Rückkehr zur plastischen Pracht

"Journey to the Center of the Earth 3D" zeigt, was Hollywood in Sachen Dreidimensionalität inzwischen leisten kann.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Kate Greene

Immer mehr Menschen stellen sich eindrucksvolle Home-Entertainment-Systeme ins Wohnzimmer – mit hochauflösenden Flachbildschirmen, Blu-Ray-Zuspielern und Surround-Komponenten. Da ist der Kinobesuch eigentlich fast nicht mehr notwendig.

"Journey to the Center of the Earth 3D", ein Streifen, der im Juli in den USA in die Lichtspielhäuser kam, versucht nun, die Zuseher mit Mitteln anzulocken, die man im eigenen Heim noch nicht nachbilden kann: Der Möglichkeit, den mit viel Action und bekannten Schauspielern versehenen Film vollständig dreidimensional zu betrachten. Es ist der erste komplett digital gefilmte 3D-Streifen mit echten Schauspielern in Spielfilmlänge. Die technische Umsetzung war entsprechend komplex.

Heutige 3D-Filme sind völlig anders als das, was man in den Fünfzigerjahren, die allgemein als goldene Zeit der plastischen Kinopracht gelten, kannte. Regisseure moderner 3D-Filme brauchen keine "Schlag auf die Nase"-Mätzchen mehr, um den Zuseher den dreidimensionalen Effekt spüren zu lassen – ihre Zweifach-Kameras setzen massiv auf Echtzeit-Fehlerverbesserungs-Software und die Cutter nutzten modernste Bildverarbeitungsalgorithmen, um Artefakte zu entfernen, die beim stereoskopischen Filmen entstehen.

Hinzu gesellen sich verbesserte Projektoren, neuartige Leinwände und 3D-Brillen in hoher Qualität, erklärt John Lowry, Gründer von Lowry Digital im kalifornischen Burbank. Die Firma hat "Journey" digital nachbearbeitet, bevor der Streifen in die Kinos kam. Mit hohem Aufwand wird dabei das 3D-Erlebnis verbessert, indem der so genannte Jitter reduziert wird – die Bewegungsunterschiede zwischen den Bildern für das rechte und linke Auge, die früher durchaus für Kopfschmerzen sorgen konnten. "3D zu schauen ist heute viel leichter", sagt Lowry.

Die meisten modernen 3D-Kinofilme sind computeranimiert. Veränderungen sind so recht einfach vorzunehmen. Streifen mit echten Schauspielern sind da schon deutlich schwieriger, wie Vince Pace, Gründer der Kamerafirma PACE, erläutert, die das Equipment für "Journey" lieferte. Der Filmprozess muss so ablaufen, dass er für die Schauspieler so wenig störend wie möglich ist. Mit anderen Worten: Die Technologie muss beim Dreh ständig funktionieren – Kameraleute können nicht plötzlich etwas verändern, wenn die Klappe gefallen ist.

Am wichtigsten ist dabei die Kamera. Die Technik der Stereoskopie existiert bereits seit 100 Jahren und viele der grundlegenden Tricks sind lange bekannt, sagt Pace. "70 Prozent der Gleichung, die ein 3D-Filmer lösen muss, sind bekannt: Man verwendet zwei Kameras, bindet diese irgendwie zusammen und schon kann man loslegen." Doch die restlichen 30 Prozent seien eben die Feinheiten.

Pace erklärt, dass beim stereoskopischen Filmen beide Linsen rund 6,3 Zentimeter auseinander stehen sollten, was ungefähr der Distanz zwischen den menschlichen Augen entspricht. Die linke Kamera sammelt dabei die Informationen für das linke Auge und die rechte Kamera für das rechte. Doch die Linsen zweier getrennter Kameras können nicht näher zusammengebracht werden als knapp 15 Zentimeter – der Grund sind Beschränkungen ihrer physikalischen Gehäuse. Das Problem umgehen PACE und viele anderen 3D-Filmfirmen, in dem sie nur durch eine Linse direkt filmen, aber mit einen Spiegel, der rund 6,3 Zentimeter von der ersten Linse entfernt liegt, ein versetztes Bild auf eine zweite, weiter entfernt liegende Linse projizieren. Das reflektierte Bild muss dann vor dem Schnitt nur noch umgedreht werden.

Der nächste Schritt ist, sicherzustellen, dass die Kameras ständig miteinander koordiniert werden, damit die Bilder, die sie aufnehmen, sich nicht allzu radikal voneinander unterscheiden – etwa in Sachen Zoom und Schärfe. Die Kameras bei "Journey" waren deshalb mit einer Spezialsoftware untereinander vernetzt, die das Eingangssignal beider Linsen ständig überwachte und die Einstellungen dynamisch anpasste, damit alles stimmte. Die Software kontrolliert dazu zahlreiche Parameter: Zoom, Schärfe und Blende, den Bildausschnitt beim Zoom und den relativen Winkel beider Kameras.

Nachdem "Journey" im Kasten war, hatten die Macher grundsätzlich zwei Filme vor sich: Einer für das rechte Auge und einer für das Linke. Lowry bereinigte die Aufnahmen dann um Artefakte, die beim Filmen in 3D unweigerlich entstehen: Weil die eine Kamera direkt filmt und die zweite über die Reflektion eines Spiegels, entsprechen die Bilder sich einander nicht gänzlich. Die Reflektion verliert etwas an Licht und hat deshalb eine grundsätzlich geringere Auflösung als das direkte Bild. Mit Hilfe von 720 auf Bildbearbeitung spezialisierten Rechnern wird der Datei, die das reflektierte Bild enthält, dann mehr Auflösung verpasst. Dazu werden Informationen aus doppelt vorkommenden Einzelbildern entnommen. "Man kann solche Details aus Körnung und Rauschen der Kamera schließen", sagt Lowry.

Störsignale sind ein weiteres wichtiges Problem, insbesondere dann, wenn die Lichtbedingungen schlecht sind und die Aufnahme des digitalen Sensors schwach ist. Bei "Journey" kam das öfter vor, weil in einigen Szenen nur die Scheinwerfer, die direkt auf die Schauspieler gerichtet waren, für Beleuchtung sorgten. Wenn dann ein Teil einer Szene aufgrund von Störungen eine grobe Körnung aufweist und der andere hingegen dank ordentlicher Beleuchtung ordentlich aussieht, kann der 3D-Effekt verloren gehen oder, was noch schlimmer wäre, den Betrachter sogar in seinem Filmgenuss stören. Um das Problem zu lösen, ergänzt die von Lowry verwendete Bildverarbeitungssoftware fehlende Auflösung in Einzelbildern, deren dunklere Bereiche zu schlecht sind.

Trotz all der technischen Herausforderungen, die die 3D-Technik besitzt, investiert Hollywood derzeit massiv in das Genre. Allein 2008 gab es laut Lowry sechs professionelle 3D-Filme, 2009 sollen es sogar 17 sein. "Wir befinden uns in einer Wachstumsphase, die durchaus beachtlich ist." Im Wohnzimmer funktioniert 3D eben noch nicht. (bsc)