Scharfes vom Himmel

Ein kommerzielles Unternehmen will einen Satelliten starten, dessen Bilder so detailgetreu sind, dass nur das US-Militär und die amerikanischen Geheimdienste die Aufnahmen höchster Auflösung erhalten.

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Von
  • Lissa Harris

Ein kommerzielles Unternehmen will demnächst einen neuen Satelliten in eine Erdumlaufbahn schießen lassen, der Farbbilder unseres Planeten herstellen kann, die so hoch aufgelöst sind, dass nur das US-Militär und die amerikanischen Geheimdienste die Aufnahmen höchster Auflösung erhalten. Der neue Erdtrabant namens GeoEye-1 wird Bilder mit etwas geringerer Detailtreue jedoch für die Wirtschaft und die Forschung zur Verfügung stellen. So könnten auch kostenlose Online-Dienste wie Google Earth davon profitieren.

Der Starttermin von GeoEye-1 ist für den 22. August vorgesehen, die Rakete wird von der Vandenburg Air Force Base in Kalifornien abheben. Die Optik des Satelliten soll Objekte unterscheiden können, die nur 0,17 Quadratmeter groß sind. Die besten Bilder, die derzeit vom GeoEye-Wettbewerber DigitalGlobe erhältlich sind, lösen hingegen nur Objekte mit einer Größe von 0,36 Quadratmetern auf.

"Wir können einen Beachball sehen, der nur 40 Zentimeter im Durchmesser hat", erklärt GeoEye-Chef Matt O'Connell. Dies bedeute einen "Ground Truth"-Wert von drei Metern – ein Messmerkmal, das besagt, wie genau Satellitenbilder zu den GPS-Navigationsdaten passen, die auf der Erde genommen wurden. QuickBird, der DigitalGlobe-Satellit, erreicht hingegen nur 27 Meter.

GeoEye-1 verdankt seine Genauigkeit verbesserten Star-Tracker-Systemen. Diese Sensoren erlauben es, die genaue Position anhand der Sterne zu berechnen. Die verwendete Technik wurde vom Hersteller Ball Aerospace ursprünglich für Militäranwendungen entwickelt und erhielt erst kürzlich eine Zulassung für die kommerzielle Nutzung.

Obwohl US-Bundesgesetze verhindern, dass Satellitenfirmen Bilder mit Auflösungen von weniger als 0,25 Quadratmetern verkaufen, wird GeoEye-1 laut O'Connell trotzdem die bislang besten Farbaufnahmen für kommerzielle Anwendungen liefern können. Auf diesen Bildern lassen sich Menschen erkennen oder Unterscheidungen zwischen LKW und Panzer vornehmen.

GeoEye-1 nimmt Farben aus vier Wellenlängen auf: Blau, Grün, Rot und Nahinfrarot. Der Satellit kann bis zu 700.000 Quadratkilometer pro Tag erfassen: Das entspricht der Größe von Texas. GeoEye-1 soll mindestens sieben Jahre Bilder liefern, hofft der Betreiber.

Die noch junge Industrie für kommerzielle Fotosatelliten wächst seit den Neunzigerjahren rapide. Noch vor 15 Jahren stammten die meisten Aufnahmen von Regierungsorganisationen und waren geheim. 1994 unterzeichnete der damalige US-Präsident Clinton dann aber einen Beschluss, der kommerziell hergestellte Satellitendaten breit freigab. Seither nutzen Militär und Geheimdienste immer häufiger Material kommerzieller Unternehmen und die US-Regierung hat die Beschränkungen für kommerzielle Firmen mehr und mehr gelockert.

Die sich stets verbessernde Qualität dieser Bilder hilft auch der Forschung, wie James Garvin, Chefwissenschaftler am Goddard Space Flight Center der NASA, sagt. Seit 2006 nutzen Forscher hochauflösende Farbaufnahmen des Mars, die vom HiRISE-Satelliten aufgenommen wurden, um das Klima, die Geologie und die Geschichte des roten Planeten zu erforschen. Erdwissenschaftler widmen unserer eigenen Heimat erst seit kurzem so viel Aufmerksamkeit, wie Garvin sagt. "Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass uns die Detailgenaugikeit beim Mars vor der Erde gelang. Besonders spannend finde ich, dass wir mit der Technik nun versuchen können, einige der großen Unbekannten des Klimawandels zu verstehen."

Einer der Gründe, warum solche Bilder für Klimaforscher immer wichtiger werden, ist die Aufnahmequalität, die langsam an Luftbilder herankommt. So kann man auch in die Vergangenheit blicken und aktuelle Satellitenaufnahmen mit Luftbildern, die über Jahrzehnte von Flugzeugen aufgenommen wurden, vergleichen. Schließlich wird Luftaufklärung bereits seit dem zweiten Weltkrieg stark betrieben.

"Wirklich schwer ist es beispielsweise, sehr subtile Veränderungen der Landschaft an den Grenzen unterschiedlicher geologischer Systeme festzustellen – etwa am Meeresrand, an der Küste und an den Stränden", sagt Garvin. Die Auflösung der neuen Satelliten helfe gleich mehreren Disziplinen der Umweltwissenschaften.

Satellitenbilder sind ein großer Markt: Rund die Hälfte des 200 Millionen Dollar schweren Umsatzes, den GeoEye im Jahr erwirtschaftet, kommt derzeit von der US-Regierung. Die restlichen Einnahmen stammen von Privatfirmen und aus dem internationalen Geschäft.

Obwohl die Firma ungern darüber spricht, wie ihre Geschäftsbeziehungen zu großen Online-Anbietern gestrickt sind, gibt sie doch an, dass es Vertriebsdeals mit Google, Yahoo und Microsoft gibt. Die könnten mit den Daten von GeoEye-1 ihren Bestand deutlich aufwerten und damit auch der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stellen. Das Kerngeschäft von GeoEye leide darunter aber nicht, wie O'Connell betont. Schließlich wollten die meisten Kunden in Forschung und Industrie eigens aufbereitete Bilder mit mehr Datentiefe, als es sie z.B. bei Google Earth gibt.

"Für uns ist das eine tolle zusätzliche Umsatzquelle und ein Marketingwerkzeug", sagt O'Connell. "Die Leute sehen unsere Bilder online und stellen fest, was sie alles damit anfangen könnten." GeoEye-1 sollte ursprünglich bereits im April abheben, doch Raketenbetreiber Boeing Launch Services musste den Start verschieben, weil eine Mission für die US-Regierung dazwischen kam.

GeoEye plant bereits einen weiteren Satelliten, der noch mehr Auflösung bringen soll: Objekte von nur noch 0,06 Quadratmetern wären dann erkennbar. GeoEye-2 könnte 2011 oder 2012 starten. (bsc)