Suchen, finden, helfen

Ob bei Feuer, Erdbeben oder Schneelawinen: Rettungsdrohnen können einspringen, wenn Menschen an ihre Grenzen stoßen.

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Von
  • Katja Scherer

Nepal, im April 2015: Mehrere starke Erdbeben erschüttern das Land, knapp 8800 Menschen sterben, unzählige weitere werden verschüttet. Aus der ganzen Welt rücken Rettungskräfte an. Wie aber können sie am schnellsten Hilfe leisten? Zahlreiche Straßen sind zerstört, Wege in abgelegene Bergdörfer abgeschnitten. Statt einen Helikopter aus der nächsten Stadt anzufordern, schicken viele Helferteams mitgebrachte Drohnen in die Luft. Sie können näher an Gebäude heranfliegen und durch schmalere Täler manövrieren. Das spart Zeit und liefert bessere Ergebnisse. So können die Einsatzkräfte besser abschätzen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Auch in Bayern ist ein Helikopter nicht immer die beste Option, um Vermisste zu finden. "Nachts oder wenn der Nebel im Tal zu dicht ist, können wir keinen Hubschrauber aufsteigen lassen", sagt Thomas Griesbeck, stellvertretender Geschäftsführer der Bergwacht Bayern. Den Job übernimmt nun immer öfter ein neues Teammitglied. Es erinnert mit seinem silberfarbenen Körper und sechs schwarzen Propellerbeinen an eine fliegende Riesenspinne. An Bord hat die rund einen Meter große Drohne unter anderem eine Wärmebildkamera, die Bilder an eine Bodenstation sendet. So erkennen die Helfer Wärmequellen wie menschliche Körper selbst aus großer Entfernung. Schon vor fünf Jahren haben die Bergwächter die ersten Modelle getestet. Mittlerweile kommen Multikopter bei ihnen regelmäßig zum Einsatz. In Bayern arbeiten bereits zehn Rettungsteams mit Drohnen.

Die technischen Ansprüche sind hoch: "Rettungsdrohnen müssen auch bei schwierigen Bedingungen wie hohen Temperaturen oder schlechtem Wetter zuverlässig fliegen", sagt Ulf Bestmann, Experte für Flugsysteme an der TU Braunschweig. "Noch vor zwei bis drei Jahren war die Technologie dazu nicht ausgereift genug. Das ändert sich gerade."

Die neuen Modelle sind oft so klein und leicht, dass sie in einen Rucksack passen. Zudem können sie länger in der Luft bleiben als ihre Vorgänger: Je nach Modell, Wetter und Last hält der Akku 20 bis 90 Minuten. Deutliche Fortschritte gibt es auch bei der Bordelektronik. Sie kann selbst große Datenmengen übertragen, etwa Videos in HD-Qualität. Dazu kommt, dass die Preise dank Serienfertigung deutlich gefallen sind. Noch beträgt der Preis für eine Rettungsdrohne zwar bis zu mehrere Zehntausend Euro. Verglichen mit den Gesamtkosten eines Einsatzes ist das aber wenig. Allein die Betriebskosten eines Helikopters belaufen sich nach Schätzungen der DRF Luftrettung auf 40 bis 60 Euro – pro Flugminute.

Je nach Bedarf können die Profi-Drohnen aufgerüstet werden. Hersteller wie Astec oder Microdrones haben nicht nur Flugsysteme in verschiedenen Größen im Angebot, sondern auch eine ganze Reihe von Zubehör: Infrarotkameras können Menschen bei Nacht orten; 3D-Scanner liefern eine Übersicht des Unfallortes; Digitalkameras mit 30-fachem optischen Zoom holen Details nah heran. Auch die Bergwacht Bayern experimentiert mit den verschiedensten Geräten: Ein Peilsender-Empfänger hilft bei der Suche nach Lawinenopfern, in der Dämmerung werden besonders leuchtstarke LED-Scheinwerfer angebaut. Insgesamt nutzen die Rettungskräfte mehr als 30 verschiedene Systeme. "Wir entdecken immer wieder neue Einsatzmöglichkeiten", sagt Griesbeck. Bestellbar sind die Module in der Regel direkt bei den Herstellern; Preisauskünfte gibt es nur auf konkrete Anfragen.

Trotz aller Fortschritte gibt es allerdings noch viel Luft nach oben. Selbst eine Akkulaufzeit von 90 Minuten ist für viele Sucheinsätze zu wenig. Und jedes zusätzliche Gramm, das sie auf die Drohne packen, verringert die Laufzeit weiter. Zudem sind die Flieger empfindlich: Streift ein Propeller einen Ast oder einen Felsen, kann das schon zum Absturz führen. Einsatz beendet. Weltweit arbeiten Forscher deshalb daran, die Drohnen robuster zu machen. Als ein Vorreiter gilt das Schweizer Unternehmen Flyability. Es hat eine Drohne entwickelt, die zusätzlich durch einen Käfig geschützt ist. So bleibt sie selbst nach Zusammenstößen unbeschadet in der Luft. Mit der Idee gewannen die Entwickler im vergangenen Jahr den internationalen "Drones for Good"-Wettbewerb – und ein Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar.

Dass Drohnen nicht nur beobachten und orten, sondern auch eingreifen können, zeigt ein Projekt von der DLRG Horneburg (Niedersachsen). Dort arbeitet Rettungsschwimmer Robert Rink gemeinsam mit dem Siegener Drohnenbauer Microdrones und dem Start-up Restube an einer neuen Form der Seenotrettung. Die Idee: Erhält ein Rettungsschwimmer einen Notruf, schickt er zuerst seine Drohne los, die über dem Ertrinkenden ein selbstaufblasendes Luftkissen abwirft. "So können wir deutlich schneller Hilfe leisten und Panik bei den Ertrinkenden verhindern", sagt Rink. Im Mai sollen die ersten Praxistests anlaufen.

An weiteren Ideen, wie man Rettungsdrohnen einsetzen könnte, mangelt es nicht. Ein Forscherteam an der TU Delft will Drohnen mit Defibrillatoren ausstatten, um Herzpatienten schneller zu helfen. Und das israelischen Unternehmen Tactical Robotics hat eine Drohne entworfen, die aussieht wie ein fliegendes Auto. Sie soll Verletzte aus Kriegs- oder Katastrophengebieten abholen. Im Januar dieses Jahres ging sie das erste Mal in die Luft, wenn auch zunächst nur in Sichtweite ihrer Konstrukteure. Langfristig soll sie wesentlich weiträumiger einsetzbar sein.

"Für solche Szenarien müssen Drohnen so schnell wie möglich das autonome Fliegen lernen", fordert Albert Claudi, Professor für Elektrotechnik an der Universität Kassel. "Derzeit können sie zwar vorab programmierte Routen abfliegen, aber nur, wenn es keine Hindernisse gibt. Das macht zum Beispiel den Einsatz innerhalb von Gebäuden sehr schwierig." Einen vielversprechenden Ansatz, um diese Hürden zu überwinden, hat das US-Unternehmen Skydio vor wenigen Wochen vorgestellt: Es hat eine Software entwickelt, mit der sich Drohnen allein im Wald bewegen können – ohne gegen einen Baum zu fliegen.

Noch kämpfen Drohnenretter allerdings mit rechtlichen Hürden: Der Pilot muss die Drohne unter anderem stets im Blick behalten. Wer Gegenstände mit einer Drohne abwerfen will, muss das vorher genehmigen lassen. Und autonome Drohnen sind noch völliges juristisches Neuland. (bsc)