Roboter erobern Südkoreas Alltag
Südkorea hat den Einsatz von Lieferrobotern erlaubt. Ein Start-up nutzt das, um sein Modell vorzuführen. Automatisierung gibt es auch bei Grillbars.
- Martin Kölling
In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul surrt die Zukunft der Logistik auf vier Rädern herum. Seit Anfang November liefert der kleine Transportroboter Neubie des Start-ups Neubility im Stadtteil Teheran-ro Bestellungen aus. Möglich wurde dieser Ausbruch aus den bisherigen Testgebieten durch das überarbeitete Gesetz zur Entwicklung und Bereitstellung intelligenter Roboter, das am 17. November in Kraft getreten ist.
Das neue Gesetz erlaubt es Geschäftsleuten, Roboter im Freien für Lieferungen, Patrouillen und andere Zwecke einzusetzen. Die frühzeitige Zulassung dieser Roboter unterstreicht den Willen der südkoreanischen Regierung, die Serviceroboterindustrie als eine Säule der Industriepolitik zu fördern. Anfang des Jahres verabschiedete die Regierung ihre Strategie "Neues Wachstum 4.0", mit der sie 15 Wirtschaftssegmente fördern will, von Autobatterien über Flugtaxis bis hin zu Mondflügen.
Für Logistikroboter gibt es sogar konkrete Zeitpläne. Lieferroboter sollen spätestens 2025 zur neuen Normalität in Südkorea gehören, Drohnenflüge bis 2027. Neubie ist im Rennen um die letzten Meter vom Geschäft zum Kunden ganz vorne mit dabei. Denn das vor sieben Jahren gegründete Unternehmen glaubt, eine Methode für wirtschaftlich konkurrenzfähige Roboter entwickelt zu haben.
Kamera statt Laserimpulse
Anders als andere Anbieter der neuen Geräteklasse setzen die Koreaner zur Orientierung nicht auf teures Lidar, das ähnlich wie ein Radar mit Laserimpulsen die Umgebung abtastet. Der japanische Lieferroboter Deliro von ZMP kostet wegen dieser Technik immerhin zwei Millionen Yen (13.000 Euro) in der Anschaffung und weitere 800 Euro Monatsmiete. Stattdessen setzt das Start-up auf die auf mehreren Kameras basierende V-SLAM-Technologie.
Die Abkürzung V-Slam steht für Visuelle Simultane Lokalisierung und Kartierung mit mehreren Kameras. Unterstützt durch Karten, weitere Sensoren und eine intelligente Erkennungs- und Ausweichlogik soll das System nach Angaben der Entwickler ähnlich präzise wie Lidar-basierte Roboter durch den Fußgänger- und Straßenverkehr navigieren können.
Mit dem Konzept konnte das Unternehmen nicht nur südkoreanische Großkonzerne wie Samsung und den Telekommunikationsriesen SK Telecom als Investoren gewinnen, sondern auf der US-Elektronikmesse CES auch einen Innovationspreis. Auch andere Unternehmen wie die japanische Convenience-Kette 7-Eleven testen die autonomen Minilaster.
Roboter frittiert Hähnchen
Selbst die Politik ist auf das Unternehmen aufmerksam geworden. Beim Besuch des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol in Saudi-Arabien war Neubility mit dabei und präsentierte Neubie. Aber nicht nur auf der Straße macht die Robotik Fortschritte. Doosan Robotics, der größte Hersteller von kollaborativen Robotern in Südkorea und Teil der Doosan-Gruppe, gab im November bekannt, dass er der Restaurantkette Kyochon kollaborative Roboter zum Frittieren von Hähnchen liefern wird.
Dabei handelt es sich um eine Frittierzeile mit einem fest installierten Roboterarm, der gleichzeitig sechs Ölbehälter mit bis zu 480 Hähnchenstücken handhaben kann. Die Entwicklung hat ein beträchtliches Marktpotenzial in einem Land, in dem frittiertes Hähnchen sehr beliebt ist. Schätzungen gehen von 50.000 bis 87.000 Hähnchenrestaurants aus. Umgerechnet auf die Bevölkerung bedeutet dies mindestens eine Frittenbude pro 1.000 Einwohner. Ein wachsender Teil davon gehört zu Franchise-Ketten, die immer nach Möglichkeiten suchen, die Betriebskosten zu senken. Kyochon beispielsweise betreibt landesweit 1.370 Filialen.
Der Elektronikkonzern LG Electronics hat gerade eine zweitägige Demonstration eines selbstfahrenden Roboters mit dem Stahlkonzern Posco abgeschlossen, der ebenfalls künstliche Intelligenz zur Navigation und Objekterkennung einsetzt. Posco möchte Roboter für die Anlagendiagnose an gefährlichen Arbeitsplätzen einsetzen.
(bsc)