Schnelle Erste Hilfe: Smartphone-Apps benachrichtigen nahe Ersthelfer

Bei einem Notfall zählt jede Sekunde. Smartphone-Apps sorgen dafür, dass in solch einem Fall so schnell wie möglich ein Ersthelfer aus der Umgebung eintrifft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 18 Kommentare lesen

(Bild: pixelaway / shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Urs Mansmann
Inhaltsverzeichnis

Jedes Jahr erleiden mindestens 50.000 Menschen in Deutschland einen plötzlichen Herzstillstand außerhalb eines Krankenhauses, also vollkommen überraschend zu Hause, am Arbeitsplatz oder unterwegs. Wenn jemand auf der Straße, im Bus oder am Arbeitsplatz plötzlich kollabiert, ist schnelle Hilfe gefragt. Die Zeit wird in solchen Fällen in Sekunden gemessen; schon nach drei bis vier Minuten ohne lebensrettende Maßnahmen drohen den Opfern bleibende Schäden.

Zwar lernt jeder, der einen Führerschein macht, im obligatorischen Erste-Hilfe-Kurs, wie man in so einem Notfall eine Herzdruckmassage ausführt. Aber die Hemmschwelle ist hoch, das Erlernte im Ernstfall anzuwenden. Die Situation, plötzlich Erste Hilfe leisten zu müssen, überfordert viele Betroffene, physisch wie psychisch.

Nur rund 40 Prozent der Menschen beginnen deshalb eine Herzdruckmassage, wenn sie einen Bewusstlosen finden, berichten Fachärzte. Doch bis der Rettungsdienst vor Ort ist und die Profis mit Wiederbelebung und Beatmung beginnen, verstreichen oft mehr als die kritischen drei bis vier Minuten, denn im Durchschnitt brauchen die Retter bis zum Eintreffen neun Minuten.

In immer mehr Landkreisen hoffen die Rettungskräfte auf Smartphone-Apps, die diese Zeit verkürzen sollen. Wird per Notruf eine bewusstlose Person gemeldet, alarmiert der Disponent in der Rettungsleitstelle potenzielle Ersthelfer in der Umgebung, die zum Unglücksort eilen und dort Erste Hilfe leisten können, bis der Rettungsdienst eintrifft.

Solche Anwendungen gibt es bereits länger. Vorreiter war ab 2013 der Landkreis Gütersloh. Initiator dort war der Neurochirurg und Notfallmediziner Ralf Stroop, der erst durch das Eintreffen der Rettungskräfte bemerkte, dass in seiner unmittelbaren Nachbarschaft ein Notfall eingetreten war, bei dem er hätte helfen können – wenn er davon erfahren hätte.

Geht ein Alarm ein, hat ein Ersthelfer in der App Katretter 30 Sekunden Zeit, seinen Einsatz zu bestätigen.

Im Laufe der Jahre kamen weitere Systeme hinzu, die alle nach dem gleichen Prinzip arbeiten. In Freiburg beispielsweise gründete sich 2017 der Verein "Region der Lebensretter", der ein bestehendes System aus Dänemark übernahm und an die eigenen Bedürfnisse anpasste.

Da die Landkreise das Rettungswesen individuell organisieren, gibt es bislang keine Standards, solche Systeme sind noch längst nicht überall im Einsatz. Die Alarmierung und die Auswahl potenzieller Ersthelfer laufen in den Landkreisen nach unterschiedlichen Regeln und mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wenn es denn überhaupt eine solche App gibt.

Die geplante Mithelfer-Funktion von Katretter ist in der App zwar schon sichtbar, aber noch nicht implementiert.

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) beispielsweise legt den Schwerpunkt seiner Arbeit auf ein Register für öffentlich zugängliche Defibrillatoren, das für jedermann per App abrufbar ist. Für das System des ASB als Nothelfer registrieren lassen kann sich nur medizinisches Fach- oder Rettungsdienstpersonal mit aktueller Qualifikation für Erste Hilfe.

Im Oktober dieses Jahres veröffentlichte das Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme (Fokus) eine solche App-Lösung mit dem Namen Katretter. Der Name lehnt sich an das etablierte Bevölkerungswarnsystem Katwarn des Instituts an, das in zahlreichen Rettungsleitstellen bereits zum Einsatz kommt.

Für die Landkreise, die bereits Katwarn im Einsatz haben, wäre es also besonders einfach, eine solche Lösung zu etablieren. Gleich am Anfang mit dabei waren Berlin und sieben weitere Landkreise, weitere 30 sind laut Auskunft von Fokus in konkreten Gesprächen über die Einführung oder treffen bereits Vorbereitungen. In den bislang nur wenigen Einsatzorten erfolgten bereits 2000 Alarmierungen über das System, in 750 Fällen konnten Retter tatsächlich ausrücken. In Berlin sind bereits 3000 Ersthelfer registriert.