Raumanzüge für Weltraumtouristen

Ausflüge ins All sollen in den nächsten Jahren auch ganz normalen Menschen möglich werden. Gleich mehrere Firmen arbeiten daher an passenden "Space Suits", mit denen auch Untrainierte umgehen können sollen.

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Von
  • David Chandler

Hunderte von Menschen haben sich bereits vorab angemeldet: Virgin Galactic, das Weltraumtourismus-Unternehmen des Milliardärs Richard Branson, will bereits 2010 in suborbitale Regionen fliegen. Und Bransons Firma ist nicht das einzige Unternehmen, das mit einer großen Nachfrage für Kurztripps ins All rechnet: Der Raumtourismus, so scheint es, wird zur Boombranche.

Neben dem Bau des passenden Transportmittels ergeben sich dabei ganz praktische Fragen. Eine der wichtigsten: Was werden diese Weltraumtouristen tragen? Das US-Unternehmen Orbital Outfitters sucht aktuell nach einer Antwort: Die Firma arbeitet an einem Raumanzug, der speziell für den Weltraumtourismus gedacht ist. Dazu hat Orbital Outfitters einen Vertrag mit dem Raumfahrtunternehmen XCor Aerospace geschlossen, das selbst an Raketen und Raumfahrzeugen arbeitet. Neben den Raumanzügen soll auch andere Sicherheitsausstattung entstehen – Orbital Outfitters stellt das Equipment her und verleast es dann an XCor.

"Milliarden von Dollar fließen derzeit in die verschiedensten kommerziellen Weltraumfahrzeuge. Sie werden die unterschiedlichsten Menschen in den Weltraum transportieren", glaubt Rick Tumlinson, Präsident von Orbital Outfitters. Seine Firma werde dabei mithelfen, dies möglich zu machen: "Und zwar mit Stil und profitabel." Die ersten Entwürfe eigener Raumanzüge will das Unternehmen in Kürze vorlegen.

Die Anforderungen dabei sind ganz andere als bei der Technik, die etwa die NASA für Shuttle-Missionen verwendet. Die Touristen-Raumanzüge müssten flexibler, komfortabler und wesentlich billiger sein, gleichzeitig aber dennoch die Funktion eines Lebensretters im Vakuum des Raums bieten, sollte es zu Unfällen kommen, erklärt XCor-Präsident Jeff Greason.

Laut Greason wird bereits seit längerem an entsprechendem Equipment gearbeitet – die genauen Eigenschaften will aber weder er noch Orbital Outfitters-Mann Tumlinson verraten. Man setze auf "innovative Strategien", um die Bedürfnisse der Kundschaft zu erfüllen, heißt es aber. Klar ist beispielsweise, dass die Raumanzüge in mehreren Größen hergestellt werden und auch im Standardzustand angenehm zu tragen sein sollen. XCors "Xerus"-Raumfahrzeug wird auf etwa 100.000 Meter steigen – kommt es beim Ausflug in diese suborbitalen Regionen zu einem Druckverlust, muss sich der Raumanzug schnell genug aufpumpen, um den Nutzer am Leben zu erhalten.

Die bislang verfügbaren Raumanzüge seien nur für gut trainierte, hoch motivierte Astronauten entwickelt worden. Bei den neuen Weltraumfahrzeugen für Touristen müssten die neuen Modelle hingegen auch von Laien bedient werden können. XCor-Mann Greason hätte wie viele andere potenziell Interessierte auch noch ein ganz anderes Problem: Er ist zu rundlich. Da passt kein NASA-Anzug, was die Orbital Outfitter-Designer bedenken müssen.

Zwar gilt Druckverlust beim Weltraumtourismus als extrem unwahrscheinlich, doch eine Vorbereitung darauf sei dennoch wichtig. "Wir können uns nicht einfach sagen, dass dieses Problem niemals vorkommen wird", meint Greason. Ein großer Teil der Todesfälle bei Weltraumunfällen von NASA und Co. sei vermeidbar gewesen. Bei den Unfällen von Sojus 11 1971 (drei Tote) und Challenger 1986 (sieben Tote) hätten einige der Weltraumhelden womöglich überlebt, "wenn man ihnen die Druckanzüge gegeben hätte, die damals nicht alle Raumfahrer erhielten".

Doch XCor geht es um mehr als nur die notwendige Schutztechnik. Partner Orbital Outfitters soll Anzüge herstellen, die auch einen gewissen "Wow"-Faktor besitzen, schließlich will man die Weltraumausflüge an die ganz normale Öffentlichkeit vermarkten. Und vielleicht gibt es ja auch Menschen, die sich gar nicht in den Weltraum trauen, aber einen solchen Raumanzug besitzen wollen: Auch aus diesem Grund hat Orbital Outfitters den Hollywood-Designer Chris Gilman mit der Gestaltung beauftragt, der sonst realistische Weltraumanzüge für Kino- und TV-Produktionen kreiert.

Das erste Design namens "IS3" (für "Industrial Suborbital Space Suit") wurde geschaffen, um den Träger bei Druckverlust mindestens 30 Minuten lang in einer Höhe von 150.000 Metern am Leben zu erhalten. Hinzu komme gute Sicht und maximale Mobilität. "Und die Anzüge sind sehr komfortabel und sehen auch noch sehr gut aus", meint Gilman.

An die Vermarktbarkeit an Souvenirjäger wurde ebenfalls gedacht: Durch ein Komponentenmodell können Interessierte nur die äußere Schicht käuflich erwerben, die dann weniger teuer ist, als der Vollanzug. Orbital Outfitters plant später außerdem Merchandising-Produkt auf Basis des neuen Designs. Die innere Hülle des Druckanzugs wird immer gleich aussehen. Außen lassen sich aber beliebige Farben und Designelemente anbringen, so dass sich der Anzug auch an andere Weltraumtourismus-Agenturen verkaufen lässt.

Orbital Outfitters könnte an der Spitze einer ganzen Welle von Unternehmen stehen, die mit dem aufstrebenden Weltraumtourismus-Sektor wachsen möchten. Eine ganze Industrie könnte da entstehen, die die verschiedensten Produkte und Dienstleistungen für Hunderte von Weltraumtouristen jedes Jahr liefert. Bis zu einem halben Dutzend neuer kommerzieller Weltraumbahnhöfe sollen auf dem nordamerikanischen Kontinent in den nächsten Jahren entstehen – von Texas über Kalifornien, New Mexiko, Oklahoma, Florida bis hin zu Nova Scotia. Neben Virgin Galactic, dem Unternehmen von Richard Branson und dem "X-Prize"-Gewinner Burt Rutan ("SpaceShipOne"), wollen mindestens noch Blue Origin (begründet vom Amazon-Boss Jeff Bezos), Armadillo Aerospace (die Firma des Spieledesigners John Carmack) und SpaceX (ein Projekt des PayPal-Mitbegründer Elon Musk) ins All. Die Marktforschungsfirma Futron glaubt, dass es in den nächsten 15 Jahren eine Nachfrage von bis zu 15.000 suborbitalen Touristen-Flügen im Jahr geben könnte – jeweils 60 könnten gar in den Erdorbit aufbrechen. Die Umsatzerwartungen liegen bei bis zu einer Milliarde Dollar.

"Wir befinden uns in einer neuen Weltraum-Ära, die heute beginnt ", meint Tumlinson, dessen Firmenmotto vom Science-Fiction-Autor Robert A. Heinlein stammt: "Have space suit, will travel." Die ersten Raumanzüge sollen nächstes Jahr ausgeliefert werden.

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)