Schneller, heller, effizienter

Microsoft Research arbeitet an einer neuen Bildschirmtechnik, bei der jedes Pixel über ein winziges Spiegelteleskop beleuchtet wird. Mit diesem "Telescopic Pixel Switch" soll die Helligkeit und die Schaltgeschwindigkeit von LCDs deutlich erhöht werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Prachi Patel-Predd

Ein neuartiges Pixel-Design soll zu Bildschirmen führen, die schneller schalten, heller leuchten und insgesamt energieeffizienter arbeiten als herkömmliche Flüssigkristall-Displays (LCDs). Die bei Microsoft Research entstandene Technologie soll zudem einfacher und zuverlässiger herzustellen sein, was die Preise für Fernseher und Computerbildschirme weiter sinken lassen würde.

LCDs bestimmen inzwischen die Hälfte des weltweiten TV-Marktes und sind die populärste Technologie für Handydisplays und Flachbildschirme auf dem Schreibtisch. Die bestmögliche Bildqualität liefern sie allerdings noch nicht. Das hat drei Gründe: Erstens schalten sich die einzelnen Pixel (Bildpunkte) nie ganz ab. Zweitens beträgt die Schaltzeit zwischen Schwarz und Weiß im Durchschnitt zwischen 25 und 50 Millisekunden – das ist langsam genug, um zu Unschärfeeffekten bei schnellen Bewegungen zu führen. Drittens mögen LCDs kein starkes Umgebungslicht, sind dann kaum mehr nutzbar. "Es gibt eigentlich nichts an der LCD-Technologie, das irgendwie besonders wäre", meint Sriram Peruvemba, Marketing-Vizepräsident bei E-Ink aus dem amerikanischen Cambridge, einem Pionier auf dem Gebiet des elektronischen Papiers (E-Paper), einer Konkurrenztechnik. "Der einzige Grund, warum das Geschäft mit LCDs so gut läuft, ist der zurzeit so günstige Preis."

Microsofts neuartiges Pixel-Design basiert auf dem so genannten "Telescopic Pixel Switch", einem Teleskop-Schalter für einzelne Bildpunkte, die sich innerhalb von 1,5 Millisekunden vollständig aus und wieder an schalten lassen. Forscher Michael Sinclair hofft, dass dieser superschnelle Reaktionszeit zu einfacher aufgebauten, kostengünstigeren Farbbildschirmen führen könnte. Bei LCDs besteht jeder Bildpunkt aus den so genannten Subpixeln – in Rot, Grün und Blau. Um Farben darzustellen, leuchten sie gleichzeitig mit unterschiedlicher Intensität auf, um beispielsweise Gelb zu erzeugen. Jeder Subpixel wird wiederum von einem eigenen Transistorschaltkreis kontrolliert, was die Komplexität der verwendeten Elektronik erhöht. Der Teleskop-Pixel-Schalter schaltet nun aber so schnell, dass sich rote, grüne und blaue Leuchtdioden direkt hinter jeden Bildpunkt anordnen lassen. Diese leuchten dann einfach im Wechsel auf, um einen Farbton zu erzeugen. "Das würde die Komplexität bei heutigen LCDs deutlich verringern", sagt Sinclair.

Die Microsoft-Research-Technik soll außerdem deutlich hellere Bilder liefern. Bei LCDs erreichen nur 5 bis 10 Prozent des anfänglichen Lichts die Bildschirmoberfläche – schuld daran sind der Polarisierungsfilm, die Flüssigkristallschicht sowie Farbfilter. Bei den Teleskop-Schaltern liegt die Lichtausbeute hingegen bei 36 Prozent. "So könnte man auch mit einem weniger leistungshungrigen Backlight auskommen", sagt Sinclair. Die insgesamt größere Helligkeit würde den Bildschirm außerdem in hellem Sonnenlicht besser ablesbar machen.

Die neuen Pixel nutzen zwei winzige Mikrospiegel, um Licht durchzulassen oder zu blockieren. Der erste besteht aus einer 100 Mikrometer breiten und 100 Nanometer dicken Aluminiumscheibe mit einem Loch in der Mitte. Der andere Spiegel, ebenfalls ein dünner Aluminiumfilm, ist so groß wie das Loch und genau vor diesem platziert.

Im "Aus"-Zustand deckt der kleinere Spiegel das Loch genau ab: Das einfallende Licht wird zurück Richtung Quelle reflektiert – nichts davon dringt durch das Loch. Im "An"-Zustand sorgt eine zwischen dem größeren Scheibenspiegel und einer transparenten Elektrode angelegte Spannung dafür, dass sich die Scheibe in Richtung der Elektrode verbiegt und zwischen Scheibe und kleinerem Spiegel eine Lücke öffnet. Das Licht trifft von der nun leicht gewölbten Scheibe auf die Rückseite des kleineren Spiegels, von dem aus es durch das Loch auf den Schirm gelangt – die Anordnung verhält sich also plötzlich wie ein winziges Spiegelteleskop, daher auch die Bezeichnung "Telescopic Pixel Switch".

Sinclair und seine Kollegen stellen die Pixel in einem Schichtverfahren her, wie man dies auch aus der Herstellung von Siliziumchips kennt. Die Produktion soll insgesamt einfacher sein, weil weniger Schichten als bei herkömmlichen LCDs benötigt werden. Das führt zu weniger Fabrikationsschritten. Aktuell nutzen die Microsoft-Forscher Indiumzinnoxid*, den Industriestandard zur Herstellung transparenter Elektroden. Sie erwägen allerdings, stattdessen eine extrem dünne, gemusterte Aluminiumschicht zu verwenden, die nahezu transparent wäre. Dies würde den Produktionsprozess weiter vereinfachen und die Kosten noch stärker reduzieren.

E-Ink-Mann Peruvemba sieht Vorteile der Microsoft-Technik gegenüber herkömmlichen LCDs, fürchtet aber, dass die mechanischen Teile zu einer geringeren Robustheit führen könnten. "Wir haben es hier wortwörtlich mit Hunderttausenden von verschlussähnlichen Komponenten zu tun, die sich ständig mechanisch bewegen müssen. Bei den meisten Geräten gehört die Mechanik zu jenen Bereichen, die als erstes ausfallen."

Während LCDs und die neuen Teleskop-Schalter ihr Licht von einem Backlight beziehen, setzen andere Entwickler auf Pixel, die das Umgebungslicht reflektieren. Ein neues Display des Herstellers Qualcomm nutzt dazu die MEMS-Technik, also mikroelektromechanische Systeme. Drei verschiedene Handys sollen den neuen Bildschirm noch in diesem Jahr verwenden. Die Firma hat außerdem einen ersten Farbbildschirm für einen Musikspieler angekündigt. E-Ink, wo man derzeit im Hauptgeschäft noch ein schwarzweißes E-Paper-Display vertreibt, arbeitet unterdessen an Prototypen für farb- und videofähige Modelle. Die E-Paper-Technologien sind bislang vor allem in einem Nischenmarkt verbreitet: Stromsparende Bildschirme für die Verwendung unterwegs.

Solche Displays benötigen kein Backlight und ihre Pixel müssen auch nicht ständig neu aufgebaut werden, wie das bei LCDs der Fall ist. All das führt zu weniger Stromverbrauch. Und je mehr Licht vorhanden ist, desto besser sieht ein Bildschirm dann auch aus: "Wir stehen nicht im Wettbewerb zu hellem Umgebungslicht, wir nutzen es für unsere Zwecke", sagt Brian Gally, technischer Direktor für Qualcomm MEMS-Technologies. "Das ist bei Papier nicht anders."

Sinclair sagt, dass Microsoft Research vor allem kostengünstige Computerbildschirme mit großer Bilddiagonale im Auge hat. Das sei der Traum vieler EDV-Arbeiter: Statt nur einen kleinen Bildschirm vor sich zu haben, auf dem man ständig zwischen Fenstern wechseln müsse, hätten sie dann einen "Bildschirm von der Größe einer ganzen Tafel" vor sich, wie der Forscher hofft.

*Korrektur: Leser "Grober_Unfug" hatte natürlich recht: ITO mit "Indiumtitanoxid" zu übersetzen ist grober Unfug, es muss natürlich "Indiumzinnoxid" heißen. Wir bitten, den Lapsus zu entschuldigen. Die Redaktion. (bsc)