bildung von Amyloid-Ablagerungen führen können – jenem Proteinbelag, der sich zwischen den Nervenzellen von Alzheimer-Kranken befindet. "Dies sollte die Möglichkeiten der Experimente verbreitern", meint Cohen.

Ein weiterer Vorteil von CLIC ist der Preis des Verfahrens. Heutige Mikroskope, die sich für die Betrachtung einzelner Moleküle eignen, kosten rund 100.000 Dollar. "CLIC ist besser und würde nur ein paar Hundert Dollar kosten", meint Fernandez, der die Technik bald in seinem eigenen Labor testen will. Weder Spezialsoftware noch teure Sonderausstattung seien notwendig. Noch muss das neue Verfahren aber beweisen, wie nützlich es wirklich für Experimente ist. "Es sieht aber bereits mehr als vielversprechend aus." (bsc)