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Strom erregt: BMWs fünfte E-Motoren-Generation für Elektroautos

Clemens Gleich
E-Motor von BMW

(Bild: BMW)

BMW setzt in der fünften Generation ihrer E-Motoren auf Fremderregung. Welche Vorteile hat diese Technik für Hersteller und Kunden?

Mit dem iX3 hat BMW die fünfte Generation bayerischer Elektromotoren eingeführt. Es handelt sich um fremderregte Synchronmotoren (FSM), auch "stromerregte Synchronmotoren" (SSM) genannt. Die Motoren gehören in den Kontext von BMWs Baukasten hochintegrierter E-Achsen, die den Elektromotor, das Getriebe sowie die Leistungselektronik kompakt vereinen.

Das Gehäuse wird in aufwendiger Gusstechnik im Werk Landshut gefertigt. Die hohe Integration vermindert Flanschflächen, integriert die Medienführung von Strom, Daten und Flüssigkeiten und vereinfacht die Montage. Ziele sind minimierte Fehlerpotenziale sowohl in der Fertigung als auch im Betrieb beim Kunden bei gleichzeitiger Kosteneffizienz. Die Leistungsklassen der Antriebe entstehen einerseits aus der Skalierung der Aktivteile (Rotor/Stator) hinsichtlich Durchmesser und Länge und andererseits aus dem Zusammenspiel von Batterieleistung, Umrichter und Software. Basierend auf zwei Statordurchmesser-Varianten (170 und 220 mm) ergeben sich aktuell fünf Leistungsklassen mit einem Spektrum von 140 bis 360 kW.

Das Wichtigste zu Elektromotoren in aller Kürze: Der Umrichter moduliert per Pulsweitenmodulation Spannung und Frequenz von Drehstrom, der durch den Stator fließt. Das dabei entstehende dynamische Magnetfeld dreht den Rotor. Beim "Synchronmotor" drehen sich Magnetfeld und Rotor gleich schnell, also "synchron". Damit der Rotor sich dreht, muss er magnetisch sein. Beim permanenterregten Rotor übernehmen Dauermagneten den Aufbau des Magnetfelds, meistens aus Neodym-Eisen-Bor. Beim stromgeführten Rotor ist es ein Elektromagnet, der folglich mit Strom versorgt werden muss. Im Fall des BMW-Motors passiert das über wartungsfreie Schleifringe.

In der Vorentwicklung beschäftigte sich BMW intensiv damit, auf welche Technik die nächste Motorengeneration setzen sollte. In den Jahren 2010/2011 hatte eine massive Preissteigerung bei Neodym eingesetzt, das zu 95 Prozent aus China kommt. Eine Vorgabe lautete daher, diese Abhängigkeit aufzulösen. Ein anderer Aspekt war die Beliebtheit von Allradantrieben unter der BMW-Kundschaft. Motoren, die stromlos frei mitlaufen (also Asynchronmotoren und SSM), haben hier Vorteile. "Wir haben alles in Betracht gezogen", sagt Uwe Deuke, Projektleiter Baukasten elektrische Antriebsmaschine Generation 5 bei BMW.

Für den Asynchronmotor sprachen zum Beispiel die günstigen Kosten und die Überlastfähigkeit. Die Leistungscharakteristik und auch die geringere Effizienz sprachen jedoch letztendlich dagegen, denn BMW wollte hohe Dynamik kombiniert mit bestmöglicher Kundenreichweite erreichen. Bald kristallisierte sich eine schlau konstruierte Fremderregung als die beste Lösung heraus. Sie kombinierte Effizienz, hohe Leistungsdichte und gute Kostenstrukturen.

BMW eDrive 5th Gen (0 Bilder) [1]

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Eigentlich sind die effizientesten Motoren permanenterregte Synchronmotoren (PSM). Uneigentlich gibt es im Realbetrieb durchaus Vorteile für SSM. Die üblichste Bauweise für einen E-Antrieb ist ein hochdrehender E-Motor an einem Einganggetriebe. Diese Motoren müssen in fünfstelligen Drehzahlbereichen noch effizient laufen, weil diese auf der Autobahn vorkommen. Der BMW-Motor etwa dreht bis zu einer Nenndrehzahl von rund 17.000/min. In den oberen Drehzahlbereichen fällt die Effizienz jedoch üblicherweise ab, deshalb sind viele E-Autos auf im Vergleich zu bisher niedrigere Höchstgeschwindigkeiten limitiert oder kommen (selten) mit Zweiganggetrieben.

Um optimale Effizienz und Leistung herauszuholen, steuert der Umrichter den Strom nach einem Kennfeld über Drehzahl und Last, in dem viel Erfahrung steckt, genauso wie in der Steuerungs-Software. Beim SSM gibt es jedoch eine zusätzliche Steuerungsdimension, nämlich den Erregerstrom. Die Regelung des Erregerstroms erlaubt in allen Lastbereichen eine entweder effizienz- oder leistungsoptimale Magnetisierung des Rotors.

Daraus ergeben sich speziell bei Landstraßenfahrt oder Autobahnbetrieb Effizienzvorteile für SSM. Es ist aber auch die Abschaltung der Erregerwicklung möglich. Das hilft bei den erwähnten dynamisch geschalteten Allradantrieben genauso wie beim Abschleppen des Fahrzeugs auf Achse. Zudem erhöht sich die Funktionssicherheit: Permanentmagneten induzieren bei Drehung immer Ströme, sodass Sicherheitssysteme im Umrichter eines PSM-Antriebs dafür sorgen müssen, dass z. B. bei einem plötzlichen Ausfall auf der Autobahn aus hohen Drehzahlen sicher ausgerollt werden kann.

Mit der Steuerungsdimension "Rotormagnetfeld" kommt BMW auf die hohen Leistungsdichten, die wiederum zu Vorteilen bei Dimensionierung und Preis führen. Die Leistung fällt zudem im oberen Drehzahlbereich nicht ab wie bei PSM oder ASM, sondern bleibt konstant bis zur Höchstdrehzahl. In BMWs Implementation liegt die Nennleistung über einen weiten Drehzahlbereich bis zur Auslegungsgrenze an. Das ergibt Beschleunigungsvorteile, speziell bei höheren Geschwindigkeiten: "Für den Kunden ist diese konstante Spitzenleistung wirklich erlebbar", sagt Uwe Deuke. "Das, was da ab 100 noch kommt, kann nicht jeder, und das fühlt der Kunde beim Fahren." Obwohl der PSM also bei Drehzahlen im Stadtbetrieb einen theoretischen Effizienzvorteil hat, erzielt BMWs SSM im gemischten Betrieb mit anteiligen Stadt-, Landstraßen- und Autobahnanteilen gegenüber dem PSM praktische Effizienzvorteile. Diese übersetzen sich in hohe Reichweiten, die auf diese Weise zudem nicht aus teurer Batteriekapazität kommen müssen.

Die Höchstleistung liegt von 4500 bis über 15.000 U/min an, eine spürbare Besonderheit gegenüber PSM-Antrieben außerhalb des Rennsports.

(Bild: BMW)

Fremderregung bedeutet natürlich, dass Strom irgendwie in den drehenden Rotor kommen muss. Das passiert entweder über Schleifringe oder induktiv. Induktiv klingt zunächst eleganter, weil die Schleifkontakte wegfallen. Doch ein induktiv versorgter Rotor braucht einen internen Umrichter, um den Gleichstrom der Erregerwicklung zu stellen. Diese Elektronik muss sowohl die Fliehkräfte bei Nenndrehzahl von 17.000 U/min aushalten als auch die Wärme der benachbarten Rotorwicklung. Den vermeintlichen Vorteilen einer berührungslosen Stromübertragung stehen somit erheblicher technischer Aufwand und resultierende hohe Kosten gegenüber. Zudem gibt es ohne eine zusätzliche Telemetrie keine Messwerte aus dem Rotor. Schleifringe dagegen erlauben über den anliegenden Widerstand der Rotorwicklungen Rückschlüsse auf die Temperatur des Rotors als wichtige Regelgröße für die optimale Ausnutzung des Leistungspotenzials der SSM.

BMW kühlt den Rotor axial von innen mit Öl, ähnlich, wie in Audis Asynchronmotoren. Das Öl übernimmt als weitere Aufgabe die Schmierung des Getriebes. Sowohl dieses Öl als auch die Schleifringe legt BMW als Lebenszeitbauteil aus. Sie müssen also über die prognostizierte Fahrzeug-Nutzungszeit nicht gewartet werden, ähnlich vieler Bauelemente bei PSM-Konstruktionen. Das sind auch keine Experimente vonseiten BMW, sondern fremderregte Motoren haben sich in allen Einsatzbereichen seit Jahrzehnten als sehr zuverlässig und wartungsarm gezeigt. Auch Renault und die Zulieferer ZF und Vitesco bieten solche Motoren an. Vitesco wirbt wie BMW mit der besseren Autobahneffizienz der Bauart.

Ein großer Teil der Motor-Performance liegt in Software. Weil man Algorithmen nicht sehen kann, erfährt diese Arbeit häufig viel zu wenig Achtung. "Ich möchte betonen, wie wichtig die Software ist, nicht nur die Hardware", sagt Uwe Deuke. "Unsere Software hebt ein enormes Potenzial an Reichweite und Leistung. Da steckt sehr viel selbst erarbeitetes und auch patentiertes Know-how unserer Funktions- und Applikationsspezialisten drin. Das ergibt dann eine BMW typische Leistungscharakteristik und Dosierbarkeit."

Um eine Idee zu entwickeln, wie er das meint, sollten Sie sich einmal die vielfältigen, abhängig interagierenden Regelkreise vorstellen, die zur Steuerung von Rotor und Stator über alle möglichen Betriebszustände genauso perfekt ineinandergreifen müssen wie die Zahnräder im Getriebe. Wenn wir an die Software denken, zeigt das: Ein Auto ist ein Gesamtsystem. Es kommt auf das Paket an. Hier gibt es mittlerweile reichlich Auswahl. Die stärkste Variante des SSM steckt derzeit im BMW iX M60. Ich bin allerdings besonders gespannt auf den i4 eDrive35, den wir dieses Jahr ausgiebig testen wollen. Im erweiterten Gesamtpaket des Systems "BMW-Fahrzeug mit Hausbank" könnte der besonders interessant für den Einsatz in der Flotte werden.

(cgl [3])


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