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San Francisco hat nur noch Restmüll

Ben Schwan

Das Tor zum Silicon Valley hat ein aggressives Recyclingprogramm gestartet. Die Vision: Zero Waste.

In San Francisco leben derzeit 865.000 Menschen, mit den umliegenden Gemeinden sind es über 4,6 Millionen. Und für die nächsten Jahrzehnte ist erhebliches Wachstum vorhergesagt, denn die Region zieht Menschen aus der ganzen Welt an. Die kalifornische Metropole, die als Hauptstadt der High-Tech-Region Silicon Valley gilt, produziert entsprechend viel Müll, der wie üblich auf Deponien gelagert oder in Müllverbrennungsanlagen eingeäschert werden muss.

Wenn es nach der Stadtverwaltung geht, wird die Menge an Abfall, der aufgeschüttet oder vernichtet werden muss, in den kommenden Jahren aber deutlich abnehmen – trotz der anschwellenden Bevölkerungszahl. Die Politiker haben 2002 eine Initiative namens "Zero Waste" ausgerufen. Jetzt geht die Initiative auf die letzte Etappe: 2020 sollen 100 Prozent Kreislaufökonomie erreicht sein.

Jeff Gunn / Flickr / cc-by-2.0

Die Golden Gate Bridge in San Francisco.

(Bild: Jeff Gunn / Flickr / cc-by-2.0 [1])

Schon jetzt bringt Recology, die beauftragte private Firma in Arbeitnehmerhand, einen Großteil des Mülls in die Wiederverwertung: Papier, Dosen und Plastikflaschen. Sämtliche organischen Materialien werden kompostiert und als Dünger – etwa an die Winzer – verkauft. Auch für die Baubranche gilt, dass ausschließlich recycelte Materialien für die Straßendecken verwendet werden. Schon jetzt landet anteilig weniger Müll auf der Kippe als in jeder anderen Stadt der Vereinigten Staaten.

Außerdem untersagte San Francisco den Verkauf von kleinen Plastikflaschen sowie die Ausgabe kostenloser Plastiktüten in Geschäften. Als größte Hürde aber erweisen sich die restlichen 20 Prozent auf der Zielgeraden: Wegwerfwindeln gehören zur letzten großen Herausforderung. "Wir müssen zum Einsatz von wiederverwertbaren Windeln kommen", sagt Recology-Sprecher Robert Reed, "denn diese Art des Abfalls lässt sich nicht recyceln."

Derrick Coetzee / Wikipedia / CC0

Recycling-Anlage von Recology.

(Bild: Derrick Coetzee / Wikipedia / CC0 [2])

Derzeit arbeiten Recology und die Stadtverwaltung an einer besseren Aufklärung der Bürger: Wie sich herausstellte, könnte die Hälfte des von den Menschen in die Restmüll-Tonne entsorgten Abfalls recycelt werden. Ist dieses Ziel erreicht, müssten nur noch 10 Prozent des Mülls tatsächlich auf die Deponie.

Weitere Schritte plant der Gesetzgeber: Er soll, wenn möglich in ganz Kalifornien, ein sogenanntes Producer Responsibility System einführen. Dabei müssen Hersteller das Recycling in ihren gesamten Produktionsprozess einbauen, den sogenannten Product Lifecycle also deutlich umweltfreundlicher gestalten. Wenn sie nicht freiwillig mitmachen, sollen sie dazu gezwungen werden.

San Francisco hat nicht das Image einer sauberen Stadt.

San Francisco hat nicht das Image einer sauberen Stadt.

(Bild: Fabien CAMBI / Flickr / cc-by-2.0 [3])

Damit Zero Waste funktioniert, müssen möglichst viele schlecht wiederverwert- oder kompostierbare Stoffe aus dem Wirtschaftskreislauf eliminiert werden. Recology will zudem in verbesserte Anlagen investieren. Das Hauptwerk am Pier 96 wird laut einem Bericht der "New York Times" bald für elf Millionen US-Dollar auf den neuesten technischen Stand gebracht. Einer der Gründe dafür sei auch, dass die Müllmengen durch den boomenden Online-Handel weiter zunehmen.

Beim Recycling setzt Recology noch stark auf menschliche Experten, die in einer gigantischen Halle den ankommenden Müll klassifizieren. Die Kompostierung ist das zweite wichtige Standbein von Recology. Hier gilt San Francisco als "Weltklasse". Nahrungsmittelabfälle werden dabei zu feinem, kaffeemehlartigem Dünger, den Landwirte aufkaufen.

Besonders teuer muss Zero Waste übrigens nicht sein. Für die Müllentsorgung zahlt man in San Francisco ähnlich viel oder weniger als in anderen großen Städten der Bay Area – obwohl teils deutlich mehr recycelt und/oder kompostiert wird.

Laut "New York Times" stammt die Idee für die Recology-Großanlage übrigens aus Europa – genauer aus Deutschland, wo man Recycling und Kompostierung schon seit den Achtzigerjahren pflegt. (bsc [4])


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[3] https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/
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