Schlafapnoe: Handy-Sonar entlastet Schlaflabor

US-Forscher wollen eine günstige Alternative zum Schlaflabor gefunden haben. Sie setzen Smartphones als aktive Sonare ein. Das soll erstaunlich viel über eine schlafende Person verraten.

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US-Forscher wollen eine günstige Alternative zum Schlaflabor gefunden haben. Sie setzen Smartphones als aktive Sonare ein. Das soll erstaunlich viel über eine schlafende Person verraten.

Bestimmte teure Untersuchungen in Schlaflaboren könnten durch Smartphones ersetzt werden, die als Sonar fungieren. Die Handys senden dabei unhörbaren Schall aus und messen die Reflexionen. Daran arbeiten Forscher an der Universität von Washington in Seattle. Ihre App namens ApneaApp ist so genau, dass sie die Bewegungen des Brustkorbes beim Atmen erfasst. Professor Shyam Gollakota möchte damit die Schlafapnoe bekämpfen, wie er Anfang Juni auf der Konferenz EmTech Digital der MIT Technology Review in San Francisco erzählte.

Beim Schlafapnoe-Syndrom hören Menschen im Schlaf zu atmen auf. Das kann an einer Blockade der Luftwege (obstruktive Schlafapnoe) oder einem Schaden im zentralen Nervensystem (zentrale Schlafapnoe) liegen. Auch Mischformen treten auf. Außerdem gibt es die Hypopnoe, bei der die Atmung zwar nicht ganz aussetzt, aber der Schlafende dennoch zuwenig Luft bekommt. Alle Formen führen zu schlechter Sauerstoffversorgung.

Schlafapnoe ist lebensgefährlich

Um das Ersticken zu verhindern, schlägt der Körper Alarm. Das kann im Laufe einer Nacht zu extrem vielen Aufwach-Reaktionen führen. Der wichtige Tiefschlaf kann fast völlig fehlen. Die Folge sind Müdigkeit, geringer Lernerfolg und viele Folgeerkrankungen. Zudem kann Schlafapnoe zum Tod führen. Dummerweise können sich die Betroffenen aber nicht an die Aufwachreaktionen erinnern. Denn die Wachphasen sind zu kurz, um im Langzeitgedächtnis gespeichert zu werden.

Daher werden in der Regel nur die Folgeerkrankungen behandelt, insbesondere wenn der Patient nicht schnarcht. Erst bei konkreten Verdachtsfällen erfolgt eine Überweisung ins Schlaflabor, sofern sich der Betroffene diese teure Übernachtung(en) leisten kann. Eine Nacht kostet tausende Euro. Im Schlaflabor selbst ist der Patient weit von seinen gewohnten Schlafbedingungen entfernt: Er wird mit einer Vielzahl von Sensoren verkabelt und mit Mikrofon und Infrarotkamera überwacht.

Lösungsansatz Handy-Sonar

Der Lösungsansatz der Forscher in Seattle klingt einfach: Die ApneaApp sendet Schall im Bereich von 18 bis 20 Kilohertz aus, den die meisten Menschen nicht hören. Die Schallwellen werden von allen Hindernissen reflektiert, darunter auch von Menschen. Bewegt sich der Mensch, verändern sich die Reflexionen. Das Smartphone muss mindestens zwei Mikrofone haben. Dann kann es die reflektierten Schallwellen hinreichend empfangen und auswerten.

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Das ist laut Gollakota so exakt, dass die Atemfrequenz des Beobachteten genau erfasst werden kann. Er glaubt, mit dem kontaktlosen Sonar die bisher erforderlichen aber störenden Körpersensoren weitgehend ersetzen zu können. Natürlich nimmt die App auch größere Bewegungen wahr, was ebenfalls Hinweise auf Schlafprobleme gibt. Denn im Tiefschlaf bewegt man sich kaum.

"In einem Meter Abstand messen wir die Atmungssignale mit einer Genauigkeit von 99,2 Prozent", verriet der Forscher im Gespräch mit Technology Review, "Und wir können auch die Periodic Limb Movement Disorder erkennen und herausfiltern." Das sind periodisch auftretende Bein- oder Armbewegungen, die mit Schlafstörungen einhergehen. Zudem schadet es nicht, wenn sich der Schlafende während der Nacht vom Handy weg oder zum Handy hin bewegt. Die Software justiert nach, sofern der Abstand nicht zu groß wird. Auch ein im selben Bett schlafender Partner stört nicht, solange er mindestens zehn Zentimeter Abstand zur überwachten Person hält.

Vergleichstest

Natürlich kann das Smartphone aus der Distanz nicht alles messen, was im Schlaflabor möglich ist. Gehirnstromwellen (EEG) oder die Sauerstoffsättigung im Blut fehlen beispielsweise. Aber die meisten Betroffenen kommen sowieso nie in ein Schlaflabor, weil das zu teuer ist.

In einem ersten Vergleichstest war die Android-App fast genauso gut wie ein Schlaflabor, berichtet Gollakota. Bei der obstruktiven und der zentralen Schlafapnoe konnte die App die Atmung der Probanden zu gut 95 Prozent korrekt aufzeichnen, bei der Hypopnoe sogar zu über 98 Prozent. Allerdings ist die Fallzahl mit etwa 40 Nächten noch gering.

Für eine Zulassung als medizinische Anwendung sind umfangreichere Tests erforderlich. Sollten sich dabei die Erwartungen erfüllen, möchte Gollakota die Technologie an Unternehmen lizenzieren, die schon jetzt im Markt für Schlafapnoe-Diagnoseverfahren tätig sind. Um fünf Euro bei Google Play wird es die ApneaApp also wohl nicht geben. Aber der Preis könnte soweit sinken, dass viel mehr Menschen getestet werden können. Und das würde Leben retten.

(jle)