Training durch Roboterschulter lässt künstliche Sehnen schneller wachsen

Automaten, die uns gut implantierbares Sehnengewebe liefern könnten? Oxford-Forscher arbeiten an genau dieser Idee.

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(Bild: Fisher Studios)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rhiannon Williams
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Für den menschlichen Körper geeignetes Sehnengewebe lässt sich bereits im Labor züchten. Nun haben britische Forscher auch noch eine passende Roboterschulter entwickelt, die es dehnen, ziehen und sogar verdrehen kann, um das Wachstum anzukurbeln.

Zwar ist das Wissenschaftsgebiet der Gewebezucht aus der Petrischale noch ganz am Anfang. Doch bereits gelungen ist es unter anderem, Hautzellen, Knorpel und sogar eine ganze Luftröhre wachsen zu lassen, die aus menschlichen Zellproben entstanden. Sogar erste Implantationen dieses Materials wurden durchgeführt.

Schwieriger war bislang die Herstellung brauchbarer menschlicher Sehnenzellen, denn diese müssen besonders stabil und flexibel sein. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Wissenschaftler künstliche Sehnenzellen und -gewebe durch wiederholtes Dehnen in eine Richtung zum Wachsen und Reifen gebracht. Mit diesem Ansatz ist es jedoch bisher nicht gelungen, voll funktionsfähige Gewebetransplantate herzustellen, die im menschlichen Körper klinisch eingesetzt werden könnten.

Helfen könnte hier nun Kollege Roboter. Eine neue Studie, die im Journal "Communications Engineering" veröffentlicht wurde, zeigt, wie humanoide Roboter eingesetzt werden könnten, um künstliches Sehnengewebe herzustellen, das dem echten Gewebe ähnlicher ist.

"Der klinische Bedarf ist eindeutig vorhanden", sagt Pierre-Alexis Mouthuy von der Universität Oxford, der das Team leitete. "Wenn wir in vitro Transplantate herstellen könnten, die von ausreichender Qualität sind, um sie in der klinischen Praxis zu verwenden, wäre das sehr hilfreich für die Beschleunigung der Gesundung der Patienten. Da ist jeder Fortschritt willkommen."

Für ihr Experiment bestand der erste Schritt des Teams darin, die Testkammer, in der die Zellen untergebracht waren, umzugestalten. In den Bioreaktor passt nun eine humanoide Roboterschulter, die die Zellen auf die gleiche Weise biegen, drücken, ziehen und verdrehen kann, wie dies bei menschlichem Muskel- und Skelettgewebe der Fall wäre. Es ist quasi eine Trainingsphase.

Während herkömmliche Bioreaktoren starren Kästen ähneln, schuf das Team einen flexiblen Reaktor, in dem menschliche Fibroblastenzellen – längere Zellen, die in Bindegewebe vorkommen – auf einem weichen Kunststoffgerüst gezüchtet werden, das zwischen zwei starren Blöcken hängt. Sie befestigten dieses Material an der Roboterschulter, die 14 Tage lang täglich eine halbe Stunde lang die Hebe- und Drehbewegungen eines Menschen nachahmte.

Anschließend wurde festgestellt, dass sich die Zellen im Bioreaktor schneller vermehrten als Proben, die nicht gedehnt worden waren – und dass sie Gene anders exprimierten. Allerdings wissen die Forscher noch nicht, wie sich das auf die Qualität des Transplantats auswirkt. Das Team plant in einem nächsten Schritt, zu untersuchen, wie sich die in ihrem neuen Bioreaktor gezüchteten Zellen im Vergleich zu den in herkömmlichen Bioreaktoren gezüchteten Zellen verhalten. Auch hierfür gibt es bereits Dehngeräte, doch die arbeiten recht unnatürlich.

"Der Einsatz von Robotern für die Gewebezüchtung ermöglicht viel realistischere biomechanische Stimulationen, was ich für einen Durchbruch halte", sagt Dana Damian, Dozentin an der Universität Sheffield, die die Studie kennt. "Der nächste Schritt ist der Nachweis, dass der Einsatz von Robotern eine deutliche Verbesserung gegenüber der Verwendung herkömmlicher Bioreaktoren darstellt."

Das Verfahren könnte genutzt werden, um Gewebe herzustellen, das zur Reparatur von Rissen in den Sehnen der Rotatorenmanschette eingesetzt wird. Dieses Schulterproblem kann durch Sportverletzungen oder Erkrankungen entstehen und ist bei Erwachsenen die häufigste Ursache für Schulterschmerzen.

In der Regel verwenden Chirurgen hier Nähte, um die gerissenen Sehnen wieder am Knochen zu befestigen, ein Eingriff, der in etwa 40 Prozent der Fälle aufgrund einer schlechten Gewebeheilung fehlschlägt. Gewebetransplantate, die durch Stimulation von humanoiden Robotern gezüchtet werden, könnten erfolgreicher heilen.

Die Technik ist noch weit davon entfernt, ein voll funktionsfähiges Sehnentransplantat zu erzeugen, aber die Forscher sagen, dass ein ähnlicher Ansatz auch in anderen Bereichen Anwendung finden könnte. Dazu gehört die Herstellung besserer Muskeln oder Bänder in Bioreaktoren. Die Roboter könnten zudem so hergestellt werden, dass sie der spezifischen Physiologie des Patienten entsprechen und das von ihnen produzierte Gewebe "personalisieren", meinen die Forscher.

(bsc)