Turbo für Satelliten-Internet

Amerikanische und europäische Computerwissenschaftler wollen das Überallnetz in seiner Geschwindigkeit verdoppeln.

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Von
  • David Talbot

Amerikanische und europäische Computerwissenschaftler wollen das Überallnetz in seiner Geschwindigkeit verdoppeln.

Eine neue Software könnte in einigen Jahren den Internet-Zugriff per Satellit deutlich beschleunigen, egal ob man sich nun in Ländern ohne Festnetz-Anbindung, in Flugzeugen oder auf Kreuzfahrtschiffen befindet. Insbesondere Multimediaübertragungen sollen so verlässlicher werden, beispielsweise TV-Übertragungen. Das Verfahren wurde am Lincoln Laboratory des Massachusetts Institute of Technology in Zusammenarbeit mit Forschern des Hamilton Institute im irischen Maynooth entwickelt. Erste Tests sind bereits 2014 geplant. "Wir hoffen, dass wir so ständig ein klares Videosignal mit weniger Unterbrechungen erreichen", sagt Ammar Khan, Design Authority beim Londoner Satellitenbetreiber Inmarsat.

Das neue Verfahren, an dem unter anderem die Informatikprofessorin Muriel Médard aus der "Network Coding and Reliable Communications"-Gruppe des MIT arbeitet, setzt auf eine angepasste Variante des Internet-Protokolls TCP (Transmission Control Protocol). Reguläres TCP nutzt kleine Datenpakete, die in einer bestimmten Laufzeit und Reihenfolge auf dem Empfangsrechner landen müssen. In TCP eingebaut sind Fehlerprüfsysteme, die verlorene Pakete neu anfordern können.

Setzt man reguläres TCP über Drahtlosschnittstellen ein, geht automatisch Bandbreite flöten, weil es regelmäßig zur Neuanforderung von Paketen kommt – die Funkverbindung ist einfach nicht immer verlässlich. Das ist ein besonders großes Problem für Satelliten-Internet, weil ein neu angefordertes Paket die ganze Wegstrecke ins All zurücklegen muss, was eine halbe Sekunde oder länger dauern kann.

Die von Médard und ihrem Team überarbeitete TCP-Version sendet stattdessen mathematische Funktionen, die mehrere Pakete beschreiben, so dass das Empfangsgerät, in diesem Fall ein Satelliten-Terminal, die fehlenden Daten neu berechnen kann, ohne sie frisch anfordern zu müssen. "Man verschickt zwar insgesamt mehr Pakete als man normalerweise würde, muss sie aber nicht neu übertragen", erläutert Khan.

Inmarsat versorgt mehr als 500.000 Terminals auf der ganzen Welt, die beispielsweise auf Kreuzfahrtschiffen, Fischerbooten, Passagierflugzeugen oder den Dächern von Bürogebäuden (hier oft als Backup-Lösung) installiert sind. Medien nutzen den Satellitendatenfunk direkt vom Übertragungswagen aus. "Unsere Nutzer könnten in all diesen Anwendungsfällen von der neuen Technik profitieren", sagt Khan.

Das neue Verfahren wurde bislang erst unter Laborbedingungen getestet. Ab 2014 soll es dann in Testumgebungen zum Einsatz kommen, mit denen sich die langen Paketlaufzeiten und typischen Datenverlustprobleme bei Satellitenverbindungen genau emulieren lassen. Wenn alles glattgeht, landet die Technik anschließend in der Inmarsat-Flotte.

Satelliten-Internet wird derzeit von grundverschiedenen Nutzergruppen eingesetzt. In ländlichen Gegenden Afrikas, wo es keine Festnetzinfrastruktur und kein mobiles Internet gibt, zahlt man zwischen 2000 und 3000 Dollar im Monat, um ein Megabit für eine ganze Stadt zu erhalten. Mehr als Textnachrichten sind hier unbezahlbar. "Wenn sich die Bandbreite der Satelliten verdoppeln ließe, wäre das eine deutliche Verbesserung", meint Riyaz Bachani, Chef des kenianischen Internet-Providers Wananchi. Aber nicht nur in armen Ländern macht Satelliten-Internet Probleme. Auf einem Kreuzfahrtschiff ist es mit der Technik beispielsweise schwer, Bandbreiten zu liefern, die betuchte Nutzer von zu Hause gewöhnt sind.

Schon jetzt nutzen Anbieter von Satelliten-Internet diverse Tricks, um die Technik auszureizen. Dazu gehört etwa die Optimierung der spektralen Effizienz. Doch so langsam gehen den Firmen die Möglichkeiten aus. "Die anderen Technologien, die wir einsetzen, sind nahezu ausgeschöpft", sagt Khan. Ein angepasstes TCP könnte Abhilfe schaffen.

Médard und ihr Team arbeiten nicht nur an schnellerem Satelliten-Internet. Ihre aktuelle Arbeit basiert auf Verfahren, mit denen sie bereits WLAN und andere terrestrische Funknetzwerke beschleunigen konnten. Selbst bei drahtgebundenen Internet-Verbindungen seien Verbesserungen möglich, sagen die Forscher. (bsc)