US-Wahlwerbung: Facebook bleibt Manipulationsmaschine

Sowohl Republikaner als auch Demokraten arbeiteten mit Persönlichkeitsprofilen, um gezielte Werbung im Social Network zu schalten – so umstritten das auch ist.

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(Bild: Pexels)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tate Ryan-Mosley
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Das NYU Ad Observatory hat neue Daten veröffentlicht, die Einblicke geben, inwieweit die Kampagnen von Donald Trump und Joe Biden Facebook-Nutzer mit Hilfe von Microtargeting angesprochen haben.

Dabei heraus kam ein Wirrwarr unterschiedlicher Eigenschaften, die die Zielgruppe haben soll – von Unspezifischem ("Altersgruppe 18-65") bis hin zu ganz bestimmten Charakteristiken, wie etwa ein bekundetes "Interesse für Lin-Manuel Miranda", den Latino-Star und Schöpfer des Broadway-Musicals "Hamilton".

Die Kampagnen machten sich also auch in dieser Wahlperiode wieder die enormen Filtermöglichkeiten zunutze, die Facebook Werbern anbietet. Pro Reklame wurden dafür in der Regel einige genutzt. Mit direkter Werbung sollten Facebook-Nutzer je nach Segment überzeugt, mobilisiert und zum Spenden bewegt werden.

Die Daten des NYC Ad Observatory zeigen, dass sowohl Trump als auch Biden stark in die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen investiert haben. Dafür haben sie Facebook mit einer ähnlichen Taktik genutzt, wie sie schon 2016 beim Cambridge-Analytica-Skandal zum Einsatz gekommen sein soll.

Das Vorgehen zeigt auch, wie personalisiert dieses Targeting inzwischen sein kann: Kampagnen sind in der Lage, Listen hochzuladen von spezifischen, individuellen Profilen, die sie adressieren wollen. Aus der Studie geht hervor, dass es sich hierbei um eine weit verbreitete Praxis handelt.

Wie funktioniert diese gezielt adressierte Werbung? Kampagnen entwickeln Wähler-Kontakt-Strategien, indem sie Modelle verwenden und Daten sammeln, um auf dieser Grundlage Vorhersagen über das Wahlverhalten dieser Menschen zu treffen. Weiterhin identifizieren sie, für welches ihrer Segmente sie sich von einer Person etwas erhoffen können, ob es zum Beispiel eher darum geht, Spenden für die Kampagne einzusammeln oder neue Stimmen zu gewinnen. Facebook bietet Werbenden mittlerweile diverse Ansätze, diese Nutzer zu adressieren – darunter einfache demographische Filter, eine Liste von Nutzerinteressen oder die Option, eine eigene Liste von vorhandenen Profilen hochzuladen. (Facebook erstellt selbst auch Listen mit Themen, für die sich Nutzer aufgrund ihrer Kontakte und des Online-Verhaltens interessieren könnten.)

Kampagnen nutzen diese Persönlichkeitsprofile, um Übereinstimmungen zwischen ihren Wahlsegmenten und den auf Facebook angegebenen Interessen zu finden. Laden sie jedoch selbst Listen bestimmter Nutzerprofile hoch, bleibt es um einiges eindeutiger, wie die Adressaten eigentlich identifiziert wurden und woher die Namen stammen. Wenn Kampagnen die Listen nicht selbst zusammenstellen, kaufen sie diese häufig einschließlich aller relevanten Profilnamen bei Drittanbietern ein. Doch wie ein potenzieller Wähler mit einem Facebook-Profil verbunden wird, ist enorm schwer nachzuverfolgen.

Die Daten des NYU Ad Observatory sind weder flächendeckend noch repräsentativ, da sie von etwa 6500 Freiwilligen stammen, die sich das Ad-Observatory-Plug-in heruntergeladen haben. Facebook selbst veröffentlicht diese Daten nicht, es braucht also die Mithilfe von Freiwilligen. So lässt sich allerdings nur ein Teil des Gesamtbilds abbilden.

Die NYU-Forscher glauben, dass es an dieser Stelle noch einige Erkenntnisse zu gewinnen gibt. Zum einen wird klar, dass Kampagnen weiterhin mit gezielten Werbestrategien auf Facebook experimentieren und in sie investieren. Die Forscher haben auch gesagt, dass Werbung, die mit vorher vorhandenen Listen arbeitet, eher für Überzeugungsrhetorik eingesetzt wird. Die Gründe dafür sind noch nicht klar, doch es steckt eine lukrative Industrie hinter dem Geschäft, Wähler zu finden und zu kontaktieren, die möglicherweise noch überzeugbar sind. Arbeiten Facebook-Anzeigen mit spezifischen Interessenfiltern, verfolgen sie als Ziel eher Spendenkampagnen, wenn auch nicht nur. Werbung für Fundraising gilt den Unterstützern an der Basis – es könnte also sein, dass Kampagnen noch weiter entwickelte Modelle (und viel bessere Daten) haben, wenn es um die Interessen und Persönlichkeiten ihrer eigenen Unterstützer geht.

Cambridge Analytica wurde 2016 vorgeworfen, Facebook-Daten zu nutzen, um Persönlichkeitsprofile potenzieller US-Wähler zu erstellen. Angeblich will das Unternehmen Nutzer identifiziert haben, die ihrer Persönlichkeit nach wahrscheinlich empfänglich dafür waren, Trump zu wählen. Es gibt keinen Beleg dafür, dass das funktioniert hat. Laura Edelson, eine der Entwicklerinnen beim NYU Ad Observatory, meint allerdings: "Ich weiß nicht, ob es irgendeinen Beleg dafür gibt, dass es nicht wirksam war." Sie fügt hinzu, dass benutzerdefinierte Werbung zwar ineffektiv sein könnte, aber trotzdem schädigend. Dass weiterhin in diese Art der Reklame investiert wird, zeigt, dass datengetriebenes, hochskaliertes Microtargeting als Kommunikationsstrategie gewachsen ist und immer mehr zum Mainstream wird. Jeder Nutzer bekommt seine eigene, angepasste Reklame.

Die Zukunft dürfte eher weniger als mehr Transparenz liefern. Derartige Einblicke in Facebooks politisches Werbebusiness könnte es bald nicht mehr geben: Das "Wall Street Journal" berichtet, dass Facebook sich mit den Forschern des NYU Ad Observatory in Kontakt gesetzt und ihnen gedroht habe, das Projekt verstoße gegen die Nutzungsbedingungen. Da das Tool Daten aus dem sozialen Netzwerk beziehe, müsste das Forschungsprojekt beendet und alle Daten gelöscht werden. Andernfalls drohen der NYU "weitere Vollstreckungsmaßnahmen". Schon lange kritisieren Forscher, dass Facebook kaum Einblicke erlaubt. Und CrowdTangle, eines der beliebtesten Hauptwerkzeuge, um Aktivitäten auf Facebook zu messen, wurde 2016 aufgekauft – von Facebook selbst.

(bsc)