Helfende Hände aus den Forschungsschmieden

Die Forschung an humanoiden Robotern hat sich bislang auf grundlegende Probleme konzentriert - ohne Rücksicht auf Design, Effizienz und Kosten. Nun sollen leichtere und ausgeklügeltere Bauteile helfen, den Verbrauchermarkt zu erschließen.

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Von
  • Tom Simonite

Die Forschung an humanoiden Robotern hat sich bislang auf grundlegende Probleme konzentriert - ohne Rücksicht auf Design, Effizienz und Kosten. Nun sollen leichtere und ausgeklügeltere Bauteile helfen, den Verbrauchermarkt zu erschließen.

Atlas ist eines der Wunderwerke der modernen Robotik. Der Humanoide kann über Geröll klettern und mit Werkzeugen hantieren. Billig war seine Entwicklung allerdings nicht. Boston Dynamics, zunächst vom US-Militär gefördert und Ende 2013 dann von Google gekauft, hat mehr als eine Million Dollar in den Bau des zweibeinigen Roboters investiert. Dessen Betrieb ist auch nicht gerade günstig: Atlas hat eine elektrische Leistung von stolzen 15 Kilowatt. „Damit kann man schon einen kleinen Straßenblock mit Elektrizität versorgen“, sagt Alexander Kernbaum, Ingenieur bei SRI International, einer Non-Profit-Forschungseinrichtung. „Atlas müsste viel effizienter werden, um wirklich praktisch einsetzbar zu sein.“

Kernbaum ist Mitglied eines SRI-Teams, das sich vorgenommen hat, Roboter wie Atlas effizienter und billiger zu machen. Finanziert wird das Projekt von der DARPA, der Forschungsbehörde des US- Verteidigungsministeriums. Ziel ist es, den Stromverbrauch auf ein Zwanzigstel zu drücken, so dass er am Ende nicht viel mehr verbraucht als eine Mikrowelle. Bei gleicher mechanischer und Rechenleistung wie bisher.

Wie das gehen könnte, darüber schweigt sich SRI bislang aus. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die Forscher etwa bei Atlas an der Hydraulik ansetzen, die die Gelenke bewegt. Sie könnten durch leichtere und billigere elektrische Bauteile ersetzt werden. In dieser Richtung werde in der Robotik derzeit viel gearbeitet, sagt Rich Mahoney, Direktor für Robotik bei SRI. „Wir haben viele überdesignte Dinge, weil auf niedrige Kosten und gutes Design nicht sehr geachtet wurde.“

Im Vordergrund der Forschung habe bislang gestanden, erst einmal grundlegende Fragen zu beantworten, etwa ob man funktionierende, bewegliche Humanoide überhaupt bauen könne, sagt Mahoney. „Es ging darum: ‚Ist das möglich?’.“ Diese Frage sei nun beantwortet, so dass es an der Zeit sei, die Kosten der Einzelteile in den Armen, Beinen und Händen von Robotern herunter zu bekommen, damit diese sich auch kleine Unternehmen und Verbraucher leisten könnten. „In diesem Segment gab es bisher nichts.“

Fortschritte auf diesem Gebiet könnten einen neuen Markt für Service-Robotik eröffnen, erwartet Melonee Wise, CEO von Unbounded Robotics. Hier gehe es um Aufgaben, die bislang von Menschen erledigt wurden. „Das bedeutet: Roboter müssen mit Sinneswahrnehmungen ausgestattet und in komplexen Arbeitsumgebungen operieren, zum Beispiel Dosen in einen Kühlschrank einräumen können.“

Das Vorzeigemodell dieser Entwicklung ist derzeit Baxter, ein roter Industrieroboter von Rethink Robotics. Der 22.000 Dollar teure zweiarmige Gehilfe kann Bewegungsabläufe lernen, indem man ihn buchstäblich bei der Hand nimmt. Unbounded Robotics hat ein vergleichbares Modell entwickelt, den einarmigen URB-1, der 35.000 Dollar kostet. Er soll wie Baxter in Lagerhäusern und anderen Arbeitsumgebungen Seite an Seite mit Menschen arbeiten. Sowohl Baxter als auch der URB-1 könnten bereits mit einfachen Greifern und dem derzeitigen Stand der Technik bei Roboterarmen eine Menge leisten, sagt Wise.

Wenn nun noch die Kosten sinken, könnte das der Technologie einen ordentlichen Schub geben. Verschiedene Projekte aus dem DARPA-Programm ARM-H haben bereits kostengünstige Konzepte hervorgebracht. Sie könnten Baxter oder den URB-1 in die Lage versetzen, noch mehr Aufgaben zu übernehmen. So hat der Hersteller des Robo-Staubsaugers Roomba, iRobot, gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universitäten Harvard und Yale eine dreifingrige Hand entwickelt, die einen Basketball halten, aber auch einen flach auf dem Tisch liegenden Schlüssel greifen kann.

Würde diese Roboterhand in Tausender-Stückzahlen produziert, könnten die Kosten bei 3000 Dollar liegen, sagt Mark Claffee, leitender Ingenieur bei iRobot. „Das ist eine enorme Veränderung“, findet Claffee. Denn bislang muss man für Roboterhände mit vergleichbaren Fähigkeiten mindestens 35.000 Dollar hinlegen.

IRobot konnte den Preis unter anderem dadurch senken, dass in den Gelenken Gummi mit eingebaut wird. Die Hand bekommt dadurch eine Rückfederung, so dass nicht für jeden Griff die genaue Position eines Gegenstands berechnet werden muss. Auf die Kosten wirkt sich ebenfalls aus, dass die Hand nur noch drei statt fünf Finger hat. Kleine Objekte werden mit zwei einander gegenüberliegenden Fingern gegriffen, größere Objekte mit allen dreien.

„Die Manipulation von Gegenständen ist das A und O“, sagt Claffee. IRobot hat auch Telepräsenz-Geräte wie Ava 500 konstruiert. „Nun stellen Sie sich vor, Ava 500 könnte irgendwann auch noch Dinge in die Hand nehmen.“ Claffee arbeitet nun daran, einige Designprinzipien von der Hand auf einen Roboterarm zu übertragen.

Dann könnten Roboter irgendwann auch in viel unübersichtlicheren Umgebungen operieren als Baxter. „Solche Roboter sind zwar leistungsfähig, aber immer noch teuer und für industrielle Anwendungen entworfen“, so Claffee. „Um auch für Verbraucher interessant zu werden, müssen wir die Kosten erheblich senken und die Operation in unstrukturierteren Alltagsumgebungen ermöglichen.“

SRI International war ebenfalls am ARM-H-Programm der DARPA beteiligt. Die Roboterhand, die dabei herauskam, funktioniert mit einem billigeren, leichteren und effizienteren Greifmechanismus: Elektrostatische Kräfte lassen die Gelenke in einer Position einrasten. Damit kann ein einziger Motor alle drei Gelenke eines Roboterfingers steuern. „Auf diese Weise könnten wir zu Lösungen kommen, die unter tausend Dollar liegen“, sagt Mahoney. Damit könnte die Robotik endgültig im Verbrauchermarkt ankommen. (nbo)