Robert Oppenheimer: "Es ist immer einfach, hinterher anzuklagen"

Als "Vater der Atombombe" wurde Robert Oppenheimer erst als Nationalheld gefeiert und dann als sowjetischer Spion verfemt.

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  • Jens Lubbadeh

Als "Vater der Atombombe" wurde Robert Oppenheimer erst als Nationalheld gefeiert und dann als sowjetischer Spion verfemt.

Julius Robert Oppenheimer wird am 22. April 1904 in New York geboren. 1925: Abschluss in Harvard mit "summa cum laude", ein Jahr später Forschungsaufenthalt in Göttingen. 1942 beginnt das "Manhattan Project", drei Jahre später Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

1946 wird Oppenheimer mit der"Medal of Merit" ausgezeichnet. 1947: Vorsitz des Beratungskomitees der US-Atombehörde. Zwei Jahre später Vorladung vor dem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe. Oppenheimer gilt als möglicher sowjetischer Spion. 1952 zünden die USA die erste Wasserstoffbombe. Oppenheimer stirbt am 18. Februar 1967 in Princeton an Kehlkopfkrebs.

Technology Review: Herzlichen Glückwunsch zum Enrico-Fermi-Preis, Herr Oppenheimer!

Robert Oppenheimer: Danke.

TR: Empfinden Sie Genugtuung?

Oppenheimer: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie zuvor als Spion der Sowjetunion denunziert wurden?

TR: Präsident Kennedy wollte Sie mit dieser Auszeichnung rehabilitieren.

Oppenheimer: Leider konnte er sie mir nicht mehr selber überreichen. Seine Ermordung vor einer Woche hat uns alle geschockt. Er war ein guter Präsident. In der Kuba-Krise hat er sich nicht von den Militärs zu hitzigen Aktionen hinreißen lassen und uns vor einem Atomkrieg bewahrt.

TR: Sie haben sich oft gegen Atomwaffen ausgesprochen, dabei sind Sie der "Vater der Atombombe". Bereuen Sie Ihr Werk?

Oppenheimer: Ich bin stolz darauf, mitgeholfen zu haben, den schrecklichsten Krieg der Menschheitsgeschichte zu beenden.

TR: Hätten die Japaner nicht ohnehin kapituliert?

Oppenheimer: Es hieß, dass Japan nur durch eine Invasion zu besiegen sei...

TR: ...und dafür mit einer Million Toten auf US-Seite gerechnet werden müsse. Wie Sie wissen, waren diese Zahlen übertrieben.

Oppenheimer: Das wussten wir damals nicht.

TR: War Ihnen klar, dass man die Bombe auch einsetzen würde?

Oppenheimer: Natürlich. Hören Sie auf, mir Verantwortungslosigkeit zu unterstellen! Das "Manhattan Project" hatte ein klares Ziel: einer deutschen Atombombe zuvorzukommen.

TR: Mit der Kapitulation Deutschlands verlor es also seine Daseinsberechtigung?

Oppenheimer: Der Krieg war noch nicht vorbei.

TR: ...und die Bombe nur wenige Monate vor ihrer Fertigstellung.

Oppenheimer: Wenn Sie jahrelang so intensiv an einem Projekt gearbeitet haben, dann können Sie es nicht einfach so aufgeben. Natürlich war ich neugierig.

TR: Was haben Sie empfunden, als Ihre Bombe Hiroshima zu Staub machte?

Oppenheimer: Ich war von tiefer Trauer erfüllt. Es ist eine Sache, eine Bombe zu bauen. Eine andere ist es zu sehen, wie sie Menschen tötet. Trotzdem glaubte und glaube ich, dass die Bombe uns vor Schlimmerem bewahrt hat.

TR: Hätte nicht eine Demonstration ausgereicht?

Oppenheimer: Und wenn sie ein Rohrkrepierer gewesen wäre? Die Japaner hätten uns doch ausgelacht.

TR: Das haben Sie damals auch den Militärs gesagt. Komisch, denn Sie hatten bereits einen erfolgreichen Test in der Wüste von New Mexico gemacht.

Oppenheimer: Das gab uns keine Sicherheit. Die Trinity-Bombe war aufgrund des Zeitdrucks schnell zusammengeschustert worden. Wir hatten viele Probleme. Spaltbares Material herzustellen war extrem schwierig.

TR: Sie haben sowohl mit Uran-235 als auch mit Plutonium-239 gearbeitet. Warum?

Oppenheimer: Beide hatten Vor- und Nachteile. Plutonium herzustellen war leichter, aber es ist unzuverlässiger. Wir mussten zwei Bombendesigns verfolgen: Das Kanonenrohr-Prinzip, wobei im Inneren der Bombe ein Teil des spaltbaren Materials mit dem übrigen beschossen wird. Stoßen sie aufeinander, entsteht die kritische Masse, die Bombe detoniert. Diese Methode funktioniert nur mit Uran. Die zweite Möglichkeit: eine unterkritische Masse in einer Kugel durch eine Explosion zu einer kritischen zu verdichten.

TR: Eine Implosionsbombe...

Oppenheimer: Genau. So wie Trinity. Sie ist sicherer und funktioniert mit Uran und Plutonium. Aber sie war viel schwieriger zu konstruieren.

TR: Über Hiroshima warfen Sie eine Kanonenrohr-Bombe ab. Wieso haben Sie ein Design verwendet, das Sie nicht getestet hatten?

Oppenheimer: Es war idiotensicher. Der erste Schuss musste sitzen, denn danach hatten wir kein Uran mehr.

TR: Der zweite Schuss war also eine Plutonium-Bombe.

Oppenheimer: Ja. Sie funktionierte nach dem Implosionsprinzip.

TR: Am 31. Mai 1945 nahmen Sie an einer geheimen Regierungssitzung teil und machten den Militärs genaue Angaben, in welcher Höhe sie die Bombe zünden sollten, um maximale Zerstörung zu erreichen.

Oppenheimer: Es ist immer einfach, hinterher anzuklagen.

TR: Waren die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki in Wahrheit nicht auch eine Machtdemonstration gegenüber dem neuen Gegner – der Sowjetunion?

Oppenheimer: Ja. Aber das wurde mir erst später bewusst.

TR: Gefiel Ihnen das nicht? Schließlich wurden Sie nach Ende des Krieges plötzlich zum Atomwaffen-Gegner.

Oppenheimer: Diese Waffe in der Hand eines einzigen Landes war ein zu großes Risiko. Ich entwarf einen Plan, um die gesamte Atomwissenschaft unter internationale Aufsicht zu stellen. Das Ziel war eine atomwaffenfreie Welt.

TR: Sie hatten übersehen, dass der Kalte Krieg schon begonnen hatte.

Oppenheimer: Ja. Der Plan scheiterte an den Sowjets. Aber auch an Truman. Er glaubte, wir würden unser Atombomben-Monopol behalten können.

TR: Dabei hatte Stalin Spione im Manhattan Project. Die Sowjets bauten längst an einer eigenen Bombe.

Oppenheimer: Ja. 1949 hatten sie schon eine.

TR: Sie waren auch gegen die Wasserstoffbombe.

Oppenheimer: Ich war berühmt, mein Wort hatte Gewicht. Damit machte ich mir viele Feinde. Unter anderem den Vorsitzenden der Atombehörde, die ich damals beriet.

TR: Es wurden Rufmord-Kampagnen gegen Sie gestartet. Sie galten als Sicherheitsrisiko für das Land.

Oppenheimer: Und irgendwann war ich für sie ein Spion der Sowjets. Diese Leute haben mein Leben zerstört.

TR: Aber als junger Mann hatten Sie doch Kontakte zu Kommunisten?

Oppenheimer: In den 20ern und 30ern hatten den viele Intellektuelle. Der Kommunismus war eine neue Idee und versprach Lösungen. Trotzdem war ich niemals Kommunist.

TR: Nun sind Sie rehabilitiert. Dank Kennedy.

Oppenheimer: Ich hoffe, es kommen bessere Zeiten. Wir haben gerade die Kuba-Krise überstanden, die Welt stand am Rand eines Atomkriegs. Wir müssen diese fürchterlichen Waffen unter internationale Aufsicht stellen. Das ist der einzige Schutz.

TR: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Oppenheimer. (jlu)