QAnon im US-Kongress: Experten warnen vor Desinformation

US-Abgeordnete ließen sich über die Gefahren von falschen Informationen aufklären, aber der Präsident zeigte sich kurz darauf wenig beeindruckt davon.

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«QAnon»

Demonstrant mit QAnon-Schild.

(Bild: dpa, Matt Rourke/AP/dpa)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tate Ryan-Mosley
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Mitte Oktober fand eine 90-minütige Anhörung im US-Kongress statt, organisiert vom Geheimdienst-Ausschuss. Darin beschäftigten sich die Abgeordneten mit dem Thema Desinformation in den USA und suchten Rat bei führenden Experten auf diesem Gebiet. Sie bekamen dringende und erschreckende Warnungen über den Umgang mit Wahrheit, politische Fragmentierung und die Verbreitung von Verschwörungstheorien zu hören, vor allem in Zusammenhang mit der Gruppierung QAnon.

Doch am selben Tag sagte der US-Präsident in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, er wisse „nichts“ über Qanon. Wenig später gab er zu erkennen, dass er in einer ihrer wesentlichen Überzeugungen mit der Gruppe übereinstimmt.

Der von dem demokratischen Abgeordneten Adam Schiff geleitete Ausschuss ließ sich von vier Expertinnen für Desinformation aufklären: Joan Donovan (regelmäßige Autorin für die US-Ausgabe von Technology Review), Nina Jankowicz, Cindy Otis und Melanie Smith. Gesprochen wurde über die Ausbreitung von böswilligen Akteuren und falschen Informationen im Zusammenhang mit dem US-Wahlkampf – wie sich zeigte, stammen sie vor allem aus dem eigenen Land. Laut Otis wird darin „mit Taktiken gearbeitet, die eher wie ausländische Operationen zur Beeinflussung aussehen als wie guter Digital-Wahlkampf.“

Republikanische Abgeordnete waren bei der Anhörung nicht dabei – sie boykottieren Sitzungen des Geheimdienst-Ausschusses sogar schon seit Monaten. Jankowicz rief dringend zu einer Entpolitisierung von Informationen im Internet auf: „Desinformation ist eine Bedrohung für die Demokratie, unabhängig davon, welche Partei davon profitiert“, sagte sie. Mehrere Teilnehmer einschließlich des Vorsitzenden Schiff wiesen darauf hin, dass Präsident Trump regelmäßig falsche Informationen in Umlauf bringt, weiterverbreitet oder verstärkt.

Am selben Abend wurde die Trump-Ansprache vor Publikum auf dem Sender NBC übertragen; sie diente als Ersatz für die zweite Kandidaten-Diskussion im Fernsehen, die wegen der Coronavirus-Diagnose beim Präsidenten abgesagt wurde. Darin wurde Donald Trump gebeten, sich zu einer Fake-Theorie von QAnon zu äußern, laut der hochrangige Demokraten-Politiker Teil einer satanischen Operation für den Missbrauch und die Entführung von Kindern sind.

„Ich weiß nichts über QAnon“, sagte er dazu zunächst. „Ich weiß, dass sie sehr gegen Pädophilie sind“, ergänzte der Präsident dann; und nur weil die Moderatorin Savannah Guthrie etwas dazu sage, sei das „nicht notwendigerweise eine Tatsache.“

Im Kongress hatten die Expertinnen ausgesagt, Online-Desinformation sei heute verbreiteter als je zuvor, werde immer raffinierter und geschickter sowie schwerer zu kontrollieren. Erwähnt wurden neuere Trend wie koordinierte Botschaften über mehrere Gruppen und Plattformen hinweg, Weißwaschen von Informationen mit Hilfe von vertrauenswürdigen lokalen Quellen und „versteckte Viralität“, bei der Desinformation in geschlossenen Bereichen verstärkt wird und deshalb kaum zu entdecken und zu entfernen ist.

Auch mögliche Lösungen trugen die Kongress-Gäste vor. Unter anderem ging es dabei darum, Section 230 neu zu formulieren, also den Paragrafen, der Internet-Plattformen von der Verantwortung für Inhalte befreit, die von ihren Nutzern stammen; alternativ könnten Steuererleichterungen für Sozialmedien-Unternehmen gestrichen und für ihre Angebote Mechanismen für mehr Verantwortlichkeit geschaffen werden.

Die Expertinnen empfahlen dringend veränderte Empfehlungsalgorithmen und nutzerfreundlichere Möglichkeiten, Fälle von Desinformation zu melden.

„In vielerlei Hinsicht sieht es aus, als hätten wir einen Schritt nach vorn gemacht und zwei rückwärts, wenn wir uns ansehen, wo wir heute im Vergleich zu vor vier Jahren stehen“, sagte Schiff in seinem Abschluss-Statement. Tatsächlich dauerte es danach nicht einmal einen Tag, bis Trump schon wieder die Freunde von Verschwörungstheorien umwarb.

(sma)