Trimm dich und deinen Avatar

Ein System namens Zamzee soll Jugendliche mit Hilfe von virtuellen und realen Belohnungen zum Sport motivieren – und so der verbreiteten Fettleibigkeit unter US-Teenagern entgegenwirken.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mya Frazier

Ein System namens Zamzee soll Jugendliche mit Hilfe von virtuellen und realen Belohnungen zum Sport motivieren – und so der verbreiteten Fettleibigkeit unter US-Teenagern entgegenwirken.

Bis vor kurzem hat die elfjährige Malica Astin sich wenig Gedanken gemacht, ob sie sich in ihrer Freizeit genug bewegt. Das änderte sich, als sie zum ersten Mal mit einem „Zamzee“ an ihrer Hüfte Basketball spielte. Als sie nach Hause kam, schob sie das kleine Aktivitätsmessgerät in die USB-Schnittstelle ihres Laptops und zog die Daten vom Zamzee-Stick herüber. 758 Bewegungspunkte, „Zamz“ genannt, hatte sie sich verdient.

Während Fitness-Sensoren für Erwachsene wie der FitBit ihren Trägern die verbrannten Kalorien melden, dienen Zamzee-Punkte als eine Art Währung. Auf Zamzee.com können Kinder und Jugendliche sie etwa gegen virtuelle Gegenstände eintauschen. Malica hat auf diese Weise ihren Avatar bereits mit einer Kette, einem Hula-Rock und Armbändern verschönert.

Seit das Mädchen an dem Trainingsprogramm teilnimmt, hat sie sich bereits 3.612 Zamz erarbeitet. „Am Anfang wusste ich nicht recht, was das Ganze soll“, sagt Malica, „inzwischen mag ich es.“ Kein Wunder: Die Jugendlichen werden auch mit realen Preisen geködert. Für 16.000 Zamz bekommen sie einen iPod nano, für 18.000 Zamz eine Wii-Konsole.

Zamzee versucht, Fitness und Computerspiele miteinander zu verbinden. Damit will das gleichnamige Start-up einen neuen Weg gegen die westliche Volkskrankheit Adipositas, besser bekannt als Fettleibigkeit, einschlagen. Neue Untersuchungen zeigen, dass vor allem US-Jugendliche zwischen 11 und 14 Jahren an einem akuten Bewegungsmangel leiden. Diäten oder Programme zur Gewichtskontrolle bewirken in der Regel wenig. Nun soll die Faszination von Computerspielen die faulen Teenager austricksen.

Gegründet wurde Zamzee von der Non-Profit-Organisation Hope Lab, hinter der eBay-Gründer Pierre Omidyar und seine Frau stecken. Hope Lab hat bereits ein Videospiel veröffentlicht, das krebskranke Kinder dazu bringen soll, ihre Medikamente genau so wie von den Ärzten verordnet einzunehmen. Zurzeit laufen Tests in Atlanta, Chicago und der San Francisco Bay Area. Der offizielle Start von Zamzee ist im Herbst.

Malica gehört zu einer Gruppe von 20 Mädchen, die das System im Boys & Girls Club in Atlanta ausprobieren. Die Metropole im US-Bundesstaat Georgia wurde nicht zufällig ausgewählt: Georgia belegt bei der Kinder-Fettleibigkeit einen unrühmlichen zweiten Platz in den USA. 52 Prozent aller Schüler der Sekundarstufe verfehlen dort die Vorgaben der US-Gesundheitsbehörde CDC für tägliche Bewegung. Die Organisation Children’s Healthcare aus Atlanta versucht es mit der Peitsche und hat kürzlich eine Werbekampagne mit drastischen Motiven gestartet.

Verglichen damit versucht es Zamzee mit Zuckerbrot. Eltern zahlen einen Geldbetrag auf ein Konto ein, um damit die Belohnungen ihrer Kinder zu finanzieren. Damit auch Familien mit geringem Einkommen teilnehmen können, unterstützen einige gemeinnützige Organisationen wie die Mayo Clinic das Zamzee-Programm.

Sandra Aamodt, Neurowissenschaftlerin und Autorin des Buches „Welcome to Your Child’s Brain“, ist angetan von Zamzee, weil es endlich einmal nicht das Gewichtsproblem, sondern das Sich-Bewegen, den Sport in den Vordergrund stellt. Aamodt warnt allerdings vor überzogenen Erwartungen: Forschungsarbeiten hätten gezeigt, dass langfristig die innere Motivation schwerer wiege als äußere Anreize. „Wir haben die seltsame Eigenart, dass wir irgendwann nicht mehr genau wissen, warum wir etwas am Anfang toll gefunden haben.“

Die Zamzee-Entwickler wissen um diese Schwierigkeiten. Deshalb haben sie verschiedenste Methoden getestet, um Kinder zu motivieren. Eine Kombination aus virtuellen und geldwerten Anreizen habe sich als erfolgreichster Weg herausgestellt, sagt der Biomediziner Steve Cole, der die Forschung von Hope Lab leitet.

Das Programm packt jedoch nicht alle Kinder so wie Malica. Die 13-jährige Emani Welch, die ebenfalls daran teilnimmt, hat bislang kaum Punkte gesammelt und sich noch nicht einmal bei Zamzee.com angemeldet, geschweige denn ihren eigenen Avatar kreiert. „Ich sitze meistens herum, weil nicht viel los ist“, sagt Emani. „Hin und wieder gehe ich Tennis spielen.“ (nbo)