Roboter findet selbst den Weg

Einst dienten die Priscilla-Katakomben in Rom als Grabstätten für die Toten, aktuell sind die unterirdischen Gänge ein Testgelände für einen autonomen Roboter eines EU-geförderten Projekts.

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Einst dienten die Priscilla-Katakomben in Rom als Grabstätten für die Toten, aktuell sind die unterirdischen Gänge ein Testgelände für einen autonomen Roboter eines EU-geförderten Projekts.

Mit 30 Zentimetern pro Sekunde rollt der Roboter durch die dunklen Tunnel. Stück für Stück bringt ihn sein Kettenantrieb voran. Ein Scheinwerfer an der Front des Gefährts wirft Licht voraus. In den Wänden sind flachen Nischen. Vom zweiten bis zum fünften Jahrhundert nach Christus bestatteten hier die Christen ihre Toten, viele Märtyrer waren darunter. Von der Geschichte ahnt der Roboter jedoch nichts. Für ihn ist es wichtig, sich zu orientieren. Dass er das völlig selbstständig kann, haben ihm unter anderem Cyrill Stachniss und seine Mitarbeiter an der Universität Bonn beigebracht. Der Roboter namens Matilda ist das Herzstück für das archäologische Kartierungsprojekt ROVINA in Roms Untergrund. Für viele Archäologen könnte er künftig einspringen, wenn es für sie zu gefährlich wird.

In den Priscilla-Katakomben konnte Matilda erstmals im vergangenen Jahr ihr Können und ihren Orientierungssinn beweisen. Seitdem hat sie mehrere Kilometer der nur rund 60 bis 70 Zentimeter breiten Gänge kartiert. Im insgesamt 13 Kilometer langen Netz bilden sie über mehrere unterirdische Ebenen das Katakomben-System. Einzelne Bereiche sind einsturzgefährdet. An anderen Stellen konzentriert sich das radioaktive Edelgas Radon. Menschen konnten dem Roboter vor Ort somit nur wenig Hilfe leisten. "Deswegen war unser Ziel ein autonomer oder halb-autonomer Roboter, der aus der Ferne überwacht werden kann", erklärt Cyrill Stachniss, Leiter der Abteilung für Photogrammetrie an der Uni Bonn. Während die italienische IT-Firma Algorithmica drei Roboterprototypen baute, entwickelten Stachniss und seine Kollegen die Algorithmen, mit denen sich die Roboter orientieren.

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Ausgestattet ist der Roboter Matilda mit einer Vielzahl an Sensoren. Drei Kameras, die für interaktive Spielekonsolen genutzt werden können, erfassen dabei die Tiefeninformationen der Umgebung. Sie scannen die Tunnel 20 Mal in der Sekunde ab. Zusammen mit den Bewegungsdaten und den Daten von Trägheitssensoren verarbeitet der Roboter diese Informationen onboard und berechnet daraus in Echtzeit eine 3D-Karte der Katakombe. Mithilfe dieser Karte steuert sich das System selbst durch die Tunnel – und schließt immer wieder Schleifen. Die Software ist so programmiert, dass der Roboter in regelmäßigen Abständen zu einem bekannten Punkt zurückkehrt, um Karten mit möglichst hoher Genauigkeit zu erstellen. Durch das mehrfache Anlaufen von Punkten kann der Roboter mögliche Fehler oder Ungenauigkeiten in den Kartendaten erkennen und korrigieren.

Die Daten der 3D-Karte werden bei derselben Fahrt für ein digitales Modell mit weiteren Informationen angereichert. Damit können Archäologen später den Zustand der Katakomben dokumentieren und Erhaltungsmaßnahmen planen. Sieben weitere Kameras kommen dafür auf dem Roboter zum Einsatz. Sie decken jeweils einen Winkel von 60 Grad ab, sodass sich die Aufnahmen überlappen. "Auf diese Weise entsteht im Postprocessing, das die Universität Leuven übernimmt, eine hochgenaue digitale Rekonstruktion der Katakomben", erklärt Stachniss, der das mit 3,5 Millionen Euro von der EU-geförderte Projekt leitet. Das 3D-Modell kann dann sowohl für die Forschung als auch für die Öffentlichkeit als eine Art Online-Sehenswürdigkeit genutzt werden.

Mit seinem Kettenantrieb kommt der Roboter in den römischen Katakomben voran.

(Bild: Universität Bonn )

Mit dem Projekt in den Priscilla-Katakomben wollen die Wissenschaftler gewissermaßen eine Bauanleitung für Archäologen bieten, um mit verhältnismäßig günstigen Consumer-Geräten eine eigene Roboter-Plattform für archäologische Stätten herzustellen. "Auch die Navigationssoftware soll später freigegeben werden, damit sie Forscher für ihre Kartierungsprojekte nutzen können", erklärt Stachniss weiter. Bis es soweit ist, hat Matilda aber noch Einsätze in den Priscilla-Katakomben vor sich. Die Prozesse bei der Navigation in Echtzeit sollen noch verbessert werden.

(jle)