RNAi-Therapie direkt im Gehirn

Ein neues Verfahren könnte Patienten mit bislang noch unbehandelbaren Krankheiten wie Chroea Huntington helfen.

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Von
  • Susan Young

Ein neues Verfahren könnte Patienten mit bislang noch unbehandelbaren Krankheiten wie Chorea Huntington helfen.

Die US-Biotechfirma Alnylam hat eine neue Gentherapie auf Basis der RNA-Interferenz (RNAi) entwickelt, die direkt in den gewünschten Zellen wirkt und besonders langanhaltend sein soll. Dabei wird eine Spezialpumpe des Medizingeräteherstellers Medtronic eingesetzt, um den Wirkstoff auch in schwer erreichbare Regionen des Körpers zu bringen.

Die Patienten in der Studie haben eine genetische Erkrankung, die in der Leber entsteht und zur Anreicherung problematischer Proteine in mehreren Organen führt. Den Alnylam-Forschern zufolge kann ihr RNAi-Therapeutikum in der höchsten Dosis die Menge der unerwünschten Anlagerungen um fast 94 Prozent reduzieren. Das positive Ergebnis legt nahe, dass das Verfahren sich eines Tages auch zur Behandlung von Patienten mit einer ganzen Reihe genetischer Erkrankungen eignen könnte, die jetzt noch als unheilbar gelten, wie beispielsweise Chorea Huntington.

Mit der RNAi-Therapie soll es möglich werden, Gene selektiv auszuschalten. Dazu wird dem Patienten die sogenannte short interfering RNA, kurz siRNA, gespritzt. Im Falle des unerwünschten Proteins würde dieses dann erst gar nicht mehr produziert, weil die entsprechende Genfunktion nicht mehr aktiv würde. Die Spezifität der RNAi-Therapie interessiert Forscher deshalb seit langem. "Die heutigen Behandlungsformen gehen das Protein an, das die Krankheit auslöst und binden sich an dieses", erklärt Alnylam-Präsident Barry Greene. "Unsere Technik sorgt dafür, dass das Protein erst gar nicht produziert wird."

Ein ständiges Problem bei der RNAi bleibt aber, die siRNA an den korrekten Ort zu befördern. Allein für sich können die Moleküle im Blutkreislauf nicht überleben, weswegen man sie nicht einfach überall injizieren kann. "Die technische Hürde liegt darin, die siRNA in die gewünschten Zellen zu befördern", sagt Greene.

Eine der Möglichkeiten sind Nanopartikel, die die siRNA schützen und spezifisch ausliefern. Bei Erbkrankheiten, die im Gehirn entstehen, sorgt aber die Blut-Hirn-Schranke dafür, dass dies nicht einfach ist. Um sie zu überbrücken, setzt Alnylam deshalb nun auf eine andere Methode: die direkte Dosierung "unverpackter" siRNAs. Und genau hier hilft Medtronics Pumpe.

Bei Huntington-Erkrankten werden Nervenzellen durch ein toxisches Protein angegriffen, das wiederum durch ein verändertes Gen codiert wird. Die Idee ist, dass zumindest ein Teil der Protein-Produktion gestoppt werden könnte, um das Gehirn zu schonen.

Die Medtronic-Spezialpumpe wird bereits heute bei rund 250.000 Patienten eingesetzt, um chronische Schmerzen und spastische Anfälle zu behandeln. Das Gerät kombiniert eine Hydraulik mit einem Katheter, der im Unterleib eingesetzt werden kann. Die Pumpe drückt den Wirkstoff direkt in die Rückenmarksflüssigkeit. Im Fall von Huntington würde das Gerät so angepasst, dass sich ein Medikament tief in das Gehirngewebe einbringen lässt.

"Der Wirkstoff wird aktiv in das Gehirn gepumpt. Dieser Druck bewegt das Medikament weiter hinein, als es sonst mittels Diffusion möglich wäre", sagt Lothar Krinke, Manager des "Deep Brain Stimulation"-Projekts bei Medtronic.

In einer weiteren Studie zeigten die Forscher bereits, dass das Gerät siRNA in rund sechs Kubikzentimeter tiefes Hirngewebe eines Rhesusaffen ausliefern konnte. Die Untersuchung legt nah, dass die Infusion auch 28 Tage hintereinander noch ungefährlich ist. Das Huntingon-artige Protein, das der veränderte Affenkörper erzeugte, wurde so fast halbiert.

Medtronic arbeitet derzeit zusammen mit Alnylam daran, die Spezialpumpe in entsprechende klinische Studien zu übernehmen. Mittel dafür kommen unter anderem von der CHDI-Stiftung, die die Interessen von Huntington-Patienten vertritt. (bsc)