Touchscreen mit Textur

Dank der sogenannten Elektrovibration sollen berührungsempfindliche Bildschirme künftig direkteres Feedback an ihre Benutzer liefern.

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Von
  • Kate Greene

[s]Dank der sogenannten Elektrovibration sollen berührungsempfindliche Bildschirme künftig direkteres Feedback an ihre Benutzer liefern.[/s]

Touchscreens sind mittlerweile fast überall zu finden – auf Handys, Tablets und sogar "großen" PCs. Einer der Hauptkritikpunkte an der Technik bleibt, dass die glatte Oberfläche eines berührungsempfindlichen Bildschirms sich nicht so gut anfühlt wie eine echte Tastatur in Hardware. Einige Hersteller setzen deshalb auf mechanische Vibrationen, die immer dann einsetzen, wenn man einen bestimmten Bereich des Schirms antippt. Wirklich gut funktioniert das noch nicht – zumeist bewegt sich dann nämlich das ganze Gerät.

Gleich mehrere Forschergruppen schlagen nun Alternativen vor, die das Problem lösen sollen. Dabei geht es stets um die sogenannte Elektrovibration, bei der eine elektrische Spannung eingesetzt wird, um das Gefühl einer Vibration oder Reibung an einem bestimmten Punkt auf dem Bildschirm zu erzeugen. So ergeben sich fühlbare Texturen auf dem Touchscreen, die mit mechanischen Aktoren unmöglich zu simulieren wären.

Die jüngste Studie zum Thema stammt von Disney Research in Pittsburgh, der Carnegie Mellon University und der Universität Paris Sud. Sie wurde vor kurzem auf dem "User Interface Software and Technology"-Symposium (UIST) in New York vorgestellt und beschreibt eine Technik namens "TeslaTouch", bei der ein kommerzielles Touchpanel des Herstellers 3M modifiziert wird, wie es auch in den meisten Smartphones steckt.

Das Panel besteht aus transparenten Elektroden auf Glas, das mit einer Isolationsschicht überzogen ist. Wird nun über die Verbindungen, mit der das System normalerweise die Fingerposition bestimmt, periodisch eine Spannung an die Elektroden angelegt, fühlt sich das wie eine kleine Vibration in den Extremitäten des Benutzers an. Ändert man Amplitude und Frequenz der angelegten Spannung, lassen sich verschiedene Texturen simulieren – Erhebungen beispielsweise, eine raue Oberfläche oder das Gefühl von Klebrigkeit. Der Hauptunterschied zu einem regulären Touchpanel liegt dabei in einer speziell entwickelten Kontrollelektronik, die das Gefühl im Finger erst erzeugt.

Disney Research-Forscher Ivan Poupyrev hält es für eine große Herausforderung, mit einfachen Vibrationsmotoren sinnvolle Rückmeldungen an den Nutzer zu liefern. "Wenn das ganze Gerät brummt, ist das eher störend." Einen Touchscreen mechanisch zu bewegen, sei einfach schwer – von den Kosten ganz abgesehen. Das Ziel von TeslaTouch sei deshalb, taktiles Feedback ohne mechanische Bewegungen zu entwickeln. "Das mag verrückt klingen, aber es ist uns damit auch gelungen."

Die Elektrovibration wurde bereits in den 50er Jahren für berührungsempfindliche Bildschirme vorgeschlagen, verschwand dann aber schnell von der Bildfläche, weil die Technik nicht weit genug entwickelt war. Der Ansatz feiert deshalb heute eine Art Wiedergeburt: Neben der TeslaTouch-Gruppe kündigte auch Nokia einen entsprechenden Prototypen an. Ein dritter Kandidat ist das finnische Unternehmen Senseg, das seine Implementierung der Elektrovibration bereits 2011 in erste Produkte einbauen will, Verträge mit drei Herstellern bestehen. Allerdings bahnt sich auch gleich ein Patentstreit an: Alle drei Gruppen haben eigene Patente für Elektrovibration angemeldet, jeweils mit einem unterschiedlichen Ansatz.

Disney Research arbeitet noch an grundlegenden Problemen. So wird das Texturgefühl nur erzeugt, wenn sich der Finger bewegt. Senseg beherrscht dies örtlich bereits, sagt Firmengründer Ville Mäkinen. Eine weitere Einschränkung der Disney Research-Technik: Der Nutzer bekommt stets nur ein Feedback gleichzeitig. Zwar ist es möglich, verschiedene Vibrationen an verschiedenen Orten zu erzeugen, doch dazu muss der Touchscreen speziell auslegt sein, was wiederum von den Anwendungsvorgaben abhängt.

Nokia untersucht dagegen Möglichkeiten, taktiles Feedback als Kommunikationsmittel einzusetzen. Tapani Ryhänen, Laborchef von Nokia in Cambridge, will eine Art taktile Übertragung erfinden: "Wenn ich etwas auf meinem Bildschirm mache, kann mein Gesprächspartner das dann fühlen."

Bic Schediwy, Forschungsdirektor beim Touchscreen-Spezialisten Synaptics, sieht allerdings noch einige grundlegende Einschränkungen. Wenn es nicht gelingt, Vibrationen auch dann darzustellen, wenn der Finger sich nicht bewegt, könnte die Technik beispielsweise keinen Knopfdruck simulieren. Hinzu komme, sagt Schediwy, dass nicht jeder Mensch gleich auf Elektrovibration reagiert. Das scheint an der unterschiedlichen Hautdicke zu liegen.

Auf dem UIST-Symposium zeigten die Disney Research-Forscher dennoch mehrere TeslaTouch-Demonstrationen, die durchaus beeindruckend waren – darunter eine Simulation eines eisbedeckten Fensters, das seinen Reibungswiderstand verändert, während man es virtuell freikratzt. Patrick Baudisch vom Hasso Plattner Institut in Potsdam hielt die einfach strukturierte Demonstration für "sehr überzeugend". Zwar sei TeslaTouch noch nichts, was das Ende der klassischen Tastatur bedeute. "Doch es bereichert die Interaktion mit Touch-Geräten."

Disney Research-Mann Poupyrev kann noch nicht sagen, was sein Unternehmen mit der Technik anfangen wird. Interessante Anwendungen existierten aber bereits – etwa eine virtuelle Leinwand, bei der der Benutzer sehr einfach und realistisch mit dem Finger auf einer eigentlich glatten Touch-Oberfläche malen könnte. Bis dahin muss die TeslaTouch aber noch weiter optimiert werden. Dabei erhofft sich Disney Research vor allem viel vom einfachen Einbau in bestehende Systeme. Es sei sogar möglich, mit der Technik ganze Wände zu überziehen, sagt Poupyrev. (bsc)