Schlechte Usability kann Wahlergebnisse verfälschen

Wissenschaftler glauben, dass bei den umstrittenen digitalen Wahlmaschinen eine einfache Bedienbarkeit mindestens genauso wichtig ist wie der hohe Sicherheitsfaktor.

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Von
  • Erica Naone

Elektronische Wahlmaschinen, die in den USA nach zahlreichen Problemen mit den traditionellen, mechanischen Stimmabgabesystemen massenhaft eingeführt wurden, sollten eigentlich die Angst vor falschen Ergebnissen reduzieren. Doch das Gegenteil ist der Fall – immer wieder werden Sicherheitsbedenken laut. Ein von dem demokratischen Kongressabgeordneten Rush Holt eingebrachtes Gesetz, der "Emergency Assistance for Secure Elections Act", soll deshalb jetzt nur noch den US-Regionen mehr Geld verschaffen, die Systeme einsetzen, die auch eine Sicherungskopie der Stimmabgabe auf Papier erzeugen, den so genannten Paper Trail. Doch viele Experten glauben nicht, dass dies ausreicht, die zahlreichen Schwierigkeiten zu beheben.

Ben Bederson, Dozent am "Human-Computer Interaction Lab" der University of Maryland, gehört zu einem Team von Wissenschaftlern, das eine über fünf Jahre laufende Langzeitstudie zur aktuellen Wahlmaschinengeneration durchführte. Sein Ergebnis: Die Geräte müssten nicht nur auf ihre Sicherheit, sondern auch auf diverse andere Problembereiche abgeklopft werden. Dazu gehörten Benutzbarkeit der verwendeten Computertechnik (Usability), Verlässlichkeit der Geräte, Nutzbarkeit auch für Behinderte (Accessibility) und eine leichte Wartung. Bei der Wahl zum Kongress kam es 2006 in Florida beispielsweise dazu, dass vielen Wählern nicht klar angezeigt wurde, ob die eingesetzten Touchscreen-Maschinen ihre Stimmen tatsächlich korrekt entgegengenommen hatten. Rund 18.000 elektronische Stimmzettel im County Sarasota waren von den Maschinen plötzlich als "nicht abgestimmt" markiert worden, jedenfalls sah es für viele Wähler danach aus.

"Sicherheit ist wichtig, doch das ist eigentlich einer der Bereiche, in denen die Maschinen nicht ständig versagen", sagt Bederson. Die Lage sei an anderen Stellen viel dramatischer, besonders bei der Benutzbarkeit. "Das Problem in Florida hatte vor allem mit Usability zu tun." Und diese Problematik gab es schon früher auf Papier – beim Rennen Bush-Gore im Jahr 2000 war in Florida beispielsweise eine Stimmzettelgestaltung gewählt worden, deren unübersichtliches Layout dazu führte, das Gore-Wähler plötzlich für den rechten Kandidaten Patrick Buchanan stimmten.

Bedersons Team, zu dem Forscher der University of Maryland, der University of Rochester und der University of Michigan gehörten, konzentrierten sich deshalb stark auf diesen Bereich. Sie untersuchten Geräte von Diebold, Election Systems and Software (ESS), Avante Voting Systems, Hart InterCivic sowie Nedap Election Systems. Außerdem war ein Prototyp dabei, den Bederson selbst gebaut hatte.

Bei der Studie wurden Testpersonen jeweils gebeten, in einer Versuchswahl für bestimmte Kandidaten abzustimmen. Die Forscher verglichen dann die von den Wahlmaschinen erfassten Ergebnisse mit dem tatsächlich Wählerwunsch. Doch selbst bei dieser einfachsten aller Aufgaben, einer Präsidentschaftswahl mit nur einer Bildschirmansicht, lag die Fehlerrate im Schnitt bei satten drei Prozent. Verkomplizierte man die Aufgabe weiter, etwa in dem der Wähler seine Auswahl von einem zum anderen Kandidaten ändern sollte, lag die Versagensquote noch höher – je nach System bei 7 bis 15 Prozent. Obwohl das schlechte Ergebnis in der Studie nicht unbedingt bedeuten muss, dass die Fehlerrate in echten Wahlen genauso hoch ausfällt, sieht Bederson doch Anlass zur Sorge – insbesondere im Hinblick darauf, wie knapp die US-Wahlen in jüngster Zeit ausfallen. In einem der Tests stellte Bedersons Gruppe fest, wie solche Probleme dazu führen können, dass ein anderer Kandidat gewinnt, als eigentlich mehrheitlich gewählt – und zwar immer abhängig davon, welche Maschine verwendet wurde. "Ob solche Fehler parteiisch wirken, hängt generell davon ab, um welches konkrete Usability-Problem es sich handelt."

Bedersons Prototyp machte hingegen eine gute Figur – eine Tatsache, die deutlich macht, dass kommerzielle Systeme schnell und gründlich verbessert werden müssen. Das Testmodell besaß ebenfalls einen Touchscreen, bot aber die Möglichkeit, den ganzen Stimmzettel oder eine spezifische Wahl über eine Zoomfunktion nach vorne zu holen. Besonders peinlich für die kommerziellen Hersteller: Der Forscher testete seine Eigenentwicklung vorher kaum an echten Benutzer, demonstrierte im Versuch aber dennoch die niedrigste Fehlerquote bei der einfachsten Aufgabe. Die Benutzbarkeit könnte immer auf zwei Arten verbessern werden – entweder durch Überarbeitung bestehender Systeme oder ihrer vollständigen Neugestaltung, meint Bederson.

Trotz aller Probleme bei der Bedienbarkeit stellte der Forscher fest, dass die Wähler die Touchscreen-Technik oft positiv aufnahmen. Er glaubt dementsprechend, dass die Probleme gelöst werden müssen, aber auch gelöst werden können. Ausreichende Tests und breite Prüfungen vor einer Wahl seien der beste Weg, von den Vorteilen der Touchscreen-Wahlmaschinen ohne ihre Sicherheits- und Usability-Nachteile zu profitieren.

Ted Selker, Dozent am MIT Media Lab, der selbst aktuell an einem Wahlmaschinenprojekt arbeitet, das von seiner Hochschule und dem California Institute of Technology betrieben wird, hält vor allem eine Funktion bei den Wahlmaschinen für wichtig – nämlich, dass sie dem Wähler während der Stimmabgabe eine Rückmeldung geben können. Beispielsweise lasse sich eine Vollständigkeitsanzeige darstellen, mit der sichergestellt werde, dass keine Teile des Stimmzettels vergessen werden.

Aber auch Selker sieht zahlreiche Probleme bei Sicherheit und Benutzbarkeit – schlechte Gestaltung des virtuellen Wahlzettels eingeschlossen. Alles, was den Urnengang komplizierter macht, führt seiner Meinung nach zu ungewollten Fehlstimmen. Und auch ein Paper Trail sei nur dann hilfreich, wenn die Wahlhelfer auch wüssten, wie sie damit umzugehen hätten. Denn: Der Auszug muss ebenfalls vor Manipulationen geschützt sein. Selker denkt, dass der elektronische Wahlprozess insgesamt nur dann verbessert werden kann, wenn das Personal ordentlich geschult wird – und zwar für die jeweiligen Maschinen. Der sensible und sichere Umgang mit den Wahlunterlagen gehört wohl dazu.

Egal ob die Probleme mit den Wahlmaschinen nun vor allem im Bereich Sicherheit oder Usability liegen – die aufgetretenen Designfehler müssen dazu führen, dass die Technik erneut überprüft wird, meinen Experten. Tadayoshi Kohno, Juniorprofessor für Informatik an der University of Washington, hat die Sicherheit verschiedener Systeme untersucht. Die ganze Branche befinde sich derzeit in einem langen, dunklen Tal, von dem alle wüssten, wie gefährlich es sei. An seinem Ende stünde zwar das Licht. "Doch man muss auch die philosophische Frage stellen dürfen, ob wir wirklich durch dieses Tals schreiten müssen oder einfach zurückkehren sollten." Es gäbe schließlich noch andere Lösungen für das Wahlproblem. (bsc)